Dossier über ein Printsegment, das seinen Zenit seit langem überschritten hat
„Allegra“ aus dem Haus Springer kam Ende März zurück. Im April folgte „Zeit für mich“ als weitere neue Frauenzeitschrift, diesmal von der Funke Mediengruppe. 2016 sind bereits 35 neue periodische Publikumszeitschriften erschienen – das Print-Innovationspotenzial scheint noch immer nicht ausgereizt. Ein Blick auf die aktuelle Gesamtzahl der Titel – 1592 – bestätigt das. Dennoch hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vieles verändert. Bereits in den 90er Jahren wurde der Zenit des Auflagenwachstums überschritten. Die Publikumspresse insgesamt ist heute ein gesättigter und rückläufiger Markt. Ursächlich ist aber nicht nur der digitale Wandel.
Anders als noch vor fünfundzwanzig, dreißig Jahren haben sich für die Produktion, Distribution und Konsumtion von Zeitschriften vor allem die Rahmenbedingungen verändert. Und zwar als Dreiklang von Gesellschaftswandel, technologischer Entwicklung und neu hinzu getretenen Konkurrenzmedien.
Gesellschaftlicher Wandel
Dabei hat der Wandel der deutschen Gesellschaft die größten Auswirkungen: Vorbei ist die Orientierung früherer Jahrzehnte auf eine Konsens- und Freizeitgesellschaft, in der ein wachsender Mittelstand auch bei schwächeren Gesellschaftsschichten die Hoffnung mehrte, durch Bildung und Arbeit aufzusteigen. Die vierköpfige Normfamilie mit Normalarbeitsverhältnissen und Normalbiographien ist passé. Heute zerfällt unsere Gesellschaft in etliche Teil- und mitunter Parallelgesellschaften, und prägend sind nicht nur Migrationshintergründe, sondern viel stärker die auseinanderdriftenden Lebenswelten: hinsichtlich Einkommen, Bildung, kultureller Orientierung, Ängsten und Lebenszielen. Damit wird auch der Typus der auflagen- und frequenzstarken „Konsenspresse“ unaufhaltsam obsoleter – was sich heute überwiegend an der Tagespresse und an den mindestens 14-tägig erscheinenden Publikumszeitschriften deutlich zeigt.
Technologische Entwicklung
Die technologische Entwicklung veränderte derweil radikal das Presseverlagswesen und den Journalismus. Was mit „Computer to Plate“ und „elektronischer Redaktion“ harmlos begann, prägt inzwischen den gesamten Produktionsprozess: Hefte sind rasch produziert, Redaktionen entkoppeln sich zunehmend von der einzelnen Zeitschrift, originär recherchierendes und schreibendes Personal scheint mitunter nur noch in Rumpfbesetzung vonnöten. Denn Pressemitteilungen, PR-Material und Fremdbilder sind schließlich digital in Hülle und Fülle verfügbar. Fast jedes Schreibbüro verfügt heute über die Hard- und Software zur Produktion druckreifer Zeitschriftenentwürfe. Noch nie war es so einfach und preiswert, eine Zeitschrift zu gestalten, wenngleich Qualität in Inhalt und Ausstattung auch heute ihren Preis hat.
Veränderte Kommunikationsgewohnheiten
Die Veränderungen im Medien- und Telekommunikationsangebot nahmen Einfluss auf die Kommunikations- und Nutzungsgewohnheiten: Hatte das Privatfernsehen noch begrenztere Auswirkungen, so führte das Internet als Plattform zu deutlichen Verschiebungen. Es wird ganz überwiegend für vielfältige Interaktionen der Individualkommunikation genutzt: Emails, Chatten, Skypen, Shopping. Und zwar zunehmend über Smartphones mobil, zu jeder Zeit und so häufig, dass inzwischen die Augenärzte Alarm schlagen: In Asiens Metropolen hat sich bereits innerhalb weniger Jahre die Quote der Kurzsichtigen von 20 auf 80 Prozent erhöht. Die Aufmerksamkeit breiter Bevölkerungsschichten gilt ihrem Smartphone. Medien werden damit eher zurückhaltend genutzt – in Deutschland entfällt gerade 30 Prozent der Internet-Nutzungszeit auf die Mediennutzung, gelesenen aktuellen Nachrichten gönnt der Deutsche – laut Langzeitstudie Massenkommunikation 2015 – nach eigenen Angaben und durchschnittlich heute täglich 15 Minuten, der gedruckten Tages- und Publikumspresse hingegen 29 Minuten. Diese Werte entsprechen nahezu denjenigen des Jahres 2010: Da waren es 13 und 29 Minuten.
