Kein Ende abzusehen

MDR: Erst Betrug beim Kika, nun Ärger mit dem Unterhaltungschef

Der MDR kommt einfach nicht zur Ruhe. Kaum war der Prozess gegen den früheren Herstellungsleiter des Kinderkanals beendet, geriet der mitteldeutsche Sender erneut in die Schlagzeilen. Diesmal betrafen sie den Unterhaltungschef: Udo Foht soll Aufträge an Produktionsfirmen vergeben haben, ohne den MDR darüber zu informieren. Außerdem soll er Geschäftspapier des Senders und damit seine Position für private Zwecke missbraucht haben.

Die Erkenntnisse sind gewissermaßen ein Abfallprodukt der gründlichen Durchleuchtung des MDR nach der Kika-Affäre. Im Gegensatz zu den Betrügereien beim Kinderkanal ist der neue Fall allerdings noch völlig undurchsichtig, zumal erst weitere Ermittlungen Aufschluss darüber geben werden, ob sich Foht, MDR-Angestellter seit 1992, tatsächlich auch privat bereichert hat. Zunächst sah es so aus, als habe der Ende Juli suspendierte Unterhaltungschef äußerst unübliche Wege zur Vorfinanzierung von MDR-Sendungen gefunden. Mittlerweile ist die Rede davon, er habe eine sechsstellige Summe kassiert. Offenbar hat Foht auf Briefpapier des Mitteldeutschen Rundfunks Bittbriefe an verschiedene Personen geschickt. Sie sollten Geldbeträge an bestimmte Firmen überweisen, darunter laut der Zeitung Die Welt auch ein Berliner Unternehmen mit dem Namen Just for Fun. Unter den angeschriebenen Personen waren der Burda-Manager Philipp Welte und der Musikproduzent Hans R. Beierlein. Welte erklärte der Welt, er habe seinem Freund rein privat mit 30.000 Euro unter die Arme gegriffen. Tatsächlich hatte Foht anscheinend finanzielle Probleme: Sein Gehaltskonto, heißt es in Medienberichten, sei gepfändet worden, er soll bei den Banken als nicht kreditwürdig gelten.
Allerdings ging Weltes Zahlung nicht an Foht direkt, sondern auf das Firmenkonto von Just for Fun. Gegenüber dem Sender soll Foht die 30.000 Euro als Produktionskostenvorschuss deklariert haben. Das Geld ist angeblich in die Produktion der MDR-Reihe „Wir sind überall“ geflossen. In den entsprechenden Reportagen besucht Carsten Weidling in aller Welt Auswanderer aus Mitteldeutschland. Die Beziehungen Weidlings und Fohts zu Just for Fun sind völlig offen. Die Produktion der Auswandererfilme wurde von dem Leipziger Unternehmen Neoproductions durchgeführt.

Unübersichtliche Kosten

Die stille Teilhaberschaft Beierleins lässt sich dagegen zuordnen: Sie galt einer Musiksendung mit dem Arbeitstitel „Schlag auf Schlager“. Deren Herstellung, über die der Sender anscheinend nicht informiert war, oblag zunächst dem Leipziger Unternehmen Classic Art, dem der Auftrag dann offenbar durch Foht entzogen wurde. Die Lizenz ging daraufhin an die ebenfalls in Leipzig ansässige Agentur Compact Systems. Diesem Unternehmen hat der MDR tatsächlich im Frühjahr 2009 für eine Show 180.000 Euro bezahlt, die unter dem Titel „Schlager einer Medienstadt“ ausgestrahlt worden ist. Der ursprünglichen Produktionsfirma seien aber Kosten in Höhe von 350.000 Euro entstanden. Die Differenz und noch ein wenig mehr sollte offenbar Beierlein übernehmen, den Foht laut Welt gebeten habe, ebenfalls 180.000 Euro an Compact Systems zu überweisen.
Im Raum steht zudem die Schadenersatzforderung der Schweizer Produktionsfirma Gillming & Co. Foht soll bei dem Unternehmen laut Spiegel eine allerdings nie produzierte Talkshow mit dem Titel „Generationen-Dialog“ in Auftrag gegeben haben. Die Forderung der Firma soll bei einer Million Euro liegen. Beim MDR heißt es hingegen, die Summe sei wesentlich kleiner. Trotzdem hat der Sender seinen umgehend suspendierten Unterhaltungschef wegen Betrugs beziehungsweise Untreue angezeigt. Es dürfte allerdings Winter werden, bis die Revision des Senders die komplizierte Buchhaltung seiner Abteilung durchforstet hat.
Auch im Fall des offenbar spielsüchtigen Kika-Managers Marco K. kommen dank der internen Untersuchung immer wieder neue Details ans Licht. K. hat mit Hilfe von Komplizen bei verschiedenen Produktionsfirmen im Verlauf von zehn Jahren 8,2 Millionen Euro unterschlagen. Das Landgericht Erfurt hat ihn Anfang Juli wegen Bestechlichkeit und Untreue in 48 Fällen zu über fünf Jahren Gefängnis verurteilt (M 6–7/2011). Das Gericht blieb damit unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe von gut sechseinhalb Jahren gefordert hatte. Die Verteidigung des früheren Herstellungsleiters hat dennoch Revision eingelegt. Nun muss der Bundesgerichtshof in Karlsruhe prüfen, ob dem Landgericht Rechts- oder Verfahrensfehler unterlaufen sind.
Die Angelegenheit wäre für den MDR, der federführend für den Kinderkanal von ARD und ZDF zuständig ist, auch ohne die Revision noch nicht zu Ende gewesen, weil man im Verlauf der Recherche im eigenen Haus auf weitere kriminelle Handlungen gestoßen ist. Der Sender hat daraufhin umgehend die Zusammenarbeit mit einem freien Mitarbeiter beendet, ein anderer ist offenbar ebenfalls ins Visier der Ermittler geraten. Die Staatsanwaltschaft hat zudem ein zweites Ermittlungsverfahren gegen Marco K. eröffnet. Insgesamt werde gegen sechs Kika-Mitarbeiter sowie die Geschäftsführer von sieben Produktionsfirmen ermittelt. Der MDR hat angekündigt, die Zusammenarbeit mit diesen Firmen spätestens bis Dezember zu beenden. Ende des Jahres wird Gründungsintendant Udo Reiter verabschiedet. Drei Kandidaten für die Nachfolge stehen fest: Bernd Hilder, Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, Karola Wille, Juristische Direktorin des Senders und Helfried Spitra, seit 2001 beim WDR, zuvor beim MDR. Sie werden sich am 5. September mit ihren Konzepten beim Sender vorstellen. Zuvor (nach Redaktionsschluss) erwarten die MDR-Mitarbeiter in einer Versammlung am 31. August endlich Antworten vom amtierenden Intendanten zu den Vorkommnissen um Foht. Zusätzlich hat der Rundfunkrat eine Sitzung anberaumt.

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