Mehr als das individuelle Porträt eines Hochstaplers
Seine Interviews waren heiß begehrt. Ob Sharon Stone, Kim Basinger, Sean Penn oder Quen Tarantino: Tom Kummer suggerierte, dass er scheinbar exklusiv und mühelos an alle Hollywoodstars herankam, sogar an so schwierige Exemplare, von denen sich andere Journalisten nur Absagen einhandelten. Er gewann sogar das Vertrauen der Prominenten, entlockte ihnen fesselnde, intime Bekenntnisse, die Zeitungsverlage und Leser gleichermaßen begeistert aufnahmen, – die Konkurrenz erblasste vor Neid. Die Sache hatte nur einen Haken: Die Interviews waren frei erfunden.
Vier Jahre lang belieferte Kummer Redaktionen großer, seriöser Tageszeitungen in Deutschland und der Schweiz, bis der Betrug 1999 aufflog. Seither ist er in der Medienbranche erledigt, arbeitet heute als Tennislehrer in Los Angeles.
Der ungarische Regisseur Miklós Gimos, damals als stellvertretender Chefredakteur des Züricher Tagesanzeigers einer von Kummers Auftraggebern, ließ sich von persönlicher Neugier inspirieren. Er wollte wissen, warum der größte Schwindler der Mediengeschichte bis heute keine Reue zeigt.
Doch ist ihm ein weit bedeutenderer Film geglückt als lediglich das individuelle Porträt eines Hochstaplers. Ohne dass es ihm vielleicht bewusst ist, legt er unterschwellig den Finger in die Wunden einer ganzen Branche.
Zweifellos wurde der Skandal nur möglich, weil letztlich alle daran mitstrickten: karrierebesessene Redakteure, Filmverleihe, die von der best denkbaren PR profitierten, nicht zuletzt die Leser, die mit ihrer großen Nachfrage die Auflagen steigerten.
Allein die Tatsache, dass nur wenige Redakteure, die sich von Kummer an der Nase herumführen ließen, an diesem Film mitwirken wollten, spricht Bände. – Zumal der Filou im Laufe der Jahre immer kecker wurde, seinen Stars zunehmend unglaubwürdigere, kuriosere Ansichten in den Mund legte. In seinem vielleicht aberwitzigsten Text behauptete der Boxer Mark Tyson, er habe hohe Literatur von Hemingway gelesen und im Gefängnis proteinhaltige Kakerlaken gegessen. Mussten nicht auch die Blattmacher über solchen Unsinn stolpern?
Immerhin eine souveräne Redakteurin gibt offen zu, dass sie sich immer für eine „gute Geschichte“ eingesetzt hat, auch wenn sie Statements enthielt, die sie stutzig machten.
Kummer wiederum hatte durchaus nachvollziehbare Gründe, die verbreitete Interviewpraxis abzulehnen. Massenabfertigungen von Gruppen bis zu acht Leuten im Viertelstundentakt sind Gift für eine gute Geschichte. Erst recht, wenn diese dann noch autorisiert oder „frisiert“ werden muss.
Es ist das große Verdienst von Miklós Gimes, alle diese Übel zu streifen. „Bad Boy Kummer“ ist ein wichtiger, unbequemer Film, der ziemlich beunruhigend die Machenschaften des Promi-Journalismus enthüllt.
Bad Boy Kummer, CH/D 2010. R: Miklós Gimes.