Weniger Interesse an journalistischen Informationsmedien
Immer mehr Menschen wenden sich von den journalistischen Informationsmedien mit ihren gesellschaftspolitischen Inhalten ab. Bei den Printmedien sieht man das deutlich an rückläufigen Auflagen und Reichweitenzahlen, die Nutzungsdaten digitaler informationsorientierter Medien ist nicht in gleicher Weise transparent – wirklich valide Daten zur Nutzungstiefe und zur Nutzungsqualität fehlen, Visits und Page Impressions dominieren die Betrachtung. Mit der Reichweite und Nutzungsintensivität gesellschaftspolitischer Informationen verhält es sich ähnlich wie mit der Wahlbeteiligung: Sie sinkt beständig, besonders bei den Menschen unterhalb der erodierenden Mittelschicht. Regelmäßige Erhebungen zeigen eine weitere beunruhigende Parallele von Politik und Journalismus: Die Imagewerte von Journalisten und Politikern finden sich seit Jahren am unteren Ende der Berufeskala, nur: Inzwischen wird der Glaubwürdigkeitsverlust von Medien und Politik gar durch die Medien selbst dauerthematisiert.
Bei den Publikumszeitschriften besteht derweil zunehmend die Gefahr des Profilverlustes. Besonders größere Verlage installieren Chefredaktionen, die für mehrere Titel verantwortlich zeichnen. Das einzelne Konzept wird dadurch häufig nicht mehr eigenständig weiterentwickelt. Es schrumpft im Reigen der vielfältigen digitalen Verbreitungswege zum bloßen Ausspielkanal „Print“, was fatal sein kann: Denn zumeist ist der Markenkern die gedruckte Zeitschrift – mit ihrer Periodizität, Abgeschlossenheit und Haptik. Sie hält die Leserbindung aufrecht und ist deutlich mehr als ein bloßer analoger Informationsträger. Schwindet der publizistische Ehrgeiz, dann wird damit die Marke auf Dauer geschwächt. Die Folgen sind allgemein sinkende Reichweiten für Angebote unter dieser Marke – eben auch in der digitalen Welt.
Den Werbetreibenden hat das Internet ganz neue Möglichkeiten eröffnet: Die gewünschten Zielgruppen umweglos über eigene Medien zu erreichen und direkt mit ihnen in einen Austausch einzutreten. Die früher in die Presse investierten Werbeetats wandern nicht zu anderen unabhängigen Medien ab, sondern fließen immer stärker in die „Owned Media“ der Unternehmen: den Webauftritt, den Facebook-Auftritt, Newsletter, betreute Foren und auch die eigene Kundenzeitschrift. Ob diese Strategie mittelfristig zielführend ist, wird sich erst noch zeigen.
Alles in allem sind es heute also schwierige Zeiten für die Verlage der Publikumspresse und ihre Beschäftigten.
Daten und Zahlen
Das Sortiment der angebotenen Titel war noch nie so groß wie heute: Würde ein Pressefachgeschäft alle für den deutschen Markt bestimmten Periodika mit mindestens vier Heften jährlich führen, die weder Fach-, noch Kunden-, noch Mitgliedschaftspresse sind, so müsste es in seinen Regalen aktuell 1.592 verschiedene Zeitschriften und Wochenzeitungen unterbringen. Nicht gerechnet die zahlreichen Sonderhefte, Oneshots, RCR-Objekte (Rätsel, Comics, Romane) und Titel aus dem deutschsprachigen Ausland.
Im langjährigen Durchschnitt wächst das Sortiment der deutschen Publikumspresse jedes Jahr um 25 Titel, wobei dabei rund 140 Titel neu auf den Markt treten und 115 Titel eingestellt werden – dies können jüngere aber auch ältere Titel sein. Von diesem Kommen und Gehen bekommt der normale Käufer zumeist kaum etwas mit. Eingestellt werden Hefte sowieso lautlos, mitunter auch schleichend durch Frequenzverringerungen. Und aufmerksamkeitsstarke Neuauftritte im Pressehandel – die können sich die wenigsten Verlage leisten.
