Kirch, Bertelsmann & Co

Gedanken über Medien, Politik und das große Geld

Die vorläufige Rettung kam von der Deutschen Bank. Sie bot dem „mit Krediten von mehr als drei Milliarden belasteten Medienunternehmen“ an, in die „Grundfinanzierung“ mit einzusteigen. Wer also geglaubt oder insgeheim gehofft hatte, das Veto aus Brüssel werde dem Medienmogul aus München den entscheidenden Stoß versetzen, sah sich getäuscht.
Das Prüfverfahren der Pay-TV-Allianz von Bertelsmann und Kirch bei den Kartellwächtern in Brüssel (vgl. dazu den Bericht in dieser Ausgabe) war ein Verwirr- und Pokerspiel mit mehreren Akten. Als das – zu Recht – verhängte Verbot durch den obersten Wettbewerbshüter Karel van Miert immer offensichtlicher schien, wude auch die große Politik aktiv. Bundeskanzler Helmut Kohl selbst intervenierte zugunsten des geplanten „BertelKirch-Kartells“. Was in Deutschland vielleicht Wirkung gezeigt hätte, konnte die Vertreter der freien Marktwirtschaft in Brüssel nicht erschüttern. Sie entschieden zugunsten des Wettbewerbs und gegen die Standortpolitiker in der Bundesrepublik Deutschland. Während in Bayern nach Oberlehrerart Noten verteilt wurden, preschte der neue Ministerpräsident in NRW nach vorn. Ihm geht es längst nicht mehr um Medienpolitik. Das belegen nicht zuletzt seine jüngsten Aussagen auf dem Medienforum in Köln und die ressortmäßige Zuordnung für Medienentscheidungen. Medienpolitik wird noch mehr zum Anhängsel der Technologie- und Wirtschaftspolitik werden. Für die Beratungen des jetzt anstehenden 4. Rundfunk- änderungs-Staatsvertrages ist dies eher ein negatives Signal. Regelungen zum Digitalfernsehen werden nicht nach medienpolitischen Gesichtspunkten, sondern nach Marktkriterien und existierenden Machtverhältnissen getroffen werden. An den politischen Statthaltern der beiden großen Medienkonzerne geht kein Weg vorbei.
Das Schwarze-Peter-Spiel nach dem Veto von Brüssel war wohl nur der mißglückte Versuch eines Befreiungsschlages. Wenn im Hause Bertelsmann einige gehofft hatten, das Brüsseler Veto könne Handlungsfreiheit gegenüber dem ungeliebten Konkurrenz-Partner bringen, geben jüngste Entwicklungen ein anderes Signal. Nachdem die Finanzmacht, vermutlich motiviert durch politische Überlegungen und Anstöße, Kirch die rettende Hand gereicht hat, geht dieser wieder in die Offensive.
Bertelsmann ist mit dem Abo-Sender „Premiere“ und wegen der notwendigen Programmressourcen vertraglich an den Filmhändler aus München gebunden. Der strebt jetzt eine 50-Prozent-Beteiligung neben der CLT/ufa an. Widerum ein genehmigungspflichtiges Verfahren. Formal wäre das Berliner Kartellamt zuständig. Dies hat sich in jüngster Vergangenheit mit seiner sachgerechten und konsequenten Haltung in Sachen Zentralvermarktung von Fußballrechten bei den bundesdeutschen Spitzenpolitikern unbeliebt gemacht. Beim Verbot oder Auflagen für die neue 50-Prozent-Liaison bei „Premiere“ stünde neuer Ärger ins Haus. Da aber Brüssel auch in dieser Sache tangiert ist, scheint man geneigt, auch diesen einschlägigen Fall an die Brüsseler Kommission abzutreten. Ob van Miert dann wieder die Rote Karte zückt, bleibt abzuwarten.
Klar ist jedoch bei den bisherigen Verfahren um die Multimediagesetzgebung, das Digital-TV und die Beratung des 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrages eines geworden: Wenn die bundesdeutsche Medienpolitik sich nicht vom Standortdenken löst und in europäischen Maßstäben einer Rundfunk- und Medienordnung denkt, werden Informationsfreiheit, Meinungsvielfalt und das Recht auf umfassende freie Berichterstattung auf der Strecke bleiben.

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

ARD schützt ihre Inhalte vor KI

Die ARD hat ihren Umgang mit Anbietern von KI geändert. Seit Ende Mai dürfen Unternehmen wie etwa Open AI, Perplexity oder Google (Gemini) Inhalte aus den Online-Angeboten der ARD nicht mehr nutzen, um damit ihre KI-Systeme zu trainieren. Das bestätigte der Senderverbund auf Nachfrage. Die ARD hat nun in ihre Webseiten einen sogenannten maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt technisch eingebaut. Damit wird KI-Crawlern signalisiert, dass sie die Inhalte dieser Angebote nicht verwenden dürfen.
mehr »

RTL schluckt Sky Deutschland

Mega-Fusion in der TV- und Streaming-Branche: Mit dem Kauf des Bezahlsenders Sky schickt sich die Bertelsmann-Tochter RTL Deutschland an, den großen US-Plattformen Netflix & Co. Paroli zu bieten.
mehr »

Compact-Urteil: Wehrhaft aber unwillig

Das Verbot des rechtsextremen Compact-Magazins ist vom Tisch. Am Dienstag entschied dies das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Der Chefredakteur des Magazins Jürgen Elsässer feierte die Entscheidung als eine Sternstunde für die Pressefreiheit, verglich den Fall gar mit der Spiegel-Affäre von 1962. Triumphierend erklärte er: „Sie konnten uns nicht verbieten, also können sie auch die AfD nicht verbieten.“
mehr »