Castor-Journalisten

Auch in diesem Jahr kam es während des Castor-Transportes wieder zu unakzeptablen Eskalationen, die der Aufklärung bedürfen. Die dju klagt, dass ein Fotograf von Beamten gezwungen wurde, Porträt-Bilder von Polizisten zu löschen, die während eines Einsatzes gemacht wurden.

Ein anderer Kollege soll von der Polizei mit dem Schlagstock malträtiert worden sein, obwohl dieser als Journalist klar erkennbar war. Das Medien-Magazin Zapp dokumentierte, wie einem Fotografen Pfefferspray ins Gesicht gesprüht wurde. Aber auch die Polizeipressestelle klagt, dass sich ein Journalist bei einer Gleisblockade beteiligte und so seine journalistische Berichtsposition verlassen haben soll. Ihm wurde seine Akkreditierung aberkannt.
Ärgerlich auch, dass die Polizei immer wieder behauptet, Presseausweise seien von jedem käuflich zu erwerben und somit sei für die Beamten nicht unbedingt klar, ob nun ein Journalist ein Journalist sei. Allerdings nur weniger als einem halben Dutzend Antragstellern wurde die Polizei-Akkreditierung verweigert. Im Übrigen hätte man auch ohne dieses laminierte Dokument berichten können, heißt es bei der Polizei vor Ort. Dumm nur, dass man ohne diese polizeiamtliche Beglaubigung der journalistischen Profession noch schwieriger durch die ständigen Polizeikontrollen kam.
Am Ende muss man aber insgesamt eine positive Bilanz des diesjährigen Castor-Transports ziehen. Gut 700 bei der Polizei akkreditierte Journalisten trafen auf 20.000 Beamte in Uniform und Kampfmontur und auf mindestens ebenso viele Demonstranten in einer Dauerstress-Situation, ohne in ihrer Berichterstattung grundsätzlich behindert worden zu sein. Der Gorleben-Protest in diesem Jahr war vor allem ein Beispiel für gelungenen Bürger-Journalismus. Das mobile Castor-TV lieferte live-Bilder direkt von der Strecke, der Castor-Ticker meldete Neuigkeiten im Minutentakt, Castor-radiofreieswendland sendete auf unterschiedlichen UKW-Frequenzen. Bis zu 60 Journalistik- und Fotografiestundentinnnen und -studenten berichteten gleichzeitig aus einer Scheune bei Dannenberg. Mit Unterstützung der dju-Hochschulgruppe Hannover und der Jungen Presse Niedersachsen waren sie „the gorleben project“, Jungjournalisten gaben jeden Tag ein E-Paper nebst 8-seitiger Gorleben-Zeitung heraus, die reißenden Absatz fand. Nach dem Castor ist vor dem Castor. Der nächste Atommüll-Transport kommt bestimmt. Fragen wie die Endlagersuche oder die erhöhten Strahlenwerte im Zwischenlager sind längst noch nicht beantwortet. Wollen wir hoffen, dass Gorleben auch in der Zwischenzeit Berichtsthema für die Bürger-, Nachwuchs- und Profijournalisten bleibt.

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