Überlegungen zur Reform der Fachgruppe Journalismus der IG Medien
Auch die Gewerkschaften machen keine Ausnahme. Wie andere Organisationen – Parteien, Vereine, Kirchen oder Sportclubs – machen sie die Erfahrung, daß sich immer weniger Menschen zu einer festen Mitgliedschaft entschließen wollen. Sie entscheiden sich lieber punktuell und selektiv für Angebote. Stärker als früher wird abgewogen, in welchem Verhältnis Kosten und Nutzen stehen. Und daran ist ja noch nichts Falsches.
Der Reformdruck wächst aus einem weiteren Grund. Das wirtschaftliche Umfeld verändert sich rapide. Auch Medienunternehmen überschreiten immer häufiger Branchen- und nationale Grenzen.Als Antwort auf Mitgliederverluste und den Umbruch der Branchenlandschaft haben die Gewerkschaften begonnen, sich zusammenzuschließen. Doch auch dies hat weitreichende Folgen, darunter möglicherweise unerwünschte. Die geplante Fusion zu einer neuen Mega-Gewerkschaft hat bei vielen die Befürchtung geweckt, daß die kleine Fachgruppe Journalismus der IG Medien (die Deutschen Journalistenunion/dju) nicht mehr als eigenständige Organisation wahrgenommen wird und in der Anonymität versinkt. Das muß nicht sein. Doch um dies zu vermeiden, müssen sich Strukturen und Erscheinungsbild erheblich verändern. Dies gilt um so mehr, als Gewerkschaften bei vielen Menschen Assoziationen hervorrufen wie alt, verkrustet, rauchige Nebenräume, endlose Debatten, kurzum: eher abstoßend. Nicht alle diese Vorstellungen sind falsch, auch wenn es immer mehr lokale Gruppierungen gibt, in denen die Mitarbeit Spaß macht. Es ist nur ein geringer Trost festzustellen, daß es anderen Organisationen nicht besser geht
Die Ebenen vernetzen
Einige der Schwierigkeiten, mit denen auch unsere Journalisten-Fachgruppe sich abmüht, haben nichts mit äußeren Faktoren zu tun. Sie sind hausgemacht. Manche Strukturen sind eingerostet. Eine Vernetzung der einzelnen Ebenen innerhalb der dju gibt es in der alltäglichen Arbeit so gut wie gar nicht. Außer bei Landes- und Delegiertentreffen findet kaum ein Austausch statt.
Viele der Aktiven in Orts- oder Bezirksgruppen wissen kaum, was eigentlich auf Landes- oder Bundesebene geschieht. Es ist ebenfalls zu wenig bekannt, welche Personen mit welchen Aufgaben betraut sind. Umgekehrt gibt es auf Landes- und mehr noch auf Bundesebene nur unzureichende Informationen darüber, in welchem Zustand die jeweiligen Orts-, Bezirks- oder Betriebsgruppen sind. Im letzten Jahr hat sich da einiges gebessert, nicht zuletzt weil Franziska Hundseder als neue Bundesvorsitzende zahllose Veranstaltungen quer durch die Republik abgehalten hat – und mit großem Erfolg. Dennoch bleibt viel zu tun.
Noch ist es die Regel, daß die Ehrenamtlichen an der Basis in ihrer Arbeit weitgehend auf sich allein gestellt sind. Kaum jemand weiß, welche Aktivitäten in anderen Städten laufen, welche davon erfolgreich sind und welche eher nicht. Alle erfinden das Rad jeweils neu.
Das bedeutet hohe Redundanz in der Arbeit und unnötige Frusterlebnisse bei den Aktiven. Der zum Teil hohe Aufwand führt oft zu unbefriedigenden Ergebnissen. Die zweifellos vorhandenen Stärken der Fachgruppe Journalismus, vor allem die größere Präsenz an der Basis, werden nicht ausreichend genutzt.
Das Profil schärfen
Um ein eigenständiges Profil zu bewahren – oder richtiger: es zu schärfen – ist es angeraten, mehrere Aspekte zu beachten, die in der Binnen- wie in der Außenwahrnehmung von Bedeutung sind:
Auch gewerkschaftliche Positionen werden über Köpfe vertreten, nicht durch namenlose Gremien.
