Interview mit Bernd Neumann (CDU)
Nach fünf Jahren im Schuldienst agiert der ausgebildete Grund- und Hauptschullehrer Bernd Neumann seit 1971 als Berufspolitiker. Seit 1975 gehört der Bremer Bundestagsabgeordnete (seit 1987) dem Bundesvorstand der CDU an, war medienpolitischer Sprecher der Unionsfraktion bis zu seiner Ernennung zum Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Forschung und Technologie 1990, bis 1996 Vorsitzender des Bundesfachausschusses Medienpolitik der CDU, seitdem stellvertretender Vorsitzender. Außerdem gehört Neumann dem Rundfunkrat von Radio Bremen an.
Welche Erfahrungen haben Sie mit den Medien gemacht: Wie können Sie Ihre Politik am besten verkaufen?
NEUMANN: Wenn man länger mit Journalisten zu tun hat, wenn man offen und ohne taktische Winkelzüge Pressearbeit betreibt, wird das in der Regel mit Fairneß und Objektivität honoriert. Es gibt immer Ausnahmen, wobei ich die besseren Erfahrungen mit den schreibenden Journalisten gemacht habe. Wenn jemand etwas aufschreibt, erfordert das wahrscheinlich mehr Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Seriosität, als wenn man in einer Magazinsendung etwas Provozierendes bringt. Häufiger schon mal ärgere ich mich über Unfairneß im audiovisuellen Bereich. Die Privaten sind auf hohe Einschaltquoten angewiesen; das geht häufig auf Kosten der Information.
Charakteristikum der Darstellung von Politik in den Medien ist die Kürze: die berühmten 1:30 oder als Pendant in den Printmedien der „Hintergrund“ in 20 Zeilen. Das führt dazu, daß komplexe Zusammenhänge nicht dargestellt werden können.
NEUMANN: Ich bin dafür, Politik entsprechend dem veränderten Zuschauer- und Leserbewußtsein komprimierter, moderner, ansprechender darzustellen. Doch das darf nicht auf Kosten des Inhalts gehen. Die Entwicklung bei Lokalzeitungen oder überregionalen Zeitungen macht mir weniger Sorgen. Im audiovisuellen Bereich aber, insbesondere im Hörfunk ist es wegen der Quoten und der starken Konkurrenz etwas anders. Da gibt es nicht nur bei den Privaten die Tendenz, daß es auf die Musik und die Musikfarbe ankommt, und das einzige, was dann noch stört, ist die Information. Solche Enwicklungen können zumindest für öffentlich-rechtlicher Programme nicht akzeptiert werden.
Sehen Sie in der Art und Weise, in der elektronische Medien mit Politik umgehen, einen Prozeß der Entpolitisierung?
NEUMANN: Durch die Privaten hat sich das Angebot im Fernsehen drastisch verbreitert. Dieses neue Angebot und die hohen Zuschauerquoten betreffen im wesentlichen Unterhaltungsprogramme, weniger Politik und Information. Die öffentlich-rechtlichen Programme sind inzwischen Programme unter vielen anderen; ihr besonderes Angebot an breiter Information wird von viel weniger Menschen als früher gesehen. Wenn dies dazu führt, daß sie sich unter Vernachlässigung von Information und Kultur den privaten Programmen angleichen, dann machen sie sich selbst überflüssig. Eines steht aber fest: Der „Integrationsanspruch“, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk früher hatte, ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Dazu reichen die Zuschauerquoten nicht mehr aus.
Ein Fortschritt?
NEUMANN: Das ist eine Entwicklung, die man gar nicht verhindern kann. Es wird zunehmend Spartenkanäle geben, so daß die Leute zum Beispiel von morgens bis abends am Spielfilmkanal hängen und nichts anderes mehr einschalten. Man kann nur insofern darauf Einfluß nehmen, als man die Menschen über Schule, Berufsschule und Hochschule zu mehr Medienkompetenz befähigt, wie ich überhaupt finde, daß der Umgang mit Medien neben die bisherigen Grundfertigkeiten Lesen, Rechnen und Schreiben als vierte Grundfähigkeit treten müßte.
Wenn die wesentliche Aufgabe im Umgang mit den neuen Medien bei der Bildungspolitik liegt, welche Aufgaben und Möglichkeiten haben dann noch Medienpolitiker?
NEUMANN: Medienpolitik kann nur bedeuten, über Rahmenbedingungen zu diskutieren und zu entscheiden, die aus strukturellen wie auch gesellschaftspolitischen Gründen für unverzichtbar gehalten werden. Es sind Themen wie Jugendschutz, Werberegelungen, Kartelle, Monopole etc. Es gibt z.B. das Problem zunehmender Zusammenschlüsse von Unternehmen. Einerseits sind diese meistens richtig, um international konkurrieren zu können. Man kann in dieser Branche nicht nur mit kleinen, mittelständigen Betrieben bestehen. Aber auf der anderen Seite müssen wir darauf achten, daß sich keine Monopole gründen, zumindest keine Meinungsmonopole.
Ihre wesentlichen Stichworte – Markt, Wettbewerb, Monopole – betreffen eher die Wirtschaftspolitik. Ist Medienpolitik in einer Medienwirtschaftspolitik aufgegangen?
NEUMANN: Da ist was dran. Leider besteht die Gefahr, daß Medien-politik nur noch als Wirtschaftsfaktor gesehen wird und zu reiner Standortpolitik verkommt. Diese Sichtweise geht über die Parteigrenzen hinaus. Den nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister interessiert nicht mehr, was in den medienpolitischen Leitsätzen der SPD steht. Sondern er ist ausschließlich daran interessiert, etwas für den Medienstandort Nordrhein-Westfalen zu tun. Das ist im Süden Deutschlands mit anderen politischen Vorzeichen genauso. Wenn Sie heute zum Beispiel mit RTL-Chef Thoma und anderen Größen aus der privaten Medienindustrie sprechen, sagen diese: Was heißt kultureller Auftrag? Das ist alles Quark. Medienpolitik ist Wirtschaftspolitik.
Ich gehöre zu denjenigen, die beides für richtig halten: Medien haben eine gesellschaftspolitische Funktion und sind natürlich auch ein entscheidender Wirtschaftsfaktor. Deswegen möchte ich das duale System erhalten, damit es nicht nur brutal um Quoten geht. Medien haben auch einen kulturellen Auftrag. Ich wünschte mir diese Sichtweise auch ein wenig mehr bei den Privaten, obwohl in diesem Sinne hier und dort etwas geschieht, aber man kann es nicht sicherstellen. Bei den Privaten entscheidet der Wettbewerb. Sie müssen ihr Geld verdienen. Das muß ich akzeptieren. Aber der öffentliche-rechtliche Rundfunk hat hier seine eigentliche, unverzichtbare Aufgabe.