Zweifelhaftes Angebot für Freie

Auf den Spuren des sogenannten „Bundesverbandes Freie Journalisten“

In den vergangenen Wochen haben viele Freie Journalisten Post von einem so genannten „Bundesverband Freie Journalisten (BFJ)“ aus Stuttgart erhalten. Der Autor dieses Rundschreibens verbindet die Werbeversuche für diesen Verband mit scharfen Angriffen auf die bereits bestehenden Journalisten-Organisationen. Mehr noch, in dem mehrseitigen Anschreiben werden potenziellen Beitrittskandidaten zahlreiche Versprechungen gemacht, die nach Recherchen von «M» gar nicht erfüllt werden können.

„Was sind das für Interessenvertreter, die die Interessen derer, die sie vorgeben zu vertreten, überhaupt nicht kennen? (…) Es gab bis heute keine Interessenvertretung für Freie. Nur Freie als Beitragszahler.“ Mit diesen Worten greift der Initiator des BFJ, ein gewisser Dieter Stand, die etablierten Organisationen dju in ver.di und den DJV an. Angeblich will der von ihm ins Leben gerufene neue Verband die Interessen der Freien jetzt besser vertreten. Bei näherem Hinsehen entpuppen sich die mit einem Jahresbeitrag von 120 Euro verknüpften Angebote des BFJ jedoch als äußerst zweifelhaft. So bietet der BFJ eine für Mitglieder kostenfreie Rechtsberatung durch eine Anwaltskanzlei in Stuttgart an. Auf Nachfrage bei dem betreffenden Anwalt hieß es jedoch, ein Dieter Stand sei dort zwar bekannt, habe sich vor einiger Zeit auch mal nach einem entsprechenden Vertrag erkundigt. Ein solcher Vertrag sei aber nie abgeschlossen worden, Herr Stand sei seitdem auch nicht wieder aufgetaucht.

Auch ein vom BFJ angebotenes dreitägiges Schwerpunktseminar für Freie Journalisten entpuppt sich als Alleingang des Dieter Stand. Neben einer ganz allgemein gehaltenen Untergliederung in die Themen Erfolgreiche Selbstständigkeit, Selbstvermarktung und Urheberrecht, beschränkt sich die Tagesordnung tatsächlich allein auf die Punkte Tagungsbeginn, Tagungsgetränke, Kaffeepause, Mittagessen sowie ein „gemeinsames Abendessen“. Telefonisch ist Dieter Stand in seinem Büro schwer zu erreichen. Aber der Anrufbeantworter nimmt zuverlässig Anfragen entgegen. Und Stand rief zurück. Jedoch konnte der Organisator das Seminar-Programm nicht konkretisieren, auch vermochte er keinen Referenten für die verschiedenen Fachgebiete zu benennen. Das Programm werde er hauptsächlich alleine bestreiten, hieß es. Ein Anmeldeformular für die 120 Euro kostende Veranstaltung in Braunschweig scheint es auch nicht zu geben, selbst auf ein nochmals schriftlich bekundetes Interesse am Seminar hin erhält der Nachfragende nur das Programm mit der erwähnten kulinarischen Tagesordnung.

Keine Homepage

Natürlich will der BFJ seinen Mitgliedern auch einen Presseausweis ausstellen? Das übrige Leistungsangebot erscheint als ein willkürliches Sammelsurium allgemein zugänglicher Angebote Dritter. Darunter beispielsweise Hotels mit Journalistenrabatten, eine Versanddruckerei für Visitenkarten oder auch Jobangebote auf der bekannten Internetseite www.jobexpress.de. Die angekündigte eigene Homepage des angeblichen Journalistenverbandes ist nach mehreren Monaten immer noch nicht eingerichtet. Auf einen schriftlich zugesandten Aufnahmeantrag an den BFJ hin, kam innerhalb von drei Wochen keinerlei Mitgliedsbestätigung, aber auch keine Aufforderung, den Mitgliedsbeitrag zu überweisen. Mag sein, dass der neue Verband des Dieter Stand derzeit organisatorisch total überlastet ist, denn angeblich wird demnächst das zehntausendste Mitglied erwartet! Ein Journalistenkollege, dem Dieter Stand persönlich bekannt ist, hat jedoch anderes recherchiert. So finde sich unter der angegebenen Adresse Waldburgstr. 15 in Stuttgart zwar ein Briefkasten, Stand sei für einen Gerichtsvollzieher dort aber nicht erreichbar gewesen, der Mann sei in Stuttgart auch nicht polizeilich gemeldet. Der Kollege habe Dieter Stand als „pittoreske Persönlichkeit“ kennen gelernt, der als „Frühstücksjournalist“ für seine Firma „medipharm“ auf zahlreichen Pressekonferenzen auftauche. Zudem habe sich Stand bei einem Hotelbesuch als ein gewisser Viktor Capellari ausgegeben.

Warnung vor angeblichem Chefredakteur

Und da schließt sich der Kreis zu einer anderen windigen Geschichte: So findet sich auf der Internetseite des DJV eine Warnung vor einem Mann eben diesen Namens, der als angeblicher Chefredakteur eines Redaktionsbüros „Gesundheit & Medizin“ Mitarbeiter suche. Für ein „umfangreiches Infopaket“ sollten Interessenten zunächst jedoch erst einmal 15 Euro zahlen. Das angebliche Redaktionsbüro hatte seine Adresse ebenfalls in der Stuttgarter Waldburgstr. 15, eben dort, wo auch der „Bundesverband Freie Journalisten“ residieren soll. Auch die Telefonnummer soll nach diesem Bericht übereinstimmen – und Viktor Capellari ist der Name eines bekannten ZDF-Krimihelden …

 

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Rechtes Rauschen im Blätterwald

Ob Neuerscheinungen, Zusammenlegungen, Relaunches oder altgediente rechte Verlage: Was die Periodika der Neuen Rechten, ihrer Parteien, Organisationen oder auch einflussreicher kleinerer Kreise anbetrifft, lässt sich gerade angesichts des rechtspopulistischen Aufschwungs der letzten etwa 20 Jahre viel Bewegung ausmachen.
mehr »

VG Wort ändert Verteilungsplan

Die Mitgliederversammlung der VG Wort hat in ihrer Mai-Sitzung eine Reform des METIS-Systems mit der erforderlichen Mehrheit in allen Berufsgruppen beschlossen. Sie führt zu wichtigen Änderungen im Verteilungsplan der VG Wort. Vertreter der dju in ver.di haben das vorliegende Papier in Teilen kritisiert und versucht, es noch mit Änderungsanträgen zu beeinflussen – ohne Erfolg.
mehr »

Rundfunkfinanzierung in der Sackgasse

Bisher war Einstimmigkeit gefordert, wenn es um rundfunkpolitische Fragen ging. Die Ministerpräsident*innen der Länder sollen gemeinsam agieren, zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kein einfaches Unterfangen, wenn es um das Thema Rundfunkfinanzierung geht. Dass diese Praxis nun überarbeitet wird, ist Ausdruck einer Krise – wenn nicht der Demokratie, dann doch zumindest der Rundfunkpolitik der Länder.
mehr »