Well connected auf Auslandsreportagen
„Wo sind die Deutschen?“ Polizisten in Zivil hatten sich an der Rezeption des Hotels in Oaxaca/Mexiko nach uns erkundigt. Und auch auf der Straße folgten sie uns.
Diese schlechte Gesellschaft hatte sich die Delegation der internationalen Solidaritäts- und Hilfsorganisation SI, die ich als Journalist begleitete, durch eine öffentliche Aktion bei einer Mahnwache am Marktplatz der Stadt eingehandelt. Seit nunmehr 16 Monaten hatten Campesino-Frauen dort ihr Lager aufgeschlagen. Auf Decken sitzend, bewaffnet nur mit ihrem Kochgeschirr, ihren Kindern, Transparenten und ihrem Stolz. „Mein Mann wurde vom Militär umgebracht, deshalb sind wir hierher gekommen, um etwas zu unternehmen“, berichtete eine der indigenen Frauen. Zu ihrer Unterstützung sammelten die Aktivisten von Solidarität International Geld und malten ein englischsprachiges Transparent. Die Aktion von Solidarität International hatte die gesamte Lokalpresse aufgescheucht. Und der Staatsapparat reagierte gereizt.
Aus gutem Grund. 101 politische Gefangene und 15 Ermordete beklagten die Frauen aus der Region Loxicha. Ihr Verbrechen: Sie hatten ihr kollektiv bewirtschaftetes Gemeindeland gegen den Landraub durch die Großgrundbesitzer verteidigt, und sich dazu, – nach alter indianischer Tradition – ihre eigenen politischen Vertretungen gewählt. Die Ernesto Zedillo-Regierung antwortete darauf mit blutigem Terror und Verhaftungen. Im Interesse der Multis, die es auf die dortigen Holz- und Kaffeevorkommen abgesehen haben.
Bill Gates „hilft“
In Mexiko ist schon mancher linke Aktivist tot auf der Müllkippe gefunden worden. Jederzeit von Verhaftung und Abschiebung bedroht, galt es schnell mit meiner Redaktion in Deutschland zu kommunizieren. Schnell, preiswert und vor allem anonym, und ohne ein sündhaft teures Iridium-Handy, das mich weltweit via Satellit verbunden hätte. Meine Artikel versandte ich also über das Internet, denn in fast jeder mexikanischen Stadt gibt es, wie in vielen Länden des Südens, Internet-Kioske. Wo sonst junge Mexikaner surfen und sonnenverbrannte US-Touristen ihre Urlaubsmails absetzten, richtete ich, nach längerem Hakenschlagen durch Nebenstraßen der Stadt, eine kostenlose Email-Adresse ein. Unter falschen Namen auf der Homepage www.hotmail.de entstand ein Postfach, unter dem ich auch für Rückfragen überall erreichbar war. Sogar ein digitales Adreßbuch ließ sich hier anlegen, das alle Email-Adressen verwaltet. Ein freundlicher Service der Firma Microsoft.
Solch ein kostenloses Email-Postfach ist in ca. fünf Minuten eingerichtet und freigeschaltet. Ein persönliches Paßwort, das der Anwender selbst festlegt, verhindert unbefugten Zugriff. Egal ob der Rechner in einem Internet-Kiosks, in einer Bibliothek, einem Café, auf dem Flughäfen oder in einer Universitäten steht. Auf die Dienste von Hotmail läßt sich von jedem Computer aus zugreifen, der über eine lokale Verbindung zum World Wide Web verfügt.
Guerilla@hotmail.com
Wer mit Vertretern von Befreiungsbewegung in den abhängigen Ländern kommuniziert, dem werden immer wieder Adressen der Schreibweise Name@hotmail.com aufgefallen sein. Aus gutem Grund, denn der Absender ist nicht rückverfolgbar, was Schutz gegen staatliche Verfolgung bietet. So wird, was als findige Idee für Internet Werbung im Hause Microsoft begann, zu einer Waffe gegen das Establishment.