- Neuen Wind brauchen Orts- und Betriebsgruppen, mit denen die Mitglieder in der Regel den meisten Kontakt haben. Auch wenn die Situation in den Städten und in der Fläche sich unterscheiden mag, und auch die Lage in den alten Ländern grundverschieden von der in den neuen Ländern ist, gilt doch: Der unmittelbare Kontakt ist unverzichtbar.
- Zulauf hat die Fachgruppe zuletzt vor allem durch freie Journalisten erhalten. Das Leistungs- und Service-Angebot für diese so heterogene Gruppe muß noch merklich verbessert werden. Schon jetzt aber gibt es ermutigende Ansätze. Es gab bereits eine Reihe von Fortbildungs- und Qualifizierungsseminaren, und auch das Internet-Angebot, das von mehreren Ortsgruppen zusammengestellt wurde, ist beachtlich.
- Zu überlegen ist für freie Journalisten die Einrichtung von Service-Agenturen, die unter Umständen organisatorisch auch ausgelagert werden könnten. Ähnliche Einrichtungen könnten für Fotografinnen sinnvoll sein, zumal sich bereits andere eigenständige Interessenverbände etabliert haben.
Die Basis stärken
Neu abgestimmt werden müssen die Aufgaben der verschiedenen Ebenen: Bund, Länder, Orts- oder Bezirksgruppen.
Der Berufsvorstand hat sich in der Vergangenheit von der Fülle der Arbeit mehr treiben lassen, als daß er gestaltet hätte. Personelle Querelen haben die Lage auch nicht einfacher gemacht. In Zukunft muß der Vorstand stärker seine Vordenkerrolle wahrnehmen. Dies betrifft politische Schwerpunkte ebenso wie die Weiterentwicklung organisatorischer Strukturen.
Eine der drängendsten Aufgaben wird es sein, die Kampagnenfähigkeit wieder zu verbessern. Dies ist wichtig sowohl für die Darstellung nach außen als auch für die eigenen Mitglieder. Ohne diese Fähigkeit ist eine aktive Teilnahme am politischen Diskurs nicht möglich, sondern nur ein Reagieren. Journalistische Belange, die durch die stärkere Ausrichtung der Medienunternehmen an rein materiellen Gesichtspunkten ohnehin zunehmend beiseite gedrängt werden, drohen gänzlich auf der Strecke zu bleiben.
Wie wichtig eine Stärkung der Kampagnenfähigkeit ist, war zuletzt zu erkennen, als das Gesetz zum Großen Lauschangriff verabschiedet wurde. Auch die IG Medien hätten dieses Thema beinahe verschlafen. Erst im letzten Moment wurden – erstmals seit langer Zeit – die örtlichen Gruppen direkt aufgerufen, Veranstaltungen zu organisieren. Es wurden auch Referenten angeboten. (Ein Verdienst der neuen, damals noch kommissarischen Bundesvorsitzenden Franziska Hundseder.)
Notwendig ist eine Analyse dessen, was an gewerkschaftlicher Arbeit an der Basis läuft – und was nicht. Zusammen mit den Landesverbänden müssen die dortigen Erfahrungen ausgewertet werden. Erfolgreiche Elemente, in der Themenwahl wie in der Präsentation (und es gibt solche!) sollten den Ehrenamtlichen in den Orts- oder Betriebsgruppen an die Hand gegeben werden. Die Fachgruppe gewinnt – oder verliert – ihre Stärke an der Basis. Sie steht und fällt mit der Fähigkeit, Mitglieder zu mobilisieren. Abgesehen davon ersparen sich viele Aktive Enttäuschungen, wenn sie von den Tips anderer profitieren können.
Wohnortnahe Fortbildung
Angesichts der rasanten Entwicklungen des beruflichen Umfeldes erscheint es sinnvoll, ein Angebot von wohnortnahen Fortbildungsveranstaltungen zu entwickeln. Die gilt für fest angestellte wie für freie Journalisten – gerade bei Freien ist die Nachfrage enorm. Damit würde die dju ihr vielleicht größtes Plus, die Existenz aktiver Ortsgruppen, besser nutzen. Die Erfahrung zeigt, daß Bildungsseminare, die eine längere Anreise notwendig machen, immer weniger angenommen werden.
Es ist also viel zu tun. Im Chinesischen gibt es ein Schriftzeichen, das sowohl Krise bedeudet wie auch Chance. Vielleicht sollten wir die Krise der Gewerkschaften so verstehen: als eine Chance, sie wieder spannender zu machen.