Regierungskritischer Journalist aus Jamaika bekommt Morddrohungen per Post
Die Redaktion des „Jamaica Observer“ erhielt am 7. August einen Brief ohne Absender. Adressat war der Kolumnist O. Hilaire Sobers, der sich im Blatt wöchentlich zu Menschenrechtsthemen äußert. Der Inhalt war eindeutig: Auf montierten Bildern ist zu erkennen, wie Sobers mit einem Gewehr erst geschlagen und dann erschossen wird. In einem Drohbrief wird auf die Kolumnen des Journalisten Bezug genommen, der zuletzt mehrfach die Unfähigkeit der Behörden kritisiert hatte, staatliche Morde und Übergriffe von Sicherheitskräften aufzuklären. „Wenn wir soweit sind“, heißt es in dem Brief, „werden wir euch allen in den Arsch schießen“.
Neben Sobers werden auch Menschenrechtler, der jamaikanische Oppositionsführer Edward Seaga sowie der ehemalige Generalsekretär von amnesty international, Pierre Sané, verhöhnt. San_ hatte Jamaika im September vergangenen Jahres und im April dieses Jahres besucht, um mit Angehörigen, Menschenrechtlern und Regierungsvertretern das Problem von Misshandlungen und tödlichen Schüssen durch Polizisten zu diskutieren.
Am Tag vor der Zustellung des Drohbriefes hatte Sobers gemeinsam mit Mitgliedern der Menschenrechtsorganisation „Families Against State Terrorism“ eine Polizeistation in Hunts Bay aufgesucht, um inhaftierten jungen Männern als Anwalt Rechtsbeistand zu leisten. Dabei wurde ihnen der Zutritt verwehrt. Eine Menschenrechtlerin wurde kurzzeitig festgenommen, einem anderen wurden Schläge angedroht. Menschenrechtler und kritische Journalisten geraten in Jamaika zunehmend unter Druck. Vor allem wer sich für die Rechte von Inhaftierten einsetzt, wird häufig selbst als Krimineller diffamiert und damit für einige Sympathisanten der Regierung offenbar zum Abschuss freigegeben.