Mit Technik-Rucksack

Volontäre werden auch im WDR nur noch selten übernommen

Ein Volontariat beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) ist begehrt. Die größte der insgesamt neun Landesrundfunkanstalten der ARD hat immer noch Strahlkraft, jede Volontär_in fühlt sich geschmeichelt, wenn sie hier ausgebildet wird. Weniger schmeichelhaft dürfte die Tatsache sein, dass die Volontär_innen kaum noch Chancen haben, nach ihrer Ausbildung in ein fest angestelltes Redakteursverhältnis übernommen zu werden. Die Zeiten, in denen das üblich war, sind auch bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorbei. Der WDR muss sparen.

Doch bevor es zur Ernüchterung kommt, wird dem Journalisten-Nachwuchs Einiges geboten. So durchlaufen die Volontär_innen Pflicht- und Wahlstationen in Hörfunk, Fernsehen und Online. Ein Wirtschaftspraktikum ist für künftige Programmvolontär_innen Pflicht. Typische Wahlstationen sind die Bereiche Aktuelles, Wirtschaft, Nachrichten, Spartenprogramme und -sendungen, die ARD-Studios Brüssel und Berlin, Sport, Politik und Zeitgeschehen, Kultur, Unterhaltung etc. „Man kriegt das volle Programm geboten. Insgesamt ist das Volontariat sehr praxisorientiert geworden. Technik spielt eine große Rolle”, sagt David Jacobs, Mitarbeiter des WDR und geschäftsführender Vorstand des Verbandes ver.di im WDR. Crossmedialität zieht sich nach Angaben des WDR durch das gesamte Volontariat.

Radiomoderatorin
Foto: Fotolia

„Jeder Volontär lernt heute, das Rechercheergebnis eines Themas auf allen Verbreitungswegen zu spielen: Hörfunk, Fernsehen, Online”, sagt Ja­cobs. Für die Volontär_innen sei das erst mal kein Problem. Denn auf diesem Wege eröffnen sie sich gute Perspektiven, auf dem Markt der freien Journalist_innen bestehen zu können. Jacobs beschreibt, was inzwischen überall zu beobachten ist: Feste Freie oder Volontär_innen sind heute gut bepackt, wenn sie zu Terminen gehen: der Technik-Rucksack ist immer dabei. „Die müssen alles machen. Filme, O-Töne aufzeichnen, den Beitrag schneiden, schreiben.” Dass sie die sozialen Kanäle auch noch bespielen müssen, versteht sich da von selbst. „Die Volontäre lernen das und sind fit”, sagt Jacobs. Aber nicht, um später als Redakteur_in übernommen zu werden. Nein, stattdessen wird ihnen eine feste freie Mitarbeit angeboten. „Auch, wenn der WDR eine Mitarbeiter_in selbst ausgebildet hat, gibt es keine Garantie auf einen Anschlussvertrag danach. Wenn doch, dann über Jahre immer nur befristete Verträge”, beklagt sich ein ehemaliger Volontär. Er kritisiert, „was vielfach leider Normalität ist: Unnötiges Hinhalten sowie Missbilligung langjähriger, guter und zuverlässiger Mitarbeiter.”

Aus Sicht des WDR klingt das so: „Der WDR hat ein hohes Interesse daran, den Nachwuchs dauerhaft im Unternehmen zu beschäftigen. So gibt es für die Programmvolontäre zunächst die Möglichkeit für einjährige Anschlussverträge. Daraus entwickeln sich meist andere Gelegenheiten. Die Jahresvolontäre steigen in der Regel sofort als freie Autoren beim WDR ein.” Doch auch David Jacobs räumt ein, dass das Volontariat sehr gute Möglichkeiten biete und Volontär_innen die Zeit beim WDR als Etappe betrachten müssten. Eine Etappe, die die meisten nutzen, um sich unentbehrlich zu machen. Oder sich als Spezialist_in eines Themas zu beweisen, um später als freie Mitarbeiter_in beschäftigt zu werden.

Doch der Etat für freie Mitarbeiter_innen wurde gekürzt und bis zum Jahr 2020 werden 500 Planstellen nicht wiederbesetzt. „Natürlich heißt das nicht, dass dann weniger Arbeit anfällt. Das bedeutet, dass man weniger ins Programm hebt und weniger ins Detail investieren kann”, berichtet David Jacobs. Aktuell werden Volontär_innen da eingesetzt, wo Stellen nicht neu besetzt werden oder wo ein Kollege krankheitsbedingt ausgefallen ist. „Da ist viel zu tun. Der WDR hat den höchsten Krankenstand aller Anstalten in der ARD”, berichtet Jacobs.

Dauerbelastung, Zeitdruck, Multitasking ist das, was Volontär_innen aushalten müssen. Immerhin, die Vergütung stimmt: Programmvolontär_innen erhalten im ersten Jahr 1826 Euro und im zweiten Jahr 1926,20 Euro, Jahresvolontär_innen aus den Studiengängen Leipzig und Dortmund erhalten 950 Euro. Ab 2017 werden zehn Programmvolontär_innen erstmals 24 Monate ausgebildet, bisher waren es 18 Monate. Zudem bildet der WDR zehn Journalistik-Studierende der Hochschulen Dortmund und Leipzig in einem zwölfmonatigen Jahresvolontariat aus, das in das Studium integriert ist. Pro Bewerbungsverfahren für das Programmvolontariat gab es zuletzt rund 350 Bewerber_innen, für das Jahresvolontariat waren es 30 (die Vorauswahl treffen die Universitäten).

 

 

 

Zitat:

Man kriegt das

volle Programm geboten. Insgesamt

ist das Volontariat sehr praxisorientiert geworden. Technik spielt eine große Rolle.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Rechtes Rauschen im Blätterwald

Ob Neuerscheinungen, Zusammenlegungen, Relaunches oder altgediente rechte Verlage: Was die Periodika der Neuen Rechten, ihrer Parteien, Organisationen oder auch einflussreicher kleinerer Kreise anbetrifft, lässt sich gerade angesichts des rechtspopulistischen Aufschwungs der letzten etwa 20 Jahre viel Bewegung ausmachen.
mehr »

VG Wort ändert Verteilungsplan

Die Mitgliederversammlung der VG Wort hat in ihrer Mai-Sitzung eine Reform des METIS-Systems mit der erforderlichen Mehrheit in allen Berufsgruppen beschlossen. Sie führt zu wichtigen Änderungen im Verteilungsplan der VG Wort. Vertreter der dju in ver.di haben das vorliegende Papier in Teilen kritisiert und versucht, es noch mit Änderungsanträgen zu beeinflussen – ohne Erfolg.
mehr »

Rundfunkfinanzierung in der Sackgasse

Bisher war Einstimmigkeit gefordert, wenn es um rundfunkpolitische Fragen ging. Die Ministerpräsident*innen der Länder sollen gemeinsam agieren, zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kein einfaches Unterfangen, wenn es um das Thema Rundfunkfinanzierung geht. Dass diese Praxis nun überarbeitet wird, ist Ausdruck einer Krise – wenn nicht der Demokratie, dann doch zumindest der Rundfunkpolitik der Länder.
mehr »