RTL schluckt Sky Deutschland

Portrait von Günter Herkel

Günter Herkel lebt in Berlin und arbeitet als freier Medienjournalist für Branchenmagazine in Print und Rundfunk.
Foto: Jan-Timo Schaube

Meinung

Mega-Fusion in der TV- und Streaming-Branche: Mit dem Kauf des Bezahlsenders Sky schickt sich die Bertelsmann-Tochter RTL Deutschland an, den großen US-Plattformen Netflix & Co. Paroli zu bieten.

Ein „Meilenstein“, bejubelt Thomas Rabe, Chef von Bertelsmann und der RTL-Group in Personalunion. Nach dem spektakulären Deal sieht er sein Unternehmen als „klaren nationalen ´Medienchampion“ in Deutschland gestärkt. Doch seine Ambitionen machen hier längst nicht halt. Mit diesem Coup habe man beste Voraussetzungen, „um im Wettbewerb mit den US-Plattformen zu bestehen“.

Tatsächlich läuft die Fusion auf die seit Jahren größte Neuordnung in der Fernsehlandschaft hinaus. Mit der Übernahme des Sportsenders Sky käme RTL in Deutschland, Österreich und der Schweiz in der Summe auf rund 11,5 Millionen Kunden. Damit wäre das neue Unternehmen nach Netflix (16 Mio.) und Amazon Prime Video (13 Mio.) die Nummer drei am Markt, noch vor dem Streaming-Dienst Disney+ mit rund sieben Millionen Zuschauern.

In der Vergangenheit war RTL mit ähnlichen Vorhaben auf die Nase gefallen. Fusionsvorhaben mit lokalen Senderketten in Frankreich und den Niederlanden scheiterten jeweils am Einspruch der Kartellbehörden.

Auch der aktuelle Deal bedarf einer Zustimmung der Wettbewerbsbehörden. Zuständig ist aufgrund des transnationalen Charakters die Europäische Kommission. Doch diesmal stehen die Chancen nach Meinung von Branchenexperten wesentlich besser. Denn Streaming-Anbieter und klassische TV-Sender sind sich in den vergangenen Jahren deutlich ähnlicher geworden. Auch Netflix und Amazon Prime haben Werbung eingeführt. Youtube ist längst ein ernsthafter Wettbewerber auf der TV-Screen.

Die Folge: Das klassische TV hat im globalen Werbemarkt gegenüber den Streaming-Anbietern längst das Nachsehen – Hauptprofiteure sind derzeit die Marktführer Netflix, Amazon und Disney. Will Europa angesichts dieser Konkurrenz auch künftig noch lokale Streaming-Anbieter haben, führt kein Weg an einer Genehmigung des Deals vorbei. Genauso sieht es auch Deutschlands Medienstaatsminister Wolfgang Weimer. Hierzulande brauche es deutsche Medienkonzerne, „die ein Gegengewicht zu den dominierenden amerikanischen Plattformen werden könnten“, fordert er.

Die Fusion bringt zwei ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle zusammen. RTL mit seiner Kernkompetenz Unterhaltungs-TV finanziert sich überwiegend aus Werbung. Sky rekrutiert seine Einnahmen hauptsächlich aus dem Abo-Verkauf. Sky hat sich in jüngster Zeit harter Konkurrenz zu erwehren. Zwar überträgt der Sender weiterhin die meisten Spiele der Fußball-Bundesliga. Dagegen hat er einen Teil der Liga  und die Partien der Champions League an die Wettbewerber DAZN und Amazon verloren. Auch die populäre Bundesliga-Konferenz läuft bei DAZN.

Die Fusion war ein Deal mit Ansage: Bereits seit zwei Jahren existiert eine „Content-Partnerschaft“ zwischen RTL und Sky bei der Formel 1. Auch bekam RTL von Sky Übertragungsrechte für die englische Premier League sowie für Konferenzen der 2. Bundesliga.

Gemeinsam mache man sich unabhängiger vom derzeit eher schwierigen Werbemarkt. Für Stefan Schmitter, Geschäftsführer von RTL-Deutschland, passen die Zielgruppen beider Partner „super“ zusammen. RTL sei stärker weiblich und jünger, Sky eher männlich und älter. Ob dies auf das „Perfect Match“ hinausläuft, wie von ihm erhofft, wird man sehen.

Nebeneffekt der Fusion: Im Falle einer Genehmigung durch die Kartellbehörden würde die RTL-Mutter Bertelsmann wieder rund 70 Prozent ihres Umsatzes mit Medien erzielen. Zum Konzern gehören auch der Buchverlag Penguin Random House, die Musiksparte BMG sowie der Dienstleister Arvato. Gruner + Jahr, lange ein prestigeträchtiges Kernstück des Konzerns, wurde vor drei Jahren größtenteils abgewickelt- Nur die Titel Stern, Geo und Capital sowie einige Ableger verblieben als Teil von RTL Deutschland beim Unternehmen. Mehr als 700 Beschäftigte verloren bei diesem Kahlschlag ihren Arbeitsplatz.  Für ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz spiegelte sich seinerzeit in der Entscheidung des Bertelsmann-Konzerns die „Unfähigkeit, ein profitables und europaweit beachtetes Zeitschriftenhaus in die digitale Transformation zu führen“. Mit der „fehlgeleiteten Strategie aus Gütersloh“ sei am Medienstandort Hamburg und in der deutschen Presselandschaft „ein großes Stück Vielfalt“ eliminiert worden.

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