Neuer öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Griechenland

Zu den ersten Plänen der neuen Linksregierung in Athen gehört die Wiedereinrichtung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt ERT. In einem Monat werde man die entsprechende Gesetzesvorlage fertig haben, hatte der zuständige Minister Nikos Pappas bereits am 9. Februar verkündet.


Inzwischen hat Pappas die Vorstellungen der Regierung konkretisiert. Die ERT werden „von Null auf“ wieder aufgebaut, sagte er im Interview mit der linksliberalen Tageszeitung Efimerida ton Syntakton. Dabei gelte es, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden, die den öffentlich-rechtlichen Sender zu einem verschwenderischen Sprachrohr staatlicher Interessen mit äußerst ungerechter Verteilung bei der Entlohnung der einzelnen Angestellten gemacht hatten. Beim Wiederaufbau werde es eine „objektive und unabhängige Evaluierung des Personals und Respekt gegenüber allen entlassenen Angestellten der ehemaligen ERT“ geben. Alle Entlassenen würden, wenn sie dies wollten, wieder eingestellt, erklärte der Staatsminister.
Bei der Schließung der ehemaligen Sendeanstalt im Juni 2013 durch die Regierung Samaras waren 2.656 Medienarbeiter über Nacht auf die Straße gesetzt worden. Einige davon wurden im etwa ein Jahr später gegründeten Staatssender NERIT mit wesentlich schlechteren Arbeitsverträgen wieder eingestellt. Hunderte anderer Kollegen, die eine Übernahme zu solchen Konditionen abgelehnt und auf eine unabhängige Sendeanstalt bestanden hatten, strahlen bis heute in Selbstverwaltung und unbezahlt überwiegend über Internet ein vollwertiges Informations- und Unterhaltungsprogramm aus (ERTopen.com).
Von der Internationalen Journalisten-Föderation (IJF) und der Europäischen Journalisten-Föderation (EJF) wurde die Ankündigung auf Wiedereinrichtung der ERT durch die griechische Regierung zustimmend begrüßt. Dies seien „herausragende Nachrichten, sowohl für die Journalisten, als auch für die Öffentlichkeit, die einen echten öffentlichen Dienst für unabhängige Information verdient“, sagte IJF-Vorsitzender Jim Boumelha. Der Verband habe „seine Mitglieder in Griechenland in ihrer Opposition gegenüber der Schließung der ERT“ unterstützt, so Boumelha. Die IJF sei erfreut darüber, dass die Regierung die Schließung als einen Affront gegenüber demokratischen Gepflogenheiten in Griechenland angesehen habe.
Bei den bis heute Widerstand leistenden Entlassenen und Betreibern von ERTopen treffen die Ankündigungen des Staatsministers dagegen nicht auf ungeteilte Zustimmung. Hier hat man bereits Ende Januar die Grundzüge eines Vorschlags für die Struktur einer tatsächlich unabhängigen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt ausgearbeitet. Danach werden von der Mitarbeit in einer gebührenfinanzierten und nach basisdemokratischen Prinzipien arbeitenden neuen ERT all diejenigen ausgeschlossen, die sich nach ihrer Entlassung beim „staatlichen Gebilde“ NERIT verdingt haben. Zwischen ihnen und dem Ministerium würden aber bereits Gespräche über die Ausgestaltung der neuen Sendeanstalt geführt, wurde M auf telefonische Nachfrage bei ERTopen mitgeteilt.

Rückblick

„Heuchelei auf höchster Ebene“, M 05/2013

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

Digitale Mobilität als Machtfaktor

Smartphone, Social Media und Plattformen – wie werden Menschen durch mobile, vernetzte Medientechnologien sichtbar, und wer oder was bleibt unsichtbar? Welche Rolle spielen dabei Geschlechter- und Machtverhältnisse? Über diese Fragen diskutierten Medienforscher*innen  auf der Tagung „Bilder in Bewegung, mit Bildern bewegen: Gender, Macht und Mobilität“ in Tübingen.
mehr »

Junger Journalismus: Lernen, vernetzen und schützen

Angriffe auf Journalist*innen nehmen zu, online wie auf der Straße. Umso wichtiger, Pressefreiheit nicht nur als Prinzip zu verstehen, sondern sie im Alltag zu verteidigen. Mit diesem Anspruch lud die Jugendpresse Deutschland Anfang November rund 80 junge Medieninteressierte nach Dresden ein. Bei der „YouMeCon kompakt“ ging es um journalistisches Handwerk, Verantwortung und darum, wie man Menschen schützt, die berichten.
mehr »

Mexiko: Stipendium als Wendepunkt

Mit einem Stipendium kam die Journalistin Vania Pigeonutt vor drei Jahren nach Berlin. Kurz vor dem Burn-Out, als eine Art hyperventilierendes Nervenbündel, traf die Mexikanerin aus dem Bundesstaat Guerrero bei Reporter ohne Grenzen ein. Heute hilft sie Kolleg*innen aus anderen Ländern, aber auch aus Mexiko, beim Start in einen neuen Alltag.
mehr »