Sinnentstellende Kürzungen

Presserat rügte falschen Umgang mit Leserbriefen

Beschwerden über Leserbriefe sind immer wieder Thema beim Deutschen Presserat. Hierbei ist der Nichtabdruck ebenso ein Beschwerdegrund wie die Kürzung von Leserbriefen oder auch inhaltliche Entgleisungen von Leserbriefschreibern. Es gibt also viele Gelegenheiten als Redakteur beim Umgang mit Leserbriefen etwas falsch zu machen. So hat der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats auf seiner letzten Sitzung im vergangenen Jahr eine öffentliche Rüge gegen die „Süddeutsche Zeitung“ ausgesprochen, da diese einen Leserbrief sinnentstellend gekürzt hatte.

Die Redaktion hatte einen Brief zu einem Kommentar, der sich mit den Kriegsplänen der USA gegen Saddam Hussein befasst, veröffentlicht. In dem Kommentar äußert sich der Autor zustimmend zu den Kriegsplänen der Regierung Bush, der Leserbriefschreiber hatte hierzu eine ganz andere Auffassung. Er beschwert sich beim Deutschen Presserat über die sinnentstellende Kürzung seines Leserbriefes. Seine Zuschrift hätte aus insgesamt fünf Sätzen bestanden: In den ersten drei Sätzen habe er in Kurzform die wesentlichen Aussagen des Kommentators referiert, in den zwei folgenden Sätzen habe er dann seine Kritik daran formuliert. Diese beiden letzten Sätze seien von der Redaktion allerdings gestrichen worden, so dass aus seiner scharfen Kritik ein zustimmender Text geworden sei. Nach Auffassung der Chefredaktion enthielt der zweite Teil des Leserbriefes jedoch beleidigende Äußerungen über den Autor des Kommentars, die die Zeitung nicht drucken wollte.

Der Beschwerdeausschuss war der Auffassung, dass die „Süddeutsche Zeitung“ gegen Ziffer 2 des Pressekodex verstoßen hat. Seiner Meinung nach wurde durch die vorgenommene Kürzung die Richtlinie 2.6 Absatz 4 des Pressekodex verletzt. Dort heißt es, dass Kürzungen sinnwahrend sein müssen. Im konkreten Fall lag jedoch eine grobe Sinnentstellung vor, da durch die Kürzung die Aussage des Briefes ins Gegenteil verkehrt wurde. Beim Leser muss nach Lektüre des Briefes der falsche Eindruck entstehen, als würde der Leserbriefschreiber die in dem Kommentar getroffenen Aussagen unterstützen. Besonders schwerwiegend war für den Beschwerdeausschuss die Verletzung der Sorgfaltspflicht auch deshalb, da der zweite Teil des Briefes bewusst von der Redaktion gestrichen wurde. Die gezielte und sinnentstellende Bearbeitung des Leserbriefs stellt eine grobe Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht dar.

Identifizierung möglich

Die BILD-Zeitung wurde zweimal aufgrund eines Verstoßes gegen die Persönlichkeitsrechte gerügt. So hatte sie über den Suizid eines Ingenieurs berichtet und die gebotene Zurückhaltung, die bei einer Berichterstattung über dieses Thema verlangt wird, vermissen lassen. Der Artikel enthielt Angaben wie den Vornamen, den abgekürzten Nachnamen sowie das Alter und die Arbeitsstätte des Toten. Zudem wurde über das Motiv der Tat spekuliert.

In dem zweiten Fall hatte die BILD-Zeitung in einem Artikel über die Ermordung eines Kindes berichtet. Der vermutlich schuldunfähige Verdächtige wurde mit Foto, Vornamen und abgekürztem Nachnamen identifizierbar gemacht. Zudem wurde der Mann als „Killer“ und „Schwein“ bezeichnet.

69 Beschwerden bearbeitet

Auch auf seiner ersten Sitzung im Jahr 2003 sprach der Presserat insgesamt acht Rügen, darunter vier wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten aus. Insgesamt hatte er 69 Beschwerden zu bearbeiten. Es gab neun Missbilligungen und 18 Hinweise. 29 Beschwerden wurden als unbegründet zurückgewiesen.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Medienhäuser müssen Journalisten schützen

„Die Pressefreiheit ist auch in Deutschland zunehmend bedroht”, kritisiert die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di, Tina Groll, zum Internationalen Tag der Pressefreiheit. Die dju in ver.di verzeichne mit großer Sorge eine wachsende Anzahl der Angriffe, die die Gewerkschaft für Medienschaffende in einem internen Monitoring festhält.
mehr »

Spanien: Als Terrorist beschuldigt

Der katalanische Investigativjournalist Jesús Rodríguez hat Spanien verlassen, um ins Exil in die Schweiz zu gehen. Ihm wird von Ermittlungsrichter Manuel García-Castellón die Unterstützung terroristischer Akte vorgeworfen. Die Schweiz sieht im Vorgehen der spanischen Justiz gegen den Katalanen einen „politischen Charakter“.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »