Ihr werdet jeden Tag einen Tag älter

Bild: Coulourbox

Das Rentenniveau sinkt, die Altersarmut steigt. Beschäftigte müssen immer länger arbeiten, um überhaupt eine Rente auf dem Grundsicherungsniveau zu erreichen. Besonders abgehängt: Frauen und Selbstständige. Im Rahmen der DGB-Rentenkampagne erzählen wir in unserer Reihe „Die Rente muss reichen“ die Geschichten von Medienschaffenden im Rentenalter oder kurz davor. In Teil 1: Die ehemalige Regieassistentin Monika Schopp.

Seit 1990 ist das Rentenniveau von rund 55 Prozent auf 47,9 Prozent im zweiten Halbjahr 2016 gesunken. Nach den Prognosen der Bundesregierung im aktuellen Rentenversicherungsbericht wird das Rentenniveau selbst bei günstiger wirtschaftlicher Entwicklung bis 2030 auf 44,5 Prozent fallen, nach Zahlen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) bis 2045 sogar auf 41,6 Prozent. Hinzu kommt: Immer weniger Menschen zahlen über Jahrzehnte in die Rentenversicherung ein und verdienen über ihr gesamtes Arbeitsleben das Durchschnittsgehalt. Solche Brüche in den Erwerbsbiografien führen zusammen mit dem sinkenden Rentenniveau bereits mittelfristig zu einem gravierenden Anstieg von Altersarmut. Seit 2003 hat sich der Anteil der Menschen mit Grundsicherung im Alter oder wegen Erwerbsminderung mehr als verdoppelt. Tendenz weiter steigend.

Für einen Kurswechsel in der Rentenpolitik haben die DGB-Gewerkschaften daher eine Kampagne gestartet, mit der der Sinkflug des Rentenniveaus gestoppt und Altersarmut gezielt bekämpft werden soll. Altersarmut, von der vor allem Frauen betroffen sind. Denn sie sind es, die öfter in Branchen mit niedrigeren Stundenlöhnen und familienbedingt in Teilzeit arbeiten. Der Gender Pension Gap betrage demnach mehr als 40 Prozent, rechnet das DGB-Projekt „Was verdient die Frau? Wirtschaftliche Unabhängigkeit!“ vor.

Am 18. März 2017 ist Equal Pay Day

Frauen in Deutschland verdienen im Durchschnitt 21 Prozent weniger als ihre Kollegen. Um das Einkommen zu erzielen, das Männer bereits am 31. Dezember des Vorjahres hatten, müssen Frauen bis zum Equal Pay Day des Folgejahres arbeiten. Jährlich finden am Equal Pay Day bundesweit zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen statt. Mehr Informationen zum Equal Pay Day und zu den geplanten Aktionen auf der ver.di-Website Frauen- und Gleichstellungspolitik: https://frauen.verdi.de/aktionstage/equal-pay-day

Teilzeit, ein niedriges Gehalt, gebrochene Versicherungsbiografien: Armutsrisiken, die das Fundament für eine spätere Armutsrente legen. Ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung solcher Armutsrisiken als Ursache von Armut im Alter sehen die Gewerkschaften in der Erwerbstätigenversicherung. Auf ihrem vierten Bundeskongress im September 2015 forderte ver.di in diesem Zusammenhang den Ausbau der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung. Finanziert werden soll diese durch Beiträge, die von Arbeit- bzw. Auftragnehmer_innen und Arbeit- bzw. Auftraggeber_innen zu gleichen Teilen getragen werden. Von der Erwerbstätigenversicherung würden vor allem Selbstständige profitieren, deren Versorgungslücken oftmals dramatischer ausfallen als die der abhängig Beschäftigten.

Zwar seien Selbstständige bestimmter Berufe, darunter auch viele Medienschaffende über die Künstlersozialkasse, gesetzlich zur Vorsorge verpflichtet, so Veronika Mirschel vom ver.di-Referat Selbstständige, bei drei von vier Millionen Selbstständigen sei dies allerdings nicht der Fall. Dabei sei eine starke staatliche Sicherungssäule gerade für Selbstständige unerlässlich, da sie nicht auf betriebliche und bei geringem Einkommen auch nicht auf private Altersvorsorge bauen könnten. Eine solidarische Erwerbstätigenversicherung, an der sich alle Erwerbstätigen, abhängig Beschäftigte wie Selbstständige, entsprechend ihrem Einkommen beteiligen, würde die Absicherung aller gewährleisten und zugleich schwankende Einkommenslagen, etwa durch Familienphasen oder Zeiten der Auftragslosigkeit, ausgleichen.

