(Ab)Wertung der Arbeit

Was ist Arbeit heute wert? Offensichtlich nicht viel! Zu dieser Erkenntnis kommen der gestandene Redakteur oder auch die Filmtechnikerin spätestens dann, wenn sie sich urplötzlich in einer outgesourcten Firma wiederfinden, die Regionalredaktion von nun an ein „eigenständiger“ Betrieb sein soll oder das Unternehmen erklärt, ab sofort nicht mehr tarifgebunden zu sein. Dann wird versucht, den Besitzstand zu wahren – mehr ist kaum drin. Wohl dem, der wenigstens einen Betriebsrat hat, der dann mit den Bossen in den Ring steigt. „Neue“ haben eh die schlechteren Karten, sie gehen meist generell niedriger dotiert an den Start. Und sie kommen zunehmend als Leiharbeiter daher.
Die seit einigen Jahren in vielen Branchen bekannte, vom Staat bis dato unbegrenzt gesetzlich sanktionierte Spezies Leiharbeiter hat neben dem geringeren Lohn noch die Bürde des befristeten Jobs zu tragen. Die Beispiele trickreicher Tarifumgehung in der aktuellen M-Titelgeschichte und die Fusions-Zerteilungs-Stratgien im deutschen Zeitungs-Norden belegen den Sinkflug in der Bewertung der Arbeit von Medienbeschäftigten. Betroffen sind sowohl die Kreativen als auch die „Producer“ im weitesten Sinne, ohne die kein Medium erscheinen kann. Betroffen sind die Volontäre, die neuerdings in den Journalistenschulen angestellt werden, um auch ihnen das Salär zu verringern. Betroffen sind die Freien, die immer mehr um angemessen bezahlte Aufträge ringen müssen.
Tarifauseinandersetzungen im Spannungsfeld von solchen Zwei-und-mehr-Klassen-Belegschaften sind zunehmend ein schwieriges Unterfangen. Speziell im Niedrigstlohnsektor, wie das Beispiel Kino zeigt. Der hartnäckige Kampf der CinemaxX-Beschäftigten hat nun ein Ergebnis gebracht. Es beweist einmal mehr, wie dringend Mindestlöhne sind, auf deren Basis ein würdiges Leben erst möglich ist.
Gewinnmaximierung um jeden Spott­preis scheint die Devise. Ein Niedergang von journalistischer Qualität wird dabei in Kauf genommen. Selbst Zeitungen wie die Frankfurter Rundschau mit ihrem stets verkündeten hohen linksliberalen Anspruch driften in den Mainstream ab. Zeit für Recherche, für eigenständige Themensetzungen, für ein fundiertes Gegenhalten bleibt auf der Strecke. Ein Zustand, der sicher auch viele Journalistinnen und Journalisten belastet! Dennoch: Es ist wohl zu einfach, alle Verantwortung für die Qualität des eigenen Bei­trages, letztlich für den gesellschaftlichen Medienauftrag ganz auf Marktumstände und Verleger abzuschieben! Eine Wertedebatte im Journalismus als Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft scheint daher dringend geboten. Und wer, wenn nicht wir – die Medienschaffenden – sollen diese führen? Nicht zuletzt mit den jungen „Neuen“, die mitunter nach der Ausbildung froh sind, einen Job zu haben, auch wenn er schlecht bezahlt ist. Ein Stück weit verständlich, aber nicht verzeihlich, bei Strafe des eigenen Untergangs!

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

Faktenbasiert, aufklärend, machtkritisch

Der Journalist Georg Restle ist seit 2012 Leiter und Moderator des Politmagazins Monitor in der ARD. Der studierte Jurist tritt für einen „werteorientierten Journalismus“ ein. Mit M sprach er über Fakenews, Fehlerkultur und journalistische Resilienz.
mehr »

Medienkompetenz live und vor Ort

Daß Medienkompetenz nicht nur digital, sondern auch im real life vermittelt werden kann  zeigt ein Projekt aus Berlin. Durch aktive Medienarbeit möchte das Meko Neukölln Kinder und Jugendliche darin stärken, ihre Stimme zu erheben, sich einzubringen und an der Gesellschaft teilzuhaben. Die Angebote sollen die Teilnehmenden befähigen, sich selbst auszudrücken und ihre Sichtweisen und Erfahrungen zu teilen.
mehr »

Erziehung zur digitalen Mündigkeit

Wie kann man Kinder und Jugendliche bei der Social-Media-Nutzung vor Gefahren wie Cybergrooming oder -mobbing schützen, ohne ihnen Teilhabe- und Befähigungschancen in der digitalen Welt zu verbauen? Die aktuelle Debatte wird hitzig geführt. Antworten reichen von einem Verbot für Tiktok, Instagram und Co für unter 16-Jährige bis hin zur Stärkung von „digitaler Mündigkeit“ der User und rechtlicher Regulierung der Anbieter.
mehr »