Die Stimmung in den deutschen Medien ist mies. Unter dem Eindruck von Rezession und Terror schlägt die Stunde der Controller. Viele Verlage und Sender suchen ihr Heil in teilweise drastischen Sparmaßnahmen.
Eine „Rückkehr zur Normalität“ hatte Volker Schulze, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, noch Ende Juni auf dem BDZV-Kongress prognostiziert. Gemeint war die Ernüchterung, die sich in den Vorstandsetagen der Medienunternehmen nach dem Boomjahr 2000 allmählich breit machte. Immerhin wurde nach einem flauen ersten Halbjahr eine Erholung des Werbeklimas für den Herbst in Aussicht gestellt. Doch mit den Terroranschlägen in den USA am 11. September verwandelten sich alle vorsichtigen Wachstumshoffnungen in Makulatur. Das Werbejahr 2001, so die übereinstimmende Auffassung der meisten Branchenexperten, ist nicht mehr zu retten. Mit einem Umsatzrückgang von „einem Prozent plus x“ rechnet etwa Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbandes der Werbewirtschaft (ZAW).
„Aktiver Abbau“
Paradox: Fast alle Medien konnten in den Wochen nach den Terrorattentaten ein gestiegenes Informationsbedürfnis des Publikums registrieren. Den Niedergang des Werbegeschäftes vermochte dies in der Geschäftsbilanz nicht zu kompensieren. Publikumszeitschriften wie „Spiegel“, „Focus“ und „Stern“ verloren Dutzende von Anzeigenseiten. Jetzt wird in den Verlagen energisch der Rotstift angesetzt.
Den Anfang machte die Verlagsgruppe Handelsblatt des Holtzbrinck-Konzerns. Wegen der anhaltend schlechten Konjunkturlage, so gab das Unternehmen Ende September bekannt, sei man genötigt, das Personal im kommenden Jahr um zehn Prozent zu verringern. Derzeit sind bei Blättern wie „Handelsblatt“, „Wirtschaftswoche“ und „Telebörse“ etwa 1.500 Mitarbeiter beschäftigt. Bei der Sparvorgabe von 150 Stellen handle es sich, so Verlagssprecher Andreas Knaut, um „Maximalzahlen“, die sich zudem auf das Kernhaus bezögen. Es werde jedoch „sozialverträglich“ vorgegangen: Der „aktive Abbau“ durch betriebsbedingte Kündigungen betreffe nur etwa 30 Stellen, die Redaktionen blieben von Personalkürzungen unberührt. Knaut: „Wir wollen die journalistische Qualität unserer Produkte nicht beeinträchtigen.“
Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, als lieferten die Ereignisse vom 11. September den Verlagen lediglich den Vorwand, längst geplante Sparorgien durchzudrücken. Dieser Fall liegt bei Springer vor, wo vor allem schwere Managementfehler und ein unreflektiertes Setzen auf die „new economy“ für eine Schieflage in der Konzernbilanz sorgen (vgl. Seite 10). Ausbaden muss diese Fehlleistung die Belegschaft: Zehn Prozent der 14.000 Stellen fallen bis 2003 weg. Konzernbetriebsratsvorsitzender Helmut Kruschak sieht die Sache im Moment zwar „nicht so ganz doll pessimistisch“.
Er vertraut auf die „sozialpolitische Linie des Hauses“, will sagen, das Auffangen der Jobverluste durch natürliche Fluktuation, Altersteilzeit, Abfindungen und restriktive Einstellungspolitik. Eines kommt für ihn nicht infrage: „Betriebsbedingte Kündigungen mit dem Ziel der Entlassung sind mit uns nicht zu machen.“
Einer der Hauptverantwortlichen, der bisher im Vorstand für Zeitungen und Multimedia zuständige Protegé Friede Springers, Mathias Döpfner, rutscht dagegen abermals die Karrieretreppe hinauf. Er wird zur Jahreswende den Vorstandsvorsitz von Europas größtem Zeitungshaus übernehmen – und will deshalb seinen Besitz „besenrein“ übergeben.
