Engagierte Medien abseits des Mainstreams sind hochinteressant, aber wenig bekannt. Deshalb stellt M mit dieser Rubrik regelmäßig eines davon vor.
Mit spitzer Feder sticht die Gallionsfigur vom Medien-Schiff in das fragile Schlauchboot, vollbesetzt mit Flüchtlingen, ängstlich auf Rettung harrend. Die Karikatur auf dem Titelblatt von „Abwab“ thematisiert, wie sehr die mediale Berichterstattung Geflüchteten schaden kann – vor allem nach den Silvesterübergriffen in Köln. Die Zeichnung stammt von dem syrischen Karikaturisten Hani Abbas. Er ist einer von etwa 30 Grafikern und Autoren, die Ramy Al-Asheq für die Redaktion seiner Zeitung versammelt hat. Sie soll demnächst nicht nur gedruckt, sondern auch online erscheinen.
Selbst vor dem jordanischen Gefängnis nach Köln geflohen, hatte Ramy Al-Asheq Glück. Eine deutsche Familie nahm ihn auf. Als er sich bedankte, ermunterten sie ihn: „Wir haben Dir doch nur die Tür geöffnet.“ Wohl ein Schicksalsmoment. Mit seiner Zeitung „Abwab“ – auf Arabisch „Türen“ – möchte der 26-Jährige nun selber Zugänge schaffen. „Ich will von der arabischen Seite auf Deutschland schauen. Und ich finde es wichtig, arabischen Leuten zu erklären, was sie tun können, um sich besser zu integrieren“, sagte er. Dazu brauche es den Kontakt zwischen beiden Seiten, die Tür, um Respekt zu fördern.
In der 24-seitigen Zeitung erscheint mindestens eine Seite auf deutsch. Chefredakteur Ramy Al-Asheq hat immer auch zwei Seiten über Frauenrechte im Blatt. Die Rubrik heißt Feminismus. „Alle Frauen sollten eine Mission im Leben haben“, sagt er. Einige könnten sogar Präsident werden. In der Januar-Ausgabe schrieb die syrische Feministin Khawla Dunia über die „orientalische Belästigungskultur“. Ihr Beitrag ist vom Arabischen ins Deutsche übersetzt worden. Die restlichen Artikel sind auf Arabisch, geschrieben von Flüchtlingen für Flüchtlinge. Sie erklären das deutsche Bildungssystem, die Kultur, das Essen und die Geschichte. Und erläutern beispielsweise die Unterschiede zwischen Praktikum, Ausbildung und Studium, diskutieren die Neuveröffentlichung von Hitlers „Mein Kampf“ und geben Tipps, welcher Joghurt sich – wie in der syrischen Küche üblich – auf dem Herd erwärmen lässt.
„Ursprünglich hatte ich eine zweisprachige Website geplant. Die arabische Version wäre von Deutschen geschrieben, die Deutsche von Arabern“, meint der Journalist. Doch gelang es ihm nicht, das dafür nötige Geld aufzutreiben. Beim Zeitungsprojekt lief es anders. Es wird vom Deutschtürken Necati Dutar unterstützt, Geschäftsführer einer Firma für Ethnomarketing. Die arabische Gemeinschaft gehört für ihn zur Zielgruppe. Die Zeitung finanziert sich über Sponsoren. Die Unternehmen Moneygram und Ortel – vor allem Geldtransfer und Mobilfunk profitieren von Flüchtlingsströmen – garantieren Anzeigen und finanzieren so den Druck. Ein Netzwerk an Journalisten gab es schon. Über eine italienische Partneragentur, die erfolgreich Zeitungen für Migrantengruppen betreibt, kamen Ramy Al-Asheq und sein Verleger zueinander. Und so wurde „Abwab“ geboren.
Die erste Auflage mit 45.000 Exemplaren kam vor Weihnachten heraus. Die zweite erschien Ende Januar – und war binnen kürzester Zeit vergriffen. „Wir wollen ‚Abwab‘ jetzt noch breiter streuen“, so Dutar. Denn nachdem die Flüchtlinge ihren Asylantrag gestellt haben, wohnen sie meist irgendwo privat. Es sind daher eher freiwillige Helfer und Organisationen, die anrufen und nach Exemplaren fragen. So wie das Deutsche Rote Kreuz, das die Erstaufnahmeeinrichtungen betreut. Auch Büchereien melden Bedarf an. 50 Exemplare sind das Minimum für eine Abnahme. In den kommenden zwei Monaten soll „Abwarb“ auch online gehen. Anzeigenkunden werden gesucht und Postings geplant. Man ist optimistisch: Der Facebook-Auftritt, den es seit Anfang dieses Jahres gibt, hat immerhin schon 10.000 Fans.