Vorratsdatenspeicherung in Deutschland, Medienkonzentration in Italien, ermordete Journalisten in Russland, Massenflucht von Medienleuten aus dem Iran, Zeitungsschließungen in Simbabwe und der weltweite Versuch, das Internet zu zensieren: Weltweit gibt es Anlass genug, für mehr Pressefreiheit zu kämpfen, nicht nur am 3. Mai: Tag der Pressefreiheit. Auch häufigere Schlagzeilen in eigener Sache wären hilfreich.
Der 23. November 2009 war ein besonders schwarzer Tag für die Pressefreiheit. An diesem Tag war auf den Philippinen ein Konvoi unterwegs zu einem Wahllokal. Unterstützer und Angehörige des Oppositionspolitikers Esmael Mangudadatu wollten dessen Kandidatur bei den Gouverneurswahlen in der Provinz Mindanao anmelden. Viele Medienvertreter begleiteten die Gruppe, die plötzlich von schwer bewaffneten Männern – offenbar angeführt vom Sohn des amtierenden Gouverneurs – überfallen wurde. 57 Menschen wurden bei dem Massaker getötet, darunter 29 Journalisten. Das „Komitee zum Schutz der Journalisten“ sprach anschließend vom „tödlichsten Angriff, den wir jemals dokumentiert haben“.
Die jährlichen dramatischen Bilanzen der einschlägigen Menschenrechts- und Medienorganisationen werden – wenn überhaupt – nur nebenbei zur Kenntnis genommen. Für die große Schlagzeile auf Seite 1 reicht es nicht. Doch hinter jeder dieser Zahlen steckt ein individuelles Schicksal: 2009 wurden nach Angaben der „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) weltweit 76 Journalisten bei der Ausübung ihrer Arbeit getötet, weitere 33 wurden entführt. 1.456 Medienarbeiter wurden Opfer von Gewalt und rund 300 Journalisten und Internet-Nutzer sind zur Zeit inhaftiert. Gegen 570 Medien dokumentierte ROG Zensurmaßnahmen.
Es ist für jeden schnell ersichtlich: Wo Journalisten ermordet, bedroht oder inhaftiert, wo Zeitungen, Fernseh- und Radiosender geschlossen werden, kann sich keine freie Medienlandschaft entwickeln. Dabei sind die Täter nicht immer repressive staatliche Stellen. Auch bewaffnete Gruppen oder das organisierte Verbrechen dulden keine kritische Berichterstattung und versuchen, investigative Recherchen mit allen Mitteln zu unterbinden. Wer beispielsweise im Norden Mexikos über den Krieg der Drogenbanden recherchiert, riskiert sein Leben. Das Gleiche gilt für Berichterstatter, die sich kritisch den radikal-islamischen Aufständischen in Pakistan oder dem russischen Vorgehen in den Kaukasus-Republiken widmen. Die Zahl der getöteten Journalisten ist in diesen Ländern seit Jahren hoch.
Einen traurigen Rekord vermeldet auch der Iran: Seit Juni vergangenen Jahres sind mehr als 50 Journalisten und Internet-Autoren aus dem Land geflüchtet, weil sie wegen der zunehmenden Repression nach der Präsidentschaftswahl nicht bereit waren, ihre Freiheit zu riskieren. Mehr als 30 Medienschaffende sitzen dort nach den Protesten gegen die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadineschad im Gefängnis.
Staatliche Kontrolle
Wer wissen will, wie es um die Pressefreiheit in einem Land bestellt ist, braucht sich im Grunde nur anzuschauen, welche Journalisten warum und unter welchen Bedingungen inhaftiert sind. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von ROG (siehe Kasten) sind deshalb jene Staaten am schlechtesten bewertet, in denen es (fast) ausschließlich staatliche oder staatlich kontrollierte Sender und Druckerzeugnisse gibt: Eritrea, Nordkorea, Turkmenistan, Iran und Birma, aber auch Kuba, Laos, China, Jemen und Vietnam sind allesamt Länder, in denen man eine Gefängnisstrafe riskiert, wenn man es wagt, von der Regierungsmeinung abweichende Meinungen zu formulieren. Es ist kein Zufall, dass sich die Regierungen dieser Länder zugleich bei der Zensur des Internets besonders hervortun (siehe Seite 11).
Umgekehrt kann sich da, wo jeder Journalist die Möglichkeit hat, frei und ohne Angst seinem Beruf nachzugehen, nicht nur Meinungsvielfalt, sondern auch Demokratie entwickeln. Ermutigende Beispiele dafür sind zum Beispiel Ghana, Namibia oder Mali in Afrika oder auch Costa Rica oder Uruguay in Lateinamerika.
Die Negativrangliste
Jedes Jahr ermitteln die „Reporter ohne Grenzen“ eine Rangliste der Pressefreiheit. Am besten wurde im Herbst 2009 die Lage in Dänemark, Finnland, Irland, Norwegen und Schweden beurteilt. Deutschland liegt auf Platz 18. Am dramatischsten ist die Lage in Eritrea, wo alle staatlichen Medien gleichgeschaltet sind und alle nicht-staatlichen Medien verboten wurden. Hier die 20 schlimmsten Verletzer der Pressefreiheit:
- Eritrea
- Nordkorea
- Turkmenistan
- Iran
- Birma
- Kuba
- Laos
- China
- Jemen
- Vietnam
- Syrien
- Somalia
- Saudi-Arabien
- Sri Lanka
- Palästinensische Autonomiegebiete
- Usbekistan
- Pakistan
- Äquatorial-Guinea
- Ruanda
- Libyen
Erläuterung: Den Index ermittelt ROG jährlich mit einem Fragebogen zu 42 verschiedenen Punkten. Themen sind alle Arten der Verletzung von Medienfreiheit – von Übergriffen auf Journalisten, über Zensur bis hin zu wirtschaftlichem und politischem Druck. Bewertet wird auch das Bemühen des Staates, die Pressefreiheit gegen äußere Einflüsse zu verteidigen. Der Fragebogen wurde an die Partnerorganisationen von Reporter ohne Grenzen, an die weltweit rund 130 Korrespondenten der Organisation sowie an Journalisten, Wissenschaftler, Juristen und Menschenrechtler versandt. Die beantworteten Fragen wurden mittels einer Skala ausgewertet, durch die eine Punktzahl und ein Rang für jedes Land zustande kommen.