Nah an den Geschichten in Israel: Korrespondentin Anne Ponger
Sie ist eine Veteranin unter den Auslandskorrespondenten in Israel. Über 43 Jahre berichtete Anne Ponger für die Neue Züricher Zeitung, die Süddeutsche Zeitung, den SWR und die Wiener Presse. Gerade hat das langjährige ver.di Mitglied ihr persönliches 50 Jahre Deutschland-Israel Jubiläum gefeiert.
Der erste Schritt in Richtung Israel war mit Musik untermalt. „Ich habe Uri am 30. November 1963 bei einer Tanzparty in Wien kennen gelernt“, erinnert sich Anne Ponger. Die schöne blonde Berlinerin studierte für ein Semester an der Wiener Universität Germanistik, Theaterwissenschaften und Dramaturgie, als sie sich in den israelischen Architekturstudenten verliebte. „Uri hat von Anfang an gesagt, dass er eine Frau braucht, die einmal mit ihm nach Israel kommt“, weiß sie noch genau. Sagt es, und lässt den Blick weit über das Geländer ihrer Dachterrasse in Jerusalem schweifen. Man kann praktisch bis Bethlehem blicken. Im Haus genau gegenüber lebte der Vater des Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu. Und an ihrer eigenen Hauswand sind Einschusslöcher aus dem Unabhängigkeitskrieg von 1948. In Israel ist man an Geschichten nah dran, im wahrsten Sinne des Wortes.
Zeit für Geschichten
Als Anne Ponger mit ihrem Mann 1970 mit dem Schiff in Israel ankam und anfing, als Auslandskorrespondentin für die Wiener Presse zu arbeiten, hatte noch jeder Dritte eine KZ Nummer auf dem Unterarm. Der erste Botschafter, ein ehemaliges Mitglied der Wehrmacht, war kurz zuvor mit antideutschen Demonstrationen begrüßt worden. Auf den Straßen stand mit Kreide „Go home“. Persönlich angegriffen gefühlt habe sie sich davon nicht. Sie war vor ihrer Heirat sicherheitshalber zum Judentum übergetreten und hatte Hebräisch gelernt. „Tatsächlich haben mich häufig Leute auf der Straße gefragt, wie viel Uhr es ist, nur um beiläufig herauszufinden, ob ich Jüdin bin.“
Seit dem Sechstagekrieg im Juni 1967 war der Bedarf an Berichten aus Israel extrem hoch. Ponger fing bald an, auch für die Neue Züricher Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und etliche Wochenmagazine zu berichten. In den 1970ern kamen von den rund 50 Korrespondenten in Israel 15 Kollegen aus Deutschland. Man kannte sich gut, arbeitete und feierte gemeinsam. Überhaupt sei Arbeiten so einfach gewesen. „Wir konnten jeden Minister jederzeit anrufen“, erzählt Ponger. Sie erinnert sich gerne daran, wie viel Zeit ihr für Geschichten zur Verfügung stand. Diskussionen mit den Heimatredaktionen um Zeit und Ausgaben gab es nicht. „Das schließt unzählige Flüge in arabische Länder ein.“ Immer mit dabei: Die Reise-Schreibmaschine, auf der Ponger ihre Berichte über den israelisch-ägyptischen Friedensprozess oder die Vorgänge zur israelisch-palästinensischen Aussöhnung in Tunis, Marokko oder Katar tippte. „Ich schätze mich glücklich, den Höhepunkt meiner Karriere in jener zwar zeitraubenden, aber so viel menschlicheren und tiefschürfenderen Epoche erlebt zu haben“, sagt sie.
Im Zeitalter vor E-Mail und Internet mussten die Korrespondenten täglich erst zur Zensurbehörde pilgern, die die Artikel auf Militärgeheimnisse überprüfte, und dann zur Hauptpost, wo das Telex stand. Bei Radiobeiträgen war das Telefon eine Alternative „wenn es schnell gehen musste.“ Wie beispielsweise am 6. Oktober 1973, als der Yom Kippur Krieg um 14 Uhr ausbrach. Anne Ponger war die erste, die live gesendet hat, für den Südwestfunk in Baden-Baden. Bis heute zitieren Freunde ihre Worte „Alle sind im Luftschutzkeller, selbst mein Mann mit unserem kleinen Sohn, nur ich halte hier oben für meine Hörer die Stellung!“ Sie saß am Schreibtisch, während der Luftalarm heulte und im israelischen Radio die Anweisungen durchgegeben wurden: Glühbirnen blau anmalen und Fenster verkleben, damit die Städte nachts nicht von Flugzeugen erkannt werden können.
Es war nicht das einzige Mal, dass die Vollblutjournalistin ihre eigene Sicherheit und Gesundheit hintan gestellt hat. Nach dem Anschlag bei den Olympischen Spielen 1972 in München interviewte die hochschwangere Ponger in Jerusalem eine junge palästinensische Frau, die in Deutschland festgehalten worden war. Gerade, als Ponger anfing zu schreiben, platzte die Fruchtblase. Vier Tage später saß sie wieder vor der Schreibmaschine. „Na, die Geschichte musste doch fertig werden!“
Tribut gefordert
Der Reiz des nahöstlichen Nervenkitzels hat im Laufe der Jahrzehnte allerdings seinen Tribut gefordert. Die Nerven wurden dünner. Wenn Israel jetzt durch Konflikte mit Gaza, Syrien, Libanon oder Iran Waffengänge drohen, geht die mittlerweile 70-Jährige ohne Gewissenbisse mit ihrem Mann Uri, manchmal auch Sohn Amos auf Reisen. „Die Zeiten der Kugelhagel, mit dem Kopf im Sinai-Sand oder zwischen den Fronten in Beirut, sind für mich Geschichte. Ich habe 43 Jahre durchgehalten. Für den Rest des Lebens brauche ich so viel Frieden wie möglich!“
Geblieben ist der Drang, als Mittler zwischen den Kulturen zu agieren. Schreibenderweise jedoch nur noch über Kultur und diverse israelische Filmfestspiele. „Meine zweite Liebe nach dem Journalismus ist der Film und jetzt gönne ich mir, nur noch über friedliche Themen zu berichten.“