Die prekären Arbeitsverhältnisse im Journalismus sind schon lange bekannt. Besonders trifft es aber freie Journalist*innen, deren Honorare sogar noch weiter sinken. Das hat auch Auswirkungen auf die Art des journalistischen Arbeitens.
Anfang des 20. Jahrhunderts warb die St. Petersburger Foto-Agentur Bulla mit dem Slogan „Wir gehen überall hin“. Dieses „Wohin-Gehen“ ist ja auch quasi das Grundelement aller journalistischen Tätigkeit: Menschen (mit einer gewissen Ausbildung) begeben sich an bestimmte Orte, um über das dortige Geschehen den anderen Menschen zu berichten. Das tun sie als Beruf – so wie die Bulla-Fotografen – um damit sich selbst und ihre Familien zu ernähren.
In den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts scheint es nun so zu sein, dass bald niemand mehr irgendwo hingeht. Weil – es rechnet sich einfach nicht mehr. Der Befund, dass die Honorare für Freie Journalist*innen vor allem im Printbereich nicht ausreichen, um eine halbwegs gute Existenz führen zu können, ist nicht neu. Sondern ist seit mindestens zwei Jahrzehnten die Begleitmusik für Freie. Nun aber scheint sich dieses Kapitel der Pressegeschichte einer finalen Phase zu nähern – die Begleitmusik erinnert immer mehr an „Spiel mir das Lied vom Tod“.
Harald K. – freier Journalist seit langem – bekommt in letzter Zeit Emails, die es in dieser Deutlichkeit so früher nicht gab. Da schreibt der Chefredakteur eines Magazins, ob denn die (freien) Mitarbeiter damit einverstanden wären, dass die Honorare um ein Zehntel gesenkt würden. Dann könnte man das Magazin als Printausgabe vielleicht noch zwei Jahre halten.
Ein anderer Chefredakteur kündigte an, dass bei Reportagen Fotos künftig nur noch pauschal honoriert würden, ohne die Zahl der Fotos zu berücksichtigen. Das bedeutet in der Praxis ein Minus von 100 Euro oder 12,5 Prozent. Das alles, während die gezahlten Honorare oft seit mehr als einem Jahrzehnt gleichgeblieben sind und nun durch Inflation weiter sinken. Denn von dem vor 15 Jahren gezahlten Honorar von zum Beispiel 600 Euro, sind vor dieser Preissteigerung ohnehin nur 450 Euro übriggeblieben. Zwar gibt es einige Medien, die ihre Honorare fairerweise erhöht haben, aber das sind eher die Ausnahmen von der Regel.
Honorare sinken
Wenn Harald K. in seinen Steuerunterlagen von vor über zehn Jahren blättert, fällt ihm auf, dass damals viele Print-Medien ihre Honorare mit einem deutlichen Schnitt gekürzt hatte. Eine regionale Wochenzeitung hatte einst 250 Euro für eine Geschichte gezahlt; dann wurden 180 Euro daraus. Ein konfessionelles Wochenblatt drückte die Erlöse gar von 300 bis 400 Euro auf unter einhundert Euro.
Die Folge dieser sinkenden Honorare ist: Es geht bald niemand mehr irgendwohin. Weil es im Rahmen einer Erwerbstätigkeit keinen Sinn mehr macht und das Finanzamt den Journalismus nur mehr als „Liebhaberei“ sieht, jedenfalls was Freie (vor allem im Printbereich) anbelangt. Harald K. betrachtet sich mittlerweile als eine Art journalistisches Fossil, schreibend das Einkommen zu sichern versuchend. Viele der ehemaligen Kolleg*innen sind längst „aus dem Feld gegangen“, wie das sozialwissenschaftlich genannt wird. Wer überhaupt noch schreibt, macht das, weil er/sie nicht davon leben muss. Wegen des Geld verdienenden Lebenspartners, wegen der Erbschaft oder sonstiger anderer Einnahmequellen. Die prekären Einkommensverhältnisse von (freien) Journalist*innen sind längst Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und Studien. Die Kommunikationswissenschaftlerin Jana Rick („Ausstieg aus dem Journalismus. Gründe, Wege und Folgen“) zeigt in ihrer Studie zum Ausstieg aus dem Journalismus beispielsweise auch die wirtschaftlich unsichere Situation auf.
Es bleibt die Frage, wer aber in Zukunft all den Content für die Fachmagazine und Publikumszeitschriften, für die Tages-und Wochenzeitungen liefern soll. Die Künstliche Intelligenz? Das ist wahrscheinlich ein guter und sicherer Weg, der Branche endgültig den Garaus zu machen. Denn die KI kann zwar fleißig abschreiben und zusammenfassen, sie geht aber auch nirgendwo hin. Das aber wird – wie widersprüchlich – immer wichtiger werden. Zum Beispiel, um die Echtheit von Fotos oder Videos zu bezeugen. Denn für die Betrachter*innen wird es künftig kaum noch möglich sein, von der KI erzeugte Fotos von „echten“ Fotos zu unterscheiden. Was bleibt, ist nur noch das Zeugnis der vor Ort anwesenden Journalist*innen.

