Supercom heißt Ecuadors Medienbehörde, die gegründet wurde, um den Mediensektor zu demokratisieren. Sendefrequenzen sollten anders verteilt, die Medienhäuser zum Qualitätsjournalismus verpflichtet werden. Doch ist die Bilanz nach knapp vier Jahren wenig ermutigend, meint Medienwissenschaftler Mauro Cerbino von der länderübergreifenden Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften (Flacso).
Herr Cerbino, in Quito kursieren Gerüchte, dass der frisch vereidigte Präsident Lenín Moreno in den nächsten Wochen die Supercom, die Medienkontrollbehörde, ersatzlos streichen könnte. Ein realistisches Szenario?
Die Superintendencia de la Información y Comunicación, kurz Supercom, wurde 2013 gegründet, als das neue Mediengesetz in zweiter Lesung erörtert wurde. Doch anders als über das Gesetz wurde über die Gründung der Supercom damals nicht debattiert – sie wurde per Dekret eingesetzt und hat formell die Aufgabe, das „Recht auf den Zugang zu Information und Kommunikation“ der Bevölkerung zu garantieren.
Wie beurteilen Sie die Bilanz der Supercom knapp vier Jahre nach Gründung?
Ich denke, dass die Arbeit der Supercom nicht unbedingt mit dem Kerngedanken des neuen Mediengesetzes vereinbar ist. Das zielt schließlich darauf ab, die Sendefrequenzen und deren Vergabe zu demokratisieren. Dieser Gedanke wird von linken wie indigenen Organisationen begrüßt. Das Dilemma ist nur, dass die Supercom dieses Ziel nicht vorantreibt, sondern stattdessen in den redaktionellen Alltag eingreift. Das ist ein Widerspruch. Denn die Kernidee des Gesetzes ist es, bisher von den Medien ausgeschlossenen Bevölkerungskreisen den Zugang zu Sendefrequenzen zu eröffnen. Da sehe ich wenige Fortschritte.
Hat es denn Initiativen in diesem Bereich gegeben?
Eher nicht. Die Supercom hat sich auf den Aspekt konzentriert, mediale Inhalte unter die Lupe zu nehmen, Defizite aufzuzeigen und Redaktionen über Bußgelder zu einer qualitativ besseren Berichterstattung zu ermahnen. Dazu hat sie im Kontext des Gesetzes durchaus ein Mandat, aber der gesetzliche Kernauftrag ist eigentlich ein Anderer. Daher bin ich der Meinung, dass die Bilanz der Supercom nach rund vier Jahren negativ ist.
Die letzte aufsehenerregende Aktion der Supercom war die Verhängung eines Bußgeldes gegen vier wichtige Zeitungen und drei Fernsehkanäle Ende April, weil die einen Bericht der argentinischen Zeitung Pagina 12 nicht aufgegriffen hatten. Darin wurde über die Beteiligungen des konservative Präsidentschaftskandidat Guillermo Lasso und seiner Familie in 49 Unternehmen in Offshore-Steuerparadiesen berichtet. Kamen die Sanktionen zu Recht?
Ich halte wenig davon, den Medien vorzuschreiben, worüber sie berichten sollen. Doch das versucht die Supercom zu tun. Sie liefert sich Scharmützel mit den großen privaten Medienhäusern wie El Comercio. Ich halte es für notwendig, über die Berichterstattung der privaten Medien zu diskutieren, sich über Mindeststandards Gedanken zu machen, aber ich denke nicht, dass die Supercom dafür das geeignete Instrument ist.
Warum hat die Regierung Rafael Correa nicht auf den Dialog mit den privaten Medienhäusern wie El Comercio gesetzt – wo laut dem Regierungschef eine Autozensur stattfindet?
Das ist die zentrale Frage, die man der bisherigen Regierung stellen muss. Es ist unstrittig, dass es eine Autozensur in den großen Medienhäusern des Landes gibt. Das ist ein Phänomen, das es nicht nur in Ecuador gibt, sondern weltweit. Medien ziehen bestimmte Themen anderen vor, bestimmte Sichtweisen haben Priorität – das ist vielfach zu beobachten. Meiner Meinung nach wäre es besser gewesen, die Debatte zu forcieren, Bürgerkomitees zu initiieren, die sich mit den Medien beschäftigen, die diskutieren, nach welchen Kriterien Berichterstattung erfolgen soll. Das hätte vielleicht andere Effekte gehabt als die Supercom mit ihrer Politik der Bußgelder.
Denken Sie, dass der neue Präsident Lenín Moreno die Supercom auflösen wird, wie vielfach spekuliert wird?
Das weiß ich nicht, aber Lenín Moreno hat deutlich gemacht, dass er das Mediengesetz reformieren will. Und ich würde es begrüßen, wenn die Supercom durch partizipative, bürgernahe Institutionen ersetzt werden würde. Wichtig ist für mich auch die Neuverteilung der Sendefrequenzen, wobei gesellschaftliche Minderheiten und marginalisierte gesellschaftliche Akteure berücksichtigt werden sollten. Das ist die zentrale Herausforderung aus meiner Perspektive.
Carlos Ochoa heißt der Direktor der Supercom, ihm wird eine polarisierende Amtsführung vorgeworfen?
Ich möchte über Carlos Ochoa nicht urteilen, das müssen andere machen.
Hoffen Sie, dass sich der Regierungsstil unter Lenín Moreno ändern wird – weniger Konfrontation, mehr Dialog?
Ja, dass hoffe ich und davon gehe ich auch aus. Präsident Moreno ist gut beraten, seinen integrativen Kurs fortzusetzen. Und er hat mit der Nominierung seines Kabinetts bereits gezeigt, dass er sich mit Vertretern aus unterschiedlichen Lagern an einem Tisch sitzen will. So wurde Humberto Cholango, Ex-Präsident des indigenen Dachverbandes Conaie, als Wasserverantwortlicher ins Ministerium berufen. Mit ihm werden auