30 Jahre Künstlersozialkasse für freie Kultur- und Medienschaffende
Die Künstlersozialkasse, kurz KSK, hilft mir seit über 20 Jahren. Die Information meiner Gewerkschaft (zuerst IG Medien, dann ver.di), dass man sich als Publizist oder Künstlerin dort anmelden und damit die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung quasi halbieren kann, rettete meine Existenz beim spontanen Sprung aus der kurzen Arbeitslosigkeit in die Selbstständigkeit: Ich konnte in meiner gesetzlichen Kasse bleiben, meine beiden Kinder waren mitversichert und die Beiträge blieben auf erträglichem Niveau.
In den folgenden Jahren schwankten meine Einnahmen zwischen „Besserverdienerin“ und „Wohngeldempfängerin“ – Redaktionen wurden eingerichtet und wieder geschlossen, ich nahm ein berufsbegleitendes Studium auf, Auftraggeber kamen und gingen, Themenfelder brachen weg, andere kamen neu hinzu. Meine Beiträge in die Kranken- und Rentenversicherung konnte ich jederzeit nach unten oder oben korrigieren und so die Beitragssätze an meine Einkommensverhältnisse anpassen.
Ich finde es immer noch komisch, dass mich Familienmitglieder oder Freunde mitleidig ansehen, wenn ich die „Künstlersozialkasse“ erwähne – klingt der Name doch wie ein Hilfsverein für Bedürftige. Wenn ich dann aber erkläre, dass die KSK für mich quasi wie ein Arbeitgeber fungiert, der die runde Hälfte meiner Beiträge übernimmt, werden die Augen groß und nicht selten gibt es neidische Bemerkungen von Solo-Selbstständigen, die aufgrund ihres Berufes nicht in die KSK können. Ja – die KSK ist ein Hilfsverein für Bedürftige im besten Sinne, ein Sicherungsanker in sonst so unsicherem Freien-Terrain. Das heißt ja nicht, dass man sein Leben lang schlecht verdienen muss, denn auch die gut verdienenden freiberuflich tätigen Kultur- und Medienschaffenden kommen in den Genuss der halbierten Beiträge.
Gute Ratschläge. Für viele von uns Freien ist die KSK auch mit unserer Gewerkschaft verknüpft. Denn nicht selten kam und kommt die entscheidende Information über einen Hauptamtlichen oder erfahrene Mitglieder. Meist heißt der klare Rat: „Bleib freiwillig in deiner gesetzlichen Kasse und stelle den Antrag an die KSK.“ Und wer den Rat befolgte, blieb damit nicht nur von den vollen Beiträgen verschont, sondern auch von den Lockangeboten der privaten Krankenversicherungen oder konnte problemlos in die gesetzliche Kasse zurück wechseln. Spätestens, wenn die Prämien bei den Privaten mit zunehmendem Alter oder bei chronischen Krankheiten explodieren, sind Nicht-KSK-Berechtigte oft in der Falle: Ich kenne Kolleginnen und Kollegen, die sich als Selbstständige in jungen Jahren privat krankenversichert haben und jetzt – im 50+Alter – ihre Beiträge nicht mehr zahlen können. Das interessiert den Gesetzgeber wenig – nicht einmal Hartz-IV-Empfänger können zurück in die gesetzliche Kasse wechseln, wenn sie über 55 Jahre alt sind.
Am 1. Januar 2013 wird die KSK 30 Jahre alt, ihr Vater ist 86 und heißt Dieter Lattmann. Der Münchner Schriftsteller hatte 1969 gemeinsam mit Heinrich Böll und Günter Grass den Verband Deutscher Schriftsteller (VS) gegründet, wurde 1972 für die SPD in den Bundestag gewählt. Schon im selben Jahr konnte der VS die Bibliothekstantieme durchsetzen. Zehn Jahre später hatte es Lattmann durch seinen unermüdlichen und geschickten politischen Einsatz geschafft, dass die bereits im August 1982 gegründete Künstlersozialkasse auf der Grundlage des neuen Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) mit Beginn des Jahres 1983 ihre Arbeit aufnehmen konnte und seitdem Tausende Kunst- und Medienschaffende sozial absichert. Danke, Dieter!
Hohe Wertschätzung. Nicht nur die derzeit 175.000 Versicherten, auch alle sozialpolitischen Expertinnen und Experten aus Politik und Wissenschaft bringen der KSK eine hohe Wertschätzung entgegen. Dass die Institution in den 30 Jahren ihres Bestehens immer mal wieder umkämpft, aber nie umstritten war, liegt in der Klarheit ihrer Konstruktion: Verwerter von künstlerischen oder publizistischen Leistungen müssen die so genannte Künstlersozialabgabe an die KSK zahlen. Das macht ein Drittel des Finanztopfs der KSK aus, ein weiteres Fünftel kommt vom Bund, die restliche Hälfte zahlen die Versicherten ein. Aus diesem Topf zahlt die KSK die Krankenkassen- und Rentenbeiträge für die bei ihr versicherten Schöpfer/innen von publizistischen und künstlerischen Werken. Die KSK ist also selbst kein Leistungsträger, sondern verwaltet die Beiträge zur Krankenversicherung und der gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung.
Nach vorne schauen, nicht zurück: „Für die derzeit aktuellen Planungen zur Altersvorsorgepflicht aller Selbstständigen sollte sich Bundessozialministerin von der Leyen ein Beispiel an den Rahmenbedingungen der KSK nehmen“, regte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke an. Besonders die Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung ohne Wahlfreiheit sei wichtig, denn „nur so ist es ansatzweise realistisch, ungebrochene Versicherungsbiografien zu ermöglichen, die zu einer armutsfesten Altersversorgung führen können.“
Auch bei der Bemessung von Beitragshöhen kann Ursula von der Leyen bei der KSK abschauen – hier wird das reale Einkommen zur Berechnung herangezogen. Die vom Sozialministerium derzeit angedachten utopisch hohen Pauschalsätze gehen an der Einkommensrealität des Großteils der Freien und Selbstständigen komplett vorbei und die Auftraggeber bleiben komplett außen vor. Gäbe es auch für alle übrigen Solo-Selbstständigen eine Auftraggeberbeteiligung und einkommensadäquate Beiträge, wäre das die Rettung von Tausenden Existenzgründern und Geringverdienern, die oftmals schon jetzt unter der Last ihrer Krankenkassenbeiträge in die Knie gehen.
Wir vergessen viel zu oft, dass wir durch die KSK als Kultur- und Medienschaffende privilegiert sind. Zum 30jährigen deshalb ein Lob der „Erfindung“ KSK und ein Dank an ihre geistigen Väter.