Tausende Verkaufsstellen mit breitem Zeitschriftenangebot
Schließlich gilt es, aus knapp 110.800 Presseverkaufsstellen, von denen rund 88.000 auch Zeitschriften führen (EHASTRA 2015), die vielversprechendsten für die jeweilige Zeitschrift herauszufiltern. Daneben verkaufen weitere rund 500 Bahnhofs- und Flughafenbuchhandlungen inzwischen rund jede neunte im Einzelhandel erworbene Zeitschrift. 2009 wurden schon einmal über 123.000 Verkaufsstellen gezählt, nach diesem Gipfel sinkt die Zahl der Pressehändler stetig. Rückläufig ist besonders die Zahl der Pressefachgeschäfte. Seit Discounter Schul- und Schreibbedarf anbieten, der Zigarettenverkauf durch Kampagnen und Steuern sinkt und auch der Zeitschriftenumsatz zurückgeht, haben es diese Anbieter breiter Vollsortimente zunehmend schwerer, rentabel zu bleiben. Insgesamt betrachtet wurden im Jahr 2014 mit Presseerzeugnissen rund 3,32 Mrd. Euro im Einzelhandel umgesetzt, darunter ganz überwiegend Zeitschriften. Das bedeutet für den durchschnittlichen Presseinzelhändler einen Wochenumsatz von 517,94 Euro. Der Umsatz mit der Presse sinkt – und zwar seit 1998. Ohne den Bahnhofsbuchhandel lag damals der Einzelhandelsumsatz des Gesamtjahres bei 4,20 Mrd. Euro. und der Absatz bei 4,21 Millionen Exemplaren. Im Jahr 2014 meldete das Pressegrosso hingegen einen Einzelhandelsumsatz von 2,21 Mrd. Euro und einen Absatz von nur noch 1,99 Millionen Heften – ein Beleg, dass Erhöhungen der Copypreise die Absatzrückgänge ein Stück weit kompensieren können. Im Einzelhandel gibt jeder Einwohner Deutschlands heute jährlich knapp 42 Euro für Presseerzeugnisse aus, das ist ein Viertel weniger als noch vor zwanzig Jahren.
Dabei scheint auch das Abonnement weiterhin ein probates Verkaufsmodell. Zahlen zur Entwicklung der Abonnementsauflagen von Publikumszeitschriften liegen nur für die IVW-kontrollierten Titel vor. Klammert man die nicht zur Publikumspresse zugehörigen Mitgliedschaftstitel aus, liegt der Anteil des Abonnements im Verhältnis zu den anderen Vertriebswegen im Durchschnitt bei 26 Prozent. Dies war 1991 nicht anders. Diese Bindungsbereitschaft nimmt damit also grundsätzlich gesehen nicht ab, auch wenn die Verlage heute deutlich mehr Überzeugungsarbeit leisten müssen, um Neuabonnenten zu gewinnen und Altabonnenten zu halten.
Sinkende Transparenz des Marktes
Nur noch knapp jede dritte Publikumszeitschrift wird von ihrem Verlag der IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung von Werbeträgern e.V) zur Auflagenkontrolle gemeldet. Damit sinkt die Transparenz des Marktes. Offensichtlich ist diese Entwicklung den Mediaagenturen und Werbetreibenden egal. Sie verlassen sich zumeist auf Reichweiten-Daten, obgleich deren Erhebung methodische Fallstricke in sich birgt. Das Korrektiv der IVW-Daten wird offensichtlich nur begrenzt geschätzt. Die „verbreitete Auflage im
Erscheinungsintervall“ der IVW ist für die Kontrolle ein harter Wert. Für eine Gesamtschau der Gattungsentwicklung hat sie ihre Tücken: Unter Publikumszeitschriften werden auch etliche Mitgliederzeitschriften und Gratiszeitschriften gelistet – von den im 4. Quartal 2015 insgesamt 794 bei der IVW gemeldeten Publikumszeitschriften werden nur 519 Objekte als Kaufpresse vertrieben. Bereinigt ergeben sich heute knapp 60 Mio. Verkaufsexemplare im Erscheinungsintervall, das ist ein Drittel weniger als im Rekordjahr 2000: Das erste Quartal 2000 wies 92,3 Mio. Verkaufsexemplare aus. Diese Zeiten sind dauerhaft vorbei. Die verkaufte Durchschnittsauflage von wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Titeln betrug 1990 über 671.000 Hefte, im Jahr 2015 waren es knapp 281.000. Bei den seltener erscheinenden Objekten sanken die Verkaufsauflagen im selben Zeitraum deutlich weniger – von 97.000 auf knapp 72.000 Hefte. Zugleich nehmen die Erscheinungsintervalle der Publikumszeitschriften ab. Dies gilt besonders für neue Objekte: 70 Prozent aller neuen Titel des Jahres 2015 haben ein zweimonatliches oder selteneres Erscheinen.