Beschäftigtenabbau auch bei der „Frankfurter Rundschau“. Wie viele der 1650 Verlagsangestellten betroffen sind, will Personalchef Günter Wolf bewusst nicht preisgeben, um „unnötige Unruhe“ zu vermeiden. „Das mag eine AG tun, um ihre Aktionäre zufrieden zu stellen.“ Es bestehe allerdings „kein Grund zu Panik“. Erreicht werden soll das Ziel „auf jeden Fall sozialverträglich“, durch einen Wiederbesetzungsstopp für freiwerdende Stellen, durch Umsetzungen und durch eine großzügige Altersteilzeit.
Nach den Hiobsbotschaften aus diversen Großverlagen häufen sich die Krisenmeldungen aus mittelständischen Betrieben. Bei der „Badischen Zeitung“ macht die Verlagsspitze Einbrüche im nationalen und regionalen Anzeigengeschäft als Grund für drastische Personaleinsparungen geltend. Von neun Millionen Mark Verlust allein in diesem Jahr und stagnierender Auflage ist die Rede. Bereits im Sommer wurde der Seitenumfang des Blattes stark reduziert. Jetzt geht es ans Eingemachte.
55 Stellen werden gestrichen, davon allein 35 im redaktionellen Bereich. Die Außenredaktionen in Furtwangen und Offenburg werden geschlossen (vgl. Seite 13).
Konsequent
Bei der „Passauer Neuen Presse“ wird nach Angaben des Branchenblatts „W&V“ seit Jahresbeginn ein neues Redaktionssystem installiert. Erhoffter Einsparungseffekt: 60 Arbeitsplätze. Die Geschäftsführung der „Aachener Zeitung/ Aachener Nachrichten“ will „bedächtige Stellenkürzungen“ gleichfalls nicht ausschließen. Beim „Darmstädter Echo“ wird bereits seit zwei Jahren das Personal durch Nichtbesetzung freiwerdender Stellen ausgedünnt.
Längst nicht alle Aktiengesellschaften kommunizieren so unverblümt ihre Schrumpfpläne wie etwa das Haus Springer. „Mittel- und langfristig gehen wir von einer stabilen Konjunktur und weiterem Wachstum aus“, gab sich Bertelsmann-Vorstandsvorsitzender Thomas Middelhoff auf der Bilanzpressekonferenz Ende September in Berlin gemäßigt optimistisch. Auch unter dem Eindruck der Terroranschläge würden die Businesspläne „nicht revidiert“. Der „Zeit“ vertraute Middelhoff kürzlich allerdings an, dass der Konzern „im bestehenden Geschäft“ sehr wohl Arbeitsplätze abbaue. Das trifft vor allem die defizitäre Musiksparte, wo nach seinen Angaben weltweit 1.100 Stellen gestrichen worden seien. „Dabei machen wir nie viel Lärm“, so der Bertelsmann-Chef. Bei der Konzerntochter Gruner+ Jahr wurde bereits vor Monaten das Kosten- und Effizienzprogramm CAP (Costs and Processes) aufgelegt. Auf dessen Basis sollen die Mitarbeiter selbst mit konkreten Sparvorschlägen aufwarten.
Gleichwohl hat es bereits Kündigungen gegeben, etwa bei „Börse Online“ und bei „Capital“. Unsicherheit besteht auch bei den Beschäftigen der G+J-Tageszeitungen. Trotz gegenteiliger Beteuerungen des Vorstands halten sich hartnäckig Gerüchte über einen bevorstehenden Verkauf. Einstweilen wird rationalisiert. Bei der G+J-Tochter Berliner Verlag, die in der Hauptstadt die „Berliner Zeitung“ und das Boulevardblatt „Berliner Kurier“ herausgibt, wurden soeben 38 Kündigungen ausgesprochen. Der Betriebsrat argwöhnt, dass Pläne für weitere Entlassungen in der Schublade liegen (vgl. Seite 10).
