Wie die Journalistin Andrea Röpke rechte Strukturen aufdeckt
Hier muss es sein. Ein unscheinbares Haus auf dem Lande bei Bremen. Kein Klingelschild, kein Name am Briefkasten, drinnen bellen Hunde: kleine Vorkehrungen gegen ungebetenen Besuch. Andrea Röpke (46) hat gute Gründe, auf der Hut zu sein: Die freie Fachjournalistin gehört zu den wenigen, die sich auf Rechtsextremismus spezialisiert haben – und deshalb mit Übergriffen rechnen müssen.
Eigentlich hat Röpke an diesem Vormittag keine Zeit für ein Gespräch mit der „M“. Alle paar Minuten klingelt eines ihrer Telefone. Die Nachricht vom Zwickauer Rechtsterroristen-Trio ist erst wenige Tage alt, und viele Redaktionen brauchen jetzt die Zuarbeit der investigativen Text- und Bildjournalistin: hier ein Studiogespräch, dort eine Hintergrundinformation, und bitte auch noch eine Szene aus ihrem Filmarchiv. Für Vorträge über Neonazis ist jetzt ebenfalls Hochkonjunktur.
„Sonst laufe ich oft gegen geschlossene Türen oder werde nur belächelt“, erzählt Röpke in ihrem Arbeitszimmer zwischen Papierstapeln und wandhohen Bücherregalen. „Aber jetzt laden sie uns alle ein wie verrückt.“
Sie sagt gerne „uns“ oder „wir“, denn sie arbeitet viel im Team. Zum Beispiel mit dem freien Journalisten Andreas Speit beim Schreiben von Büchern wie „Neonazis in Nadelstreifen“. Wenn Röpke rechte Zeltlager oder Skinhead-Konzerte beobachtet, sind Kameraleute mit starkem Teleobjektiv dabei oder auch mal Kollegen, die sich mit versteckter Kamera ins Getümmel wagen. Sie selbst ist inzwischen so bekannt, dass sie lieber am Rande bleibt.
Aber das schützt sie nicht vor Übergriffen. Ständig Beschimpfungen und Bedrohungen, einmal auch zerstochene Autoreifen. Nach einem Vortrag wurde sie mal bis vor ihr Haus verfolgt. Am schlimmsten aber war es 2006 beim „Märkischen Kulturtag“ der (inzwischen verbotenen) „Heimattreuen Deutschen Jugend“. Da wurde sie bis in einen Supermarkt verfolgt und niedergeschlagen. Der Haupttäter musste später eine Geldstrafe zahlen. Röpke, seit fast 30 Jahren Gewerkschaftsmitglied, konnte dank ver.di-Rechtsschutz als Nebenklägerin auftreten. Auch bei Verfahren gegen sie hilft die Gewerkschaft erfolgreich: „Ich habe einen ganzen Ordner mit Anzeigen und Klagedrohungen, die uns einschüchtern sollen.“
Warum tut sie sich das alles an? „Ich bin ein sozial denkender Mensch“, sagt die gebürtige Niedersächsin. Aufklären und warnen, Strukturen aufdecken, Lokalpolitiker aufrütteln, bei Gesprächen in Schulklassen Vorbeugung leisten, „zivilgesellschaftliches Engagement und Courage stärken“ – das ist ihr Metier, ihre Sisyphus-Arbeit. Nein, sie hält nichts vom Hajo-Friedrichs-Spruch, dass sich Journalisten mit keiner Sache gemein machen dürfen, auch keiner guten.
Zu ihrem Traumberuf kam sie über Umwege. Als junge Frau vom Lande lernte sie zunächst Bürokauffrau in einem Zeitungsverlag. Aber dann holte sie das Abitur nach und studierte in Bremen Politik. „Ich war auf der Suche nach einem Thema, einer Aufgabe für mich.“ Einmal belegte sie einen Kurs über die Karrieren von NS-Tätern nach 1945 – und hatte ihr Thema gefunden. Erst Altnazis, später auch Neonazis. Seitdem ist sie passives Mitglied in der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN), aber parteilos und unabhängig.
Bereits während des Studiums schrieb sie für Der Rechte Rand und fand Kontakt zu investigativen Journalisten. Schon ein Jahr nach dem Diplom bekam sie einen Großauftrag vom Stern: 1995 schmuggelte sie sich in ein SS-Treffen in Österreich ein. Heute arbeitet sie zum Beispiel auch für „Spiegel TV“, „Panorama“, die SZ oder die Bundeszentrale für politische Bildung.
Röpke – mehrfach preisgekrönt, aber ziemlich uneitel – schreibt nicht mit Schaum vorm Mund. Sie ist hartnäckig, wirkt jedoch nicht verbissen. Manchmal scheint sie sich sogar besser auszukennen als der Verfassungsschutz. Doch von der Neonazi-Mordserie wurde selbst sie überrascht. „Die untergetauchten drei waren schon immer ein Begriff für mich“, sagt Röpke zwar. „Aber dass die eine solche Blutspur hinter sich ziehen würden“ – in dem Ausmaß, damit hatte sie nicht gerechnet. Sicher, bei dem Nagelbombenanschlag in Köln war ihr erster Gedanke: „Das klingt nach rassistischer Tat. Aber wir haben es nicht weiter verfolgt. Vielleicht hätte man sich intensiver mit den Opfern unterhalten müssen“, sagt sie selbstkritisch.
Ob Ermittler mit den Terroristen unter einer Decke steckten? „Das ist journalistisch schwer nachzuweisen“, findet die Rechercheurin. Ihre Kritik am Verfassungsschutz ist grundsätzlicher: Der betreibe eine „totale Verharmlosung der Szene“. Röpke: „Warum unterscheidet er zwischen NPD und Neonazis? Die NPD besteht aus Neonazis!“
Mittlerweile ist Röpke für ein Verbot der Partei. Der Staat müsse ein Zeichen setzen: „Bis hierhin und nicht weiter!“ Auf die V-Leute, die zunächst abgezogen werden müssten, könne man sowieso verzichten. „Wenn die wirklich effektiv wären, dann gäbe es nicht eine so selbstbewusste militante Szene.“ Und die V-Mann-Honorare seien doch „moralisch verwerflich“, denn damit würden die Strukturen noch gestärkt.
Aus Röpkes Sicht wäre sogar der ganze Verfassungsschutz verzichtbar. Auch auf Polizisten ist sie nicht immer gut zu sprechen. „Oft bekommen wir Platzverweise und werden nicht vor Übergriffen geschützt.“ Ein Einsatzleiter fragte mal: „Warum bleiben Sie nicht zu Hause auf dem Sofa?“
Was er nicht wissen konnte: Die 46-Jährige ist tatsächlich ein Familienmensch. Mehr Privates verrät sie nicht. Ausweichend antwortet sie auf die unvermeidliche Frage, ob sie nicht Angst hat vor den Neonazis. Viel gefährdeter, sagt sie, seien doch linke Jugendliche, Gewerkschafter, Migranten oder Obdachlose. All denen will sie mit ihrer Arbeit „den Rücken stärken“.