„Wenn die Qualität des Blattes zumindest gehalten werden soll, dann kann im Redaktionsbereich nicht mehr gespart werden“, sagt Malte Hinz, Betriebsratsvorsitzender im Zeitungsverlag Westfalen (Westfälische Rundschau) und dju-Sprecher in ver.di. In den Redaktionen sei die Personaldecke schon seit Jahren so kurz, dass es für weitere Sparmaßnahmen keinerlei Spielräume mehr gebe. Bezogen auf die redaktionellen Arbeitsabläufe habe der Digital Workflow beispielsweise bei der Westfälischen Rundschau gegenwärtig eher geringe Auswirkungen. „Wichtig ist vor allem, dass die Übertragung weiterer technischer Arbeitsschritte auf die Redaktionen bei uns zu keinerlei Entlassungen führt“, betont Malte Hinz.
In kleinen Schritten hat der Digital Workflow aber auch dort längst Einzug gehalten. Die Redaktionen der WAZ-Mediengruppe erhalten so genannte Teilseiten, in denen der Platz für Anzeigen freigehalten wird. Den Gesamtüberblick hat der zentrale Leitstand. „Das ist das Scharnier zwischen Redaktion und Druckerei“, erklärt Paul Heyenrath vom Berufsfortbildungswerk des DGB (bfw), der zu Fragen des Digital Workflow Betriebsräte deutschlandweit berät. Dass die Redaktionen auch künftig weitestgehend geschont werden, bezweifelt Paul Heyenrath. „Als Folge wird ein verändertes Budget- und Kostenmanagement eingeführt.“ Da die Arbeitsabläufe digital erfasst und gesteuert werden, können anfallende Kosten genau zugeordnet und kostentreibende Bereiche frühzeitig erkannt und optimiert werden. Es sei dann möglich, für die einzelnen Abteilungen und Redaktionen jährlich ein genaues Budget zu bestimmen. „Dafür wird es organisatorische Veränderungen und auch Verantwortlichkeiten geben. Den Redaktionsleitern fällt die Aufgabe zu, das Budget zu überwachen“, sagt Paul Heyenrath. Wird es überschritten, müssen sie gegensteuern. Betriebswirtschaftliche Steuerungsaufgaben, sinken so nach und nach auf die Ebene der Leitungen von Lokalredaktionen. „Dies wird durch Workflow-Systeme maßgeblich unterstützt“, so Paul Heyenrath.
Betriebsräte einbezogen
Die Einführung des Digital Workflow wurde von der Geschäftsleitung in vierzehn Einzelprojekte zerlegt und zieht sich durch alle Bereiche der WAZ-Mediengruppe im Ruhrgebiet. Als Folge werden 300 Beschäftigte der Druckvorstufe vom Digital Workflow betroffen sein. Ihre Arbeitsplätze werden künftig wegfallen. Etwa 200 von ihnen sollen in den Vorruhestand geschickt werden. Die Betriebsräte befürchten für die restlichen 100 betriebsbedingte Kündigungen.
Während andere Verlage häufig die „Salamitaktik“ anwenden, ist die Strategie bei der WAZ-Mediengruppe für die Betriebsräte transparent. Ende vergangenen Jahres wurde das Projekt gestartet, seitdem tagt regelmäßig ein IT-Ausschuss. Fragen und Probleme können die Betriebsräte dort direkt mit den Verantwortlichen erörtern. Konkret umgesetzt werden derzeit die Veränderungen in drei Bereichen: Anzeigenannahme, Sporttabellen und Veranstaltungskalender. Fließtextanzeigen können online direkt aufgegeben werden, für layoutete Anzeigen wird es Musterseiten geben. Ebenfalls online sollen die Veranstalter ihre Termine selbst in eine Maske eingeben. Geplant ist, diesen Veranstaltungskalender überregional für verschiedene Print-Ausgaben und die Online-Seite zu nutzen. Und auch die Vereine sollen ihre Ergebnisse online für die Sporttabellen melden. Die von der WAZ-Geschäftsleitung vorgegebene Zeitschiene ist beim Veranstaltungskalender bereits überschritten worden. Ursprünglich war als Starttermin April geplant, die Einführung verzögert sich jedoch um einige Monate. Und auch die Online-Sporttabelle wird voraussichtlich nicht bis Jahresende in Betrieb sein, auch dort erwartet der Betriebsrat einen späteren Beginn.
Ein weiterer Baustein des Digital Workflow ist bei der WAZ-Gruppe das digitale Fotoarchiv. Das gesamte redaktionelle Bildmaterial soll bis September mit Schlagworten versehen und für vier Redaktionen recherchierbar sein. Diese zeitliche Vorgabe wird aber ebenfalls kaum noch zu halten sein. Die Betriebsräte der WAZ-Ruhrgebietszeitungen gehen davon aus, dass das System zwar verspätet, aber dennoch eingeführt wird. Bis dahin muss geklärt sein, wie die Urheberrechte der Fotografen geschützt werden.
Und spätestens hier hat der Digital Workflow auch für die Redaktionen wieder unmittelbare Folgen. „Der Umgang mit der Digitalkamera ist schon jetzt fester Bestandteil der Volontärsausbildung bei der WAZ-Gruppe“, betont Paul Heyenrath. Als Redakteure sollen sie nicht nur schreiben, sondern zu ihren „Geschichten“ die entsprechenden Bilder mitproduzieren, zur Druckreife bearbeiten und ins System stellen. Per Laptop ist die körperliche Anwesenheit in der Redaktion nicht mehr notwendig. Theoretisch könnte der Digital Workflow in einigen Jahren dazu führen, dass die Verlage nur noch einen Bruchteil ihrer bisherigen Büroräume benötigen. Einige wenige bündeln dann im Haus die einlaufenden Texte und Fotos, während „journalistische Vielzweckwaffen“ direkt von Terminen zuliefern.