Auch nach Gattungen betrachtet kann sich kaum eine Printsparte von den Auswirkungen der nahenden Rezession retten. Die Umfänge bezahlter Anzeigen in lokalen und regionalen Abo-Zeitungen sanken nach BDZV-Angaben im ersten Halbjahr 2001 im Vergleich zum Vorjahr bundesweit um 8,6 Prozent. Besonders hart trifft die Flaute am Werbemarkt die ostdeutsche Tagespresse. Aufgrund der allgemein miserablen wirtschaftlichen Lage ging dort das Anzeigenaufkommen in den ersten sechs Monaten gar um 16,6 Prozent zurück.
Erstmals seit zehn Jahren machen auch die Anzeigenblätter deutliche Verluste. Dieter Schneider, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Anzeigenblätter, rechnet mit einem Umsatzminus der Branche von rund fünf Prozent. Auch hier herrscht ein dramatisches Ost-West-Gefälle: In den neuen Ländern werden laut Schneider Umsatzrückgänge von bis zu 20 Prozent registriert. Über die Folgen für die Beschäftigten ist einstweilen noch nichts bekannt. Widersprüchlich das Bild bei den Zeitschriften: Hier konnten die aktuellen Publikumstitel nach den Terrorattentaten zwar kurzfristig enorme Auflagenzuwächse registrieren. Dafür schlug die schon vorher beklagte Baisse auf dem Anzeigenmarkt hinterher umso härter durch. Allein „Focus“, „Spiegel“ und „Stern“ verloren laut der Zentralen Anzeigenstatistik (ZAS) des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) von September auf Oktober insgesamt 131 Anzeigenseiten.
Die wirtschaftliche Verunsicherung nach dem 11. September gibt einem ohnehin schwierigen Werbejahr den Rest: Von Januar bis Oktober haben die in der ZAS erfassten Zeitschriften – trotz über 50 Neuerscheinungen – gut vier Prozent weniger Anzeigen verkauft als im Vorjahr. Anders als bei den Zeitungen reagieren die Zeitschriftenverleger auf diese Entwicklung offenbar in der Regel nicht gleich mit Personalabbau, sondern wählen „weiche“ Auffangstrategien. „Wir ermöglichen Mitarbeitern etwas großzügiger als früher den Wunsch nach Teilzeittätigkeit oder unbezahlten Sabbaticals“, räumt etwa „Spiegel“-Verlag-Geschäftsführer Karl-Dietrich Seikel ein.
Ungewisse Zukunft
Ausnahmen bilden die besonders krisenanfällige Wirtschaftspresse sowie Online-Titel. Bei „Börse Online“ mussten bereits acht Redakteure gehen; bei „Capital“ gelten diverse Jobs als gefährdet. Selbst die bislang erfolgsverwöhnte Verlagsgruppe Milchstrasse gerät ins Trudeln: das Internet-Magazin „Tomorrow“ entließ unlängst mehr als 20 Redakteure. „Net Business“ wurde nach langer Agoniephase eingestellt und an den früheren „kressreport“-Verleger Peter Turi verkauft. Dessen Versuche, das Blatt als Hochglanzmagazin wiederzubeleben, scheiterten offenbar bereits nach drei Ausgaben. Und auch die Zukunft des Branchendienstes „Kress“ selbst gilt als ungewiss. Sechs Kollegen wurden bereits entlassen, die restlichen 24 Festangestellten können nach dem Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld hoffen.
Ist Besserung in Sicht? Branchenauguren rechnen frühestens in der zweiten Hälfte des Jahres 2002 mit einer leichten Erholung. Die Beschäftigten der Medienbranche müssen sich wohl auf einen harten Winter gefasst machen.