Neueinstellungen ohne Rücksicht auf Verträge
Die Echo Zeitungen GmbH des Medienhauses Südhessen will 400 Redakteure, Redakteurinnen und Verlagsangestellte in den tariflosen Zustand überführen. Die wollen sich das aber nicht bieten lassen. Der ver.di-Fachbereich Medien in Hessen prüft alle Möglichkeiten – auch einen Arbeitskampf.
„Die Empörung der rund 400 Kolleginnen und Kollegen im Darmstädter Echo ist groß“, berichtet der Leiter des ver.di-Fachbereichs Medien in Hessen, Manfred Moos. Die bisher 100 Redakteure und 300 Verlagsangestellte sollen ab kommendem Jahr in Tochtergesellschaften überführt werden, die im tariflosen Zustand sind. Nur die bereits lange im Betrieb Beschäftigten sollen individuell ihre angestammten Rechte weiterhin vertraglich zugesichert bekommen. Neu einstellen will der Echo-Verleger Hans-Peter Bach, Chef der Echo Zeitungen Gmbh des Medienhauses Südhessen, der auch gleichzeitig Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt ist, künftig dann ohne Rücksicht auf Tarifverträge.
Wie sich das gestalten kann, bekommen derzeit bereits fünf junge Redakteure zu spüren. Sie erstellen seit dem 1. Juli 2009 in der „Echo Redaktionsservice GmbH“ (ERS) hauptsächlich für die Frankfurter Rundschau Lokalteile für Groß-Gerau und Darmstadt. ERS gehört zum Medienhaus Südhessen, genau wie auch der Rundschau-Wettbewerber Darmstädter Echo. Die Redakteure seien bei ERS 40 Wochenstunden statt der tariflich vereinbarten 36,5 tätig, erhielten jedoch nur das für die reduzierte Zeit festgelegte Einstiegsgehalt, das im ersten Berufsjahr 3.032 Euro brutto beträgt – ohne Perspektive auf künftige Erhöhung. Teilweise arbeiteten sie nur Teilzeit- oder mit befristetem Vertrag. Weitere Nachteile: Die für Zeitungsverlage tariflich allgemein verbindlich vereinbarte betriebliche Absicherung für das Alter durch das Presseversorgungswerk von fünf Prozent des Bruttomonatseinkommens werde für die Mitarbeiter der ERS seitens des Arbeitgebers nicht beigesteuert. Das berichtet ein Mitarbeiter des Darmstädter Echos. Denn kürzlich erst habe es bei einer Mitarbeiterversammlung mit der Geschäftsführung Streit gegeben, weil der Betriebsrat die Öffentlichkeit informiert habe.
Redakteure kritisieren vor allem die Entwertung ihres Berufs aufgrund der beabsichtigten Verschlechterung von Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Von Redakteuren werde umfassende Vorbildung verlangt: Ein Studium sowie ein zwei-jähriges Volontariat; obendrein müssten unbezahlte Praktika absolviert werden. Wenn Redakteure schließlich mit 30 Jahren ins Berufsleben einsteigen könnten, hätten andere bereits zehn Jahre Arbeitsleben hinter sich.
Hintergrund der angedrohten Verschlechterungen sei eine im Darmstädter Echo seit Jahresbeginn 2012 angelaufene Umstrukturierung zum „prozessgesteuertem Unternehmen“. Es wurde begonnen, Arbeitsabläufe zu optimieren, um Kosten zu sparen. Dazu kommt die Tarifflucht. Wie wichtig die Tarifbindung den Mitarbeitern ist, musste die Geschäftsführung jetzt zur Kenntnis nehmen: Die bereits streikerfahrene Redaktion des Darmstädter Echos gab zu verstehen, dass sie es nicht hinnehmen, dass es künftig Arbeitnehmer zweiter Klasse im Blatt gebe!
Auch die Freien haben beim „Echo“ nichts zu lachen: Deren Honorar liegt deutlich unter den als angemessen geltenden Sätzen der gemeinsamen Vergütungsregeln, zum Beispiel um die 20 Cent statt 54 Cent pro Zeile in der lokalen Berichterstattung, so Manfred Moos. Bei ver.di Hessen sieht man die Situation so: „Wir prüfen alle Möglichkeiten bis hin zum Arbeitskampf“. Das Darmstädter Echo erreichte laut IVW 2/2012 eine verkaufte Auflage in Höhe von rund 49.000 Exemplaren; die aller Echo-Zeitungen des Medienhauses Südhessen in der Region liegt bei rund 83.000 Exemplaren.