Auch die Periodizität etablierter Titel ist rückläufig: die Jugendzeitschriften „Mädchen“, „Bravo Girl“ und „Bravo“ erschienen früher doppelt so häufig wie heute. 2016 werden zum Beispiel „Auto Test“, „Impulse“, „Juice“ und „Spex“ seltener erscheinen.
Neue wöchentliche oder vierzehntägliche sind rar – nur Großverlage wagen sich noch an solche Objekte: Zuletzt Gruner + Jahr mit der Frauenzeitschrift „frei!“, Bauer mit „People“ und der nach nur zwei Monaten eingestellten Frauenzeitschrift „make it easy“, DuMont regional mit der Kinderzeitung „Duda“, oder die American Media Inc. mit dem „National Enquirer“. Gruner+Jahr musste in Sachsen das regionale Wochenmagazin „auSZeit“ nach einem Jahr wieder einstellen. Vierzehntäglich gab es 2015 „tv wissen“ aus der Funke-Gruppe neu, der Newcomer „ROTO tv!“ scheiterte nach wenigen Ausgaben. So stellt sich dieses Teilsegment der Wochentitel und Vierzehntäglichen als Spielfeld weniger Großverlage dar: Die Gesamtauflage der rund 105 Titel wird seit Jahrzehnten zu über 80 Prozent durch vier, fünf Verlagskonzerne verkauft: Bauer, Burda, Funke, Springer und Gruner + Jahr.
Daher wählen viele Verlage lieber den Weg des sanften Markteintritts, zweimonatlich oder seltener mit der Option auf eine Frequenzerhöhung im Erfolgsfall. Dieses Segment ist auch deutlich weniger von Konzentration geprägt, die fünf Großverlage kommen gemeinsam nur auf knapp über 40 Prozent der Gesamtauflage.
Tatsächlich weist die Publikumspresse eine erhebliche Verlagsvielfalt auf. Ihre rund 1575 Titel erscheinen in rund 790 Verlagen. Davon gehören 70 Verlage zu acht größeren Verlagsgruppen, neben den fünf Großen sind dies noch Dieter von Holtzbrinck, Klambt und die Media Group Medweth. 38 weitere Verlagshäuser geben fünf und mehr redaktionelle Titel der Publikumspresse heraus. Ein Portfolio von zwei bis vier Zeitschriften weisen 132 Verlage auf. Aber 550 Verlagsunternehmen haben nur eine Zeitschrift im Markt der Publikumspresse. Darunter sind Ein-Mann-Unternehmen, Redaktionsbüros, Werbeagenturen, Fachverlage, Druckereien – eine recht heterogene Schar von selbständigen Verlegern und angestellten Verlagsleitern. Längst nicht immer steht daher die Zeitschrift im Zentrum der wirtschaftlichen Tätigkeit.
Erfolgreiche Konzepte
Wann sind Publikumszeitschriften erfolgreich? Welche Konzepte funktionieren? In der Vielzahl der Themen gibt es kaum Orientierungsmöglichkeiten. Neue Trends, Techniken und Verhaltensweisen bieten Chancen, aber keine Garantien: Vegane Ernährung, Entschleunigung, DIY – do it yourself oder Positives Denken. Bestimmte Objektgruppen sind in ihrer Titelzahl kräftig weiter gewachsen: So Unterhaltung/ Prominenz, Kinder, Leben oder Wohnen/Werken. Andere stagnieren seit Jahren: Wirtschaft, Sport, Politik, Illustrierte, Motor, Musik. Das Segment Computer/Kommunikation schrumpft gar kräftig. Aber auch der Titelzahl nach stagnierende Objektgruppen können eine gute Heimat für neue Sichtweisen werden: Das zeigen die Entwicklung von „11 Freunde“ als Sportzeitschrift oder von „brand eins“ als Wirtschaftsmagazin.
Erfolgreiche Objekte müssen heute die Leser möglichst ganzheitlich und auf Augenhöhe in ihren Lebenswelten ansprechen. Dies führt auch zur Emanzipation der neueren Titel aus der Begrenztheit tradierter Objektgruppen: Frühere Konzepte waren ganz „Autozeitschrift“, „Sportzeitschrift“, „Wohnzeitschrift“, „Technikzeitschrift“ oder „Modezeitschrift“. Heute werden Themensträuße quer zu den etablierten Themengruppen gebunden: Service/Ratgeber, Promi-News und Community-Stories ergeben bei Bauer Medien die Frauenzeitschrift der Generation 50plus „Meins“. Wohnen, Mode und Beauty führen zum Erfolg von Gruner + Jahrs „Couch“ bei Frauen zwischen 20 und 34 Jahren. „Land und Berge“ von Sammet Media spricht mit Wanderzielen, Portraits, Wissen und Rezepten ein spezielles Lebensgefühl an. Auch „Beef“, wiederum von Gruner + Jahr, ist keine bloße Esszeitschrift, sondern ein Heft „für Männer mit Geschmack“.
Solchen lebensweltlichen Portfolio-Konzepten gehört wohl die Zukunft der Publikumspresse – zumindest, soweit von journalistisch geprägten Objekten die Rede ist. Diese Titel dürfen dann auch gerne deutlich höherpreisig sein und auch eine zweimonatliche Periodizität gilt ihren Zielgruppen in der Regel als ausreichend. Der zwischenzeitliche Kontakt zur Zielgruppe kann dann virtuell über die Website, über Newsletter und über den facebook-Auftritt gehalten werden, sicherlich sind auch Events ein Weg, die Leser-Blatt-Bindung auf- und auszubauen. Die Hürden zum Erfolg sind insgesamt hoch: Keine noch so gute Idee und ihre noch so gelungene Umsetzung ist hinreichend, ohne dass ein professionelles Marketing und ein professioneller Vertrieb das Heft den Lesern und Anzeigenkunden nahebringt. An diesen Notwendigkeiten scheitern auch innovative Konzepte von Erstverlegern regelmäßig, und deshalb lehnen sich dann auch Herausgeber mit Anfangserfolgen gerne an etablierte Verlage an.
Den Tod der Publikumspresse beschwören heute nicht einmal mehr reine Online-Ideologen. Denn es hat sich gezeigt: Ein Print-Titel, der nicht läuft, hat online only erst recht keine ökonomische Zukunft. Hingegen häufen sich die Fälle des Web-to-Print. Und das nicht nur aus Marketinggründen, wie die Oneshots von Xing/Burda „spielraum“, Funkes „lifeline“. Sondern, weil Print durch seine Haptik auch heute noch für Herausgeber, Macher und Leser ein attraktives mobiles Medium ist. Hierfür sprechen Gründungen wie „Chefkoch“ von Gruner + Jahr, das „SNM Spur Null Magazin“ für Modellbauer, „Handmade Kultur“ für Selbermacher oder „FOGS“ für den grünen, städtischen Lifestyle.
Klar ist: Ein erfolgreicher Titel muss nicht nur in jedem Heft etwas Neues, Überraschendes für seine Leser bringen. Er muss auch auf allen Kanälen den Kontakt zu seinem Publikum pflegen – im Virtuellen und im Realen. Das Erfolgsrezept neuer und redaktionell engagierter Konzepte kann in einem Satz bilanziert werden: Eine Zeitschrift darf ihren Leserinnen und Lesern nie hinterherlaufen, sie muss ihnen immer vorangehen.
Der Autor Andreas Vogel ist Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts für Presseforschung und Medienberatung WIP in Köln und Professor am Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Bamberg