Neues Recherchetool für Personen und Geschichten
Seit Oktober ist die „erste Expertendatenbank für vielfältige Berichterstattung“ online. Sie bietet neue Gesichter und andere Perspektiven zu alten Themen. Wer zum Beispiel eine Reportage zum Ärztemangel auf dem Lande machen will, findet hier einen originellen Protagonisten: „Dr. Amin Ballouz ist … einer der wenigen verbleibenden Hausärzte in der Uckermark, die auch Hausbesuche anbieten. Sein Markenzeichen ist sein hellblauer Trabbi mit der Aufschrift ,Arzt im Einsatz’.“ Über 250 Fachleute mit Migrationshintergrund sind im „Vielfaltfinder.de“ registriert und geben Auskunft zu ihrem Spezialgebiet oder Berufsalltag.
Der ExpertInnenstamm wurde in fast zweijähriger Arbeit von den „Neuen deutschen Medienmachern“ aufgebaut, einem Zusammenschluss von Journalisten und Journalistinnen mit Einwanderungsgeschichte, die sich für mehr Vielfalt in den deutschen Medien einsetzen. In der Datenbank „sind eine Menge tolle Leute“, schwärmt Konstantina Vassiliou-Enz, NdM-Geschäftsführerin und Projektleiterin des „Vielfaltfinders“: „Mindestens ein Drittel ist ein Porträt oder eine Reportage wert, zum Beispiel der Burnout-Experte Dr. Adli, der Liason-Arzt von Nicolas Sarkozy war, wenn dieser Deutschland besuchte.“ Oder die asiatisch-deutsche Stadtforscherin Noa Ha, die über „Straßenhandel in Berlin“ promoviert.
Idee und Konzept dieses neuen Rechercheinstrumentes haben die Medienmacher gemeinsam mit der Initiative DeutschPlus und dem Forum der Brückenbauer, einem Leadership-Programm der Bertelsmann-Stiftung, entwickelt. Projektleiterin Vassiliou-Enz erläutert, Vorbild sei die kanadische Expertendatenbank „Voices“, die unterschiedlichste Fachleute in Toronto miteinander vernetzt und an Medien und Veranstalter vermittelt – als Interviewpartner oder Referentin.
Eine Anschubfinanzierung für die „Vielfaltfinder“-Datenbank gab es von der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration. Die Bertelsmann-Stiftung, der Hauptgeldgeber, finanziert auch den Hochsicherheitsserver mit den sensiblen Daten.
Die bundesweit einzigartige Online-Datenbank ist kostenfrei, aber anmeldepflichtig. Das dreiköpfige Berliner „Vielfaltfinder“-Team redigiert die Expertenprofile und überprüft die Identität der NutzerInnen aus Journalismus und Veranstaltungsmanagement, bevor diese frei in der Datenbank recherchieren können. „Wir müssen die registrierten Fachleute schützen und sichergehen, dass sich Rechtsradikale nicht eine Abschussliste zusammenstellen“, erklärt Vassiliou-Enz die Zugangsbarriere. Eine Woche, nachdem der „Vielfaltfinder“ online war, hatten sich bereits über 70 Medienschaffende angemeldet. Sie recherchierten vor allem zum Themenkomplex Migration/Integration, gefolgt von Wirtschaft, Politik, Bildung, Naturwissenschaft und Technik.
Das Interesse ist groß, die zumeist ehrenamtliche Arbeit des „Vielfaltfinder“-Teams wächst. Projektleiterin Konstantina Vassilio-Enz wünscht sich fürs nächste Jahr eine Anschlussfinanzierung, die Personalkosten deckt und eine Interviewschulung für die ExpertInnen nach dem „Voices“-Vorbild ermöglicht.