Flächentarifverträge für Film- und Fernsehschaffende (FFS) gekündigt – Arbeitszeitkonten bei Produktionen gefordert
Die drei Flächentarifverträge für die Film- und Fernsehschaffenden wurden am 11. Februar dieses Jahr von ver.di gekündigt. Damit folgt die Gewerkschaft dem einstimmigen Beschluss von Tarifausschuss und den Vertretungen der Filmschaffenden- Berufsverbände. „Die Kündigung ist ein überfälliges Signal an die Tarifpartner, die desolaten Arbeitsbedingungen bei Produktionen zu verbessern“, sagt Olaf Hofmann, Filmverantwortlicher bei connexx.av. Außerdem hätten die Tarifparteien so die Chance, auf die veränderten Rahmenbedingungen durch die Reform der Sozialgesetze zu reagieren.
Das veraltete Tarifwerk soll jetzt reformiert und den veränderten Rahmenbedingungen in Film- und Fernsehproduktion angepasst werden. Ende Februar fand zu diesem Zweck das erste Gespräch mit den Vertretern der Produzentenverbände statt. Anlass sind die seit Jahren sich verschlechternden Arbeitsbedingungen mit täglichen Arbeitszeiten von mehr als 16 Stunden. Zudem werden die tariflichen Regelungen immer häufiger unterlaufen, vor allem Vor- und Nachbearbeitungszeiten bei Produktionen werden oft nicht bezahlt. Hinzu kommt die Reform der Arbeits- und Sozialordnung, welche die Filmschaffenden besonders hart trifft. Bisher erhielten Filmschaffende bei 360 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungstagen innerhalb von drei Jahren bis zu sechs Monate Arbeitslosengeld. Diese Rahmenfrist verkürzt sich ab 1. Februar 2006 auf zwei Jahre. Bereits seit 1. Februar dieses Jahres läuft die Zweijahresfrist für Ansprüche auf Arbeitslosengeld ab 2006.
Günstige Arbeitsgrundlage
„Wir werden ein massives Problem in der Filmbranche bekommen, wenn wir jetzt nicht handeln und mit den Produzentenverbänden ein tragfähiges Tarifmodell für die Zukunft entwickeln“, kommentiert Olaf Hofmann von connexx.av die Situation. Denn damit müssen von nun an die Filmschaffenden durchschnittlich jeden zweiten Tag beschäftigt sein, um Arbeitslosengeld beziehen zu können. Dies kann der deregulierte Markt mit immer kürzeren Drehzeiten, Budgetkürzungen und Preisdumping nicht leisten.
Die Neuverhandlungen des Manteltarifvertrages stellen das zweite wichtige Element neben den be-reits laufenden Verhandlungen zur Urhebervergütung dar. Das einvernehmliche Ziel von ver.di und den Produzentenverbänden ist es, einen Gesamttarifvertrag für die auf Produktionsdauer beschäftigten Film- und Fernsehschaffenden abzuschließen. Dieser Tarifvertrag vereint dann die Vergütungsregeln, die Manteltarifbestimmungen, die Filmgagen und Urhebervergütungen, Regelungen zu Vertragsbedingungen, Nutzungsrechte für Urheberleistungen und den Tarifvertrag für Kleindarsteller. „Dieses Regelwerk sichert den Filmschaffenden gerechte und sichere Arbeits- und Leistungsbedingungen und sorgt auf Produzentenseite für eine klare Arbeitsgrundlage sowie für die Gewissheit, mit qualifiziertem Personal in ausreichender Menge rechnen zu können“, ist sich Matthias von Fintel, ver.di-Verhandlungsführer, sicher.
Für die Film- und Fernsehschaffenden hat die Sozialrechtsreform zusätzlich zu einer strukturellen Schwäche in der Arbeitsbeziehung zu den Produktionsfirmen eine dramatische und berufsgefährdende Folgen. Der Gesetzgeber hat die Verantwortung für die Auswirkung seiner Politik in die Hand der Tarifparteien gegeben. Sonderregelungen für die Filmbranche wird der Gesetzgeber erklärtermaßen nicht einrichten. Aus Sicht von ver.di steht die deutsche Filmproduktion am Scheideweg. Gestalten die Tarifparteien mit wesentlichen Änderungen im Tarifvertrag die Zukunft der Filmproduktion mit oder beugen sie sich den Rahmenbedingungen. Dann droht der Verlust von vielen kreativen Fachleuten. Verbleibende Filmschaffende werden in der Folge nur im Nebenberuf im Filmbereich tätig sein. Vermutlich wird es daneben aber auch wenige Spitzenleute geben, die nur mit deutlich höheren Gagen die für die Hauptberuflichkeit notwendige Eigenvorsorge für die zu tragenden Risiken abdecken müssen. „Unsere Vorschläge gehen in eine andere Richtung und sollen dazu beitragen, den qualifizierten Filmschaffenden ihre Berufsausübung zu sichern und den Produktionsfirmen ein umfangreiches Potenzial von Arbeitskräften zu erhalten“, erläutert Matthias von Fintel die Zielsetzung. Im Mittelpunkt dabei steht die tatsächlich geleistete Arbeits-zeit in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten(-tagen).
Lösung in Sicht
Das heißt, es wird eine Entkopplung von Produktionsdauer und Beschäftigungstagen geben. ver.di fordert hier die Einführung eines Arbeitszeitkontos, auf das Mehrarbeit und Zuschläge, sowie Vor- und Nachbereitungszeiten gutgeschrieben werden. Die Vertragszeit der Filmschaffenden muss sich demzufolge um das Arbeitszeitguthaben sowie den darauf bezogenen Urlaubsanspruch verlängern. Aus einer 22 Tage dauernden Produktion können so sieben Wochen Beschäftigungszeit entstehen, bei unterstellten durchschnittlichen 12 Arbeitsstunden pro Tag. Das dürfte bei teilweise 16 Stunden-Tagen nicht so unwahrscheinlich sein und die Filmschaffenden hätten bei vier Produktionen dieser Länge 28 Wochen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungszeit erreicht. Damit würden sie die erforderliche Anwartschaftszeit von 360 Tagen erfüllen, hätten damit während der produktionsfreien Zeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld und wären beruflich abgesichert. Eine Lösung ist in Sicht. Die Frage bleibt, ob die Produzenten mitspielen, denn teurer wird es auf jeden Fall.
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