Dass der Suchmaschinen-Riese Google in Deutschland auch kräftig im journalistischen Geschäft mitmischt, stößt nur selten auf kritische Gegenwehr, sind Journalistinnen und Journalisten doch selbst oft die Nutznießenden. Mit einem Innovationsfonds etwa zahlt das Unternehmen Gelder an kleine und große Medienhäuser. Der Versuch einer kritischen Bestandsaufnahme.
An der Spitze der Google-Aktivitäten im deutschen Journalismus steht die „Digital News Initiative“ (DNI). Sie beinhaltet im Kern einen 150 Millionen Euro schweren „Innovationsfonds“. Aus diesem bekommen unter anderem folgende Medien und Institutionen in Deutschland Geld: Correctiv, Spiegel Online, Der Tagesspiegel, Hamburg Media School, Wirtschaftswoche, Berliner Morgenpost, taz, RTL Radio Deutschland, Deutsche Welle und Golem.de.
Das sei nichts anderes als „Lobbyismus“, schreibt der Datenjournalist Lorenz Matzat auf medium.com. „Ein im publizistischen Sektor so mächtiges Unternehmen kann meiner Meinung nach aus journalistischer Sicht kein Partner sein. Es kann vielmehr nur Gegenstand von Berichterstattung sein. Ein Journalist oder ein journalistisches Medium kann Google nur mit der nötigen kritischen Distanz gegenübertreten, sonst wird man von seiner Anziehungskraft auf die eine oder andere Weise vereinnahmt“, sagt Matzat.
Auf die Frage, ob Google versucht, Landschaftspflege zu betreiben und Einfluss auf den deutschen Journalismus zu nehmen, nimmt man bei Google nur ausweichend Stellung. Google-Sprecher Ralf Bremer erklärt auf Anfrage, die DNI sei eine „Plattform für den Austausch zwischen verschiedenen Partnern“. Man sei „überzeugt, dass durch konstruktive Zusammenarbeit das Ökosystem für digitalen Journalismus stimuliert werden kann.“
Journalismustagungen von Google gesponsert
Lorenz Matzat behauptet: „Kaum eine Journalismustagung in letzter Zeit im Land, die nicht von Google mitgesponsert wurde; meist bedeutet das dann einen Slot für ein Referat oder eine Panelteilnahme für einen Vertreter/eine Vertreterin des DNI. Schleichend gehört Google selbstverständlich dazu.“
Auf der Suche nach derartigen Veranstaltungen stößt man beispielsweise auf die Journalistenkonferenz „Besser Online 2016“, zu der der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) eingeladen hatte. Dort gab es eine Präsentation, die von Isabelle Sonnenfeld moderiert wurde. „Seit Oktober 2015 leitet sie das so genannte News Lab beim bedeutendsten Suchmaschinenbetreiber, der auch als Sponsor für Besser Online auftrat“, so ein DJV-Bericht zu der Veranstaltung. Auf dieser „warb“ die Google-Mitarbeiterin demnach für Workshops und Tools, die Google „speziell für Journalistinnen und Journalisten“ anbiete. Bei Google heißt es auf Anfrage, man arbeite „schon seit vielen Jahren eng mit Verlagen und Journalistenverbänden“ zusammen.
Google hat im Rahmen eines Stipendienprogramms des Google News Lab zudem Stipendien von bis zu 8.200 Euro für junge Journalist_innen und Entwickler_innen ausgelobt. In diesem Rahmen erhalten Medienorganisationen Geld von Google, um damit Fellows ein Stipendium zu bezahlen.
Auch gemeinsam mit der Datenfreunde GmbH und dem Onlinemagazin Vocer hat Google ein Fellowship ausgelobt. Die ausgewählte Person wird vier Monate lang das Entwicklungsteam des datenjournalistischen Projekts „xMinutes“ in Hamburg unterstützen, verkündete Vocer im September. Initiator von „xMinutes“ ist Marco Maas, Gesellschafter der Datenfreunde GmbH – und Mitherausgeber von Vocer. Im Rahmen des Projekts soll eine Plattform entwickelt werden, die sensorbasiert Inhalte ausspielt. Dabei werden auch allerhand Daten der Nutzer_innen gesammelt. „Die Präsentation der Inhalte basiert auf Algorithmen, die darauf trainiert werden, die Interessen und das Konsumverhalten des einzelnen Nutzers zu verstehen“, so Vocer. Der Google-Sprecher betont hier auf Nachfrage, dass die teilnehmenden Medienorganisationen „den Fellow eigenständig“ auswählen und betreuen. Das Google News Lab ist auch Sponsor des „Vocer Innovation Day“, der im November bereits zum dritten Mal im „Spiegel“-Haus in Hamburg stattfand. Vocer-Mitherausgeber Maas wirkte hier als Moderator mit, der DJV ist seit 2015 Partner des Events.
Der Next Media Accelerator (NMA) der dpa, der Medien-Startups fördern will, veranstaltete zusammen mit dem Google News Lab eine Serie von Hackathons, an dem auch Journalist_innen teilnahmen. Am NMA hängen weitere Medienhäuser als Investoren, unter anderem Axel Springer Digital Ventures, Gruner + Jahr, die Spiegel-Gruppe und die Zeit-Verlagsgruppe.
Google als aktiver Partner der Re:publica
Der Re:publica-Gründer und -Veranstalter Markus Beckedahl veröffentlichte im März 2016 in seinem Blog netzpolitik.org einen von dem Journalismusprofessor Volker Lilienthal verfassten Gastbeitrag mit dem Titel „Facebook, Google & Co. fördern und kolonisieren den Journalismus“. Nur fünf Wochen später gab es dann bei der Re:publica gleich dreimal einen „event by Google“. Wie Beckedahl auf Anfrage mitteilte, besteht hier kein Zusammenhang. Bereits im Jahr 2015 gab es bei der Re:publica weitere Panels „In Partnership with Google’s Security Team“, eines davon mit Beckedahls netzpolitik-Kollegin Anna Biselli. *
Einer der Speaker bei den Google-Events der Re:publica 2016 war der Vocer-Mitherausgeber und Datenfreunde-Gesellschafter Marco Maas. Der wollte sich zum Thema Google nicht äußern, stellte jedoch die Anfrage von „M“ für jedermann einsehbar ins Netz und schrieb: „Das Thema bietet Stoff für mehr Auseinandersetzung – ich arbeite seit ein paar Tagen an einem Artikel, den ich demnächst veröffentlichen und hier verlinken werde.“
Bei Google gehe es darum, analysiert Matzat, „sich mit den genannten Influencern gut zu stellen“. Google baue sich ein Netzwerk von Personen auf, also „Multiplikatoren, die bereits in der Szene vernetzt sind, einen gewissen Ruf genießen oder Personen, die am Anfang einer Karriere stehen.“ Matzat spricht in seinem Beitrag darüber hinaus von „Auffälligkeiten bei den Vergaben des Innovation Funds des DNI“. Im November wurde bekannt, welche Projekte in der zweiten Runde Google-Geld erhalten. Matzat zufolge gehen von den 24 Millionen Euro, die Google insgesamt verteilt, 20 Prozent nach Deutschland. Auch in der ersten Runde sei die größte Summe nach Deutschland geflossen. Matzat fragt sich, ob es eine Vorgabe gibt, Deutschland, „das Land, in dem Skepsis gegenüber Google in der EU mit am größten ist – Stichworte Datenschutz und Leistungsschutzrecht – großzügig zu berücksichtigen“.
Viel Google-Geld fließt nach Deutschland
Auf Anfrage kann man bei Google nicht wirklich erklären, warum so viel Geld nach Deutschland fließt. „Die Vergabe der Mittel richtet sich alleine nach der Qualität der eingereichten Projekte und erfolgt durch das Projektteam sowie den Expertenrat (Council) des DNI Innovation Fonds“, erklärt Sprecher Bremer.
Matzat beklagt in seinem Artikel, die Governance-Struktur des DNI Fund sei „nicht von Google unabhängig“, wie Entscheidungen fielen, sei „nicht transparent“. Schaut man sich die Rules of Governance der DNI genauer an, fällt auf, dass ein „Google Team“ die „endgültige Entscheidung“ über Projekte hat, die bereits von einem Projektteam und einem Council ausgewählt wurden. „Die Klausel, wonach Google die ‚endgültige Entscheidung‘ zukommt, trifft lediglich Vorsorge für technische und organisatorische Ausnahmefälle“, heißt es bei Google auf M-Nachfrage, etwa falls der Council „zu viele große Projekte mit einer jeweiligen Förderung über 300.000 Euro auswählt und damit die verfügbare Fördersumme überschritten würde“. Dem Gremium gehört unter anderem die frühere Spiegel-Online-Geschäftsführerin Katharina Borchert an. Für das Projektteam holte sich Google mit Christian Heise einen, der in der Journalistenbranche ebenfalls bestens vernetzt ist. Er war als Manager bei der dpa und bei Zeit Online tätig. Gleichzeitig ist Heise Vorstand der Open Knowledge Foundation Deutschland, eine der wichtigsten Adressen in Sachen Open Data in Deutschland.
*Korrektur (26.1.2017):
Im ursprünglichen Text standen an dieser Stelle noch folgende zwei Sätze: „Auch in früheren Jahren war Google laut dem Unternehmen Partner der Re:publica. Geldzahlungen von Google an die Newthinking Communications GmbH, welche die Re:publica ausrichtet, seien ihm „nicht bekannt“, so Beckedahl auf Nachfrage.“ Richtig ist, dass die re:publica GmbH Ausrichter der re:publica ist, newthinking ist zu 50% daran beteiligt. Markus Beckedahl verwahrt sich in diesem Zusammenhang dagegen, dass hier suggeriert werde, er würde verschleiern, dass Google für das Sponsoring Geld gezahlt habe. „Das stimmt einfach nicht, ich habe lediglich seine Frage korrekt beantwortet“, erklärt Markus Beckedahl gegenüber M. (Der Autor fragte, ob newthinking communications GmbH Geldzahlungen oder geldwerte Leistungen von Google erhalten habe?)