1000 Euro Rente für Regieassistentin mit 40 Arbeitsjahren

Umstände, die auch auf viele Medienschaffenden zutreffen, denn ob im Journalismus oder beim Film, die Mehrheit der Medien- und Kulturschaffenden arbeitet auf Selbstständigenbasis. Nicht so allerdings Monika Schopp. Die 67jährige war als freie Regieassistentin über  30 Jahre immer  auf Produktionsdauer im Angestelltenverhältnis beschäftigt. In den produktionsfreien Zeiten erhielt sie Arbeitslosengeld 1. Auch, weil sie einen ordentlichen Arbeitsvertrag immer zur Bedingung gemacht hat, um überhaupt für eine Produktion tätig zu werden, wie sie selbst sagt. Natürlich habe sie auch das Glück gehabt, in den goldenen 80ern und 90ern gearbeitet zu haben, in denen man sich vor Aufträgen kaum retten konnte. Zusammen mit dem Studium und einer vierjährigen Anstellung in der Medienwissenschaft kommt sie auf 40 volle Arbeitsjahre. Das bringt ihr nun rund 1000 Euro gesetzliche Rente im Monat – netto. Für ein ganzes Leben nicht viel, weshalb die studierte Soziologin auch den Staat in der Pflicht sieht. Das Rentenniveau dürfe nicht weiter sinken, müsse im Gegenteil langfristig wieder angehoben werden. Auch eine Erwerbstätigenversicherung erscheint ihr als sinnvolles Modell, um Altersarmut entgegenzuwirken.

In der Verantwortung sieht sie aber vor allem auch die Filmschaffenden. Sie selbst hat seit ihrem 35. Lebensjahr damit begonnen, privat für das Alter vorzusorgen. Insgesamt acht Versicherungen hat sie abgeschlossen. Die spülen ihr nun 1000 Euro monatlich zusätzlich in die Rentenkasse. Darunter zwei Verträge beim Presseversorgungswerk und vor allem die Mitgliedschaft in der Pensionskasse Rundfunk, die sie jedem Filmschaffenden unbedingt empfiehlt. Auf den Einwand, dass doch viele Filmschaffende heutzutage wegen der Auftragslage und der teils unterirdischen Bezahlung gar nicht mehr das nötige Geld für die private Vorsorge beiseitelegen könnten, reagiert sie zwar mit Verständnis, bekräftigt jedoch ihren Appell für mehr Eigenverantwortlichkeit und Problembewusstsein gerade bei den jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Ihren Schüler_innen sage sie stets: „Nichts ist gewisser, als dass ihr jeden Tag einen Tag älter werdet. Ihr müsst anfangen, darüber nachzudenken, wovon ihr mit 65 leben wollt.“

Ja, Schüler_innen. Denn mit einem abgeschlossenen Studium und einem Berufsabschluss in der Tasche war Monika nach dem großen Auftragseinbruch um die Jahrtausendwende in der Lage, parallel zu ihrer Arbeit als Filmschaffende einen Seminarbetrieb aufzubauen, für den sie auch heute noch als Dozentin tätig ist. Neben der mehrgleisigen privaten Vorsorge, wann immer man etwas Geld übrig hat und vor allem über eine Mitgliedschaft in der Pensionskasse Rundfunk, gibt sie jungen Filmschaffenden deshalb auch mit auf den Weg, sich unbedingt ein zweites Standbein aufzubauen.


Sind Sie Medienschaffende_r, freiberuflich oder festangestellt? Dann erzählen Sie uns Ihre Geschichte. Egal, ob Sie bereits Renter_in sind oder noch im Arbeitsleben stehen, ob Ihre Rente nicht reicht oder Sie so gut vorgesorgt haben, dass Sie im Alter ein auskömmliches Leben haben. Wenn Sie es wünschen, veröffentlichen wir Ihre Geschichte gerne auch anonymisiert.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

ARD: Durchbruch in Tarifrunde

In dem seit Januar andauernden Tarifkonflikt in ARD-Rundfunkanstalten gibt es erste Verhandlungsergebnisse. Zum Wochenende hin konnte am Freitag (15. November) ein Ergebnis im SWR erreicht werden. Für ver.di ist das ausschlaggebende Ergebnis, dass neben sechs Prozent Tariferhöhungen in zwei Stufen über eine Laufzeit von 25 Monaten auch eine für mittlere und niedrige Tarifgruppen stärker wirkende jährliche Sonderzahlung so stark erhöht wurde, dass es nachhaltige Tarifsteigerungen zwischen sechs und über zehn Prozent gibt.
mehr »

Öffentlichkeit ohne Journalismus

Schwindende Titel, schrumpfende Redaktionen, immer geringere Abonnentenzahlen – dass gerade der Lokaljournalismus vielerorts unter Druck steht, ist nicht neu. Doch was bedeutet das für die lokale Öffentlichkeit, die inzwischen von vielen selbstbewussten Medien-Akteuren mitgestaltet wird? Eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung beschäftigt sich mit genau dieser Frage.
mehr »

Drei Fragen: Zur Deutschen Welle

Bei der Deutschen Welle (DW) arbeiten rund 1.800 festangestellte und 2.000 freie Mitarbeiter*innen in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat die Belegschaft der DW in Bonn und Berlin am 13.11. zu einem ganztägigen Streik aufgerufen. Denn nach sechs Runden stocken die Verhandlungen. Wir sprachen vor Ort in Berlin mit der ver.di-Sekretärin Kathlen Eggerling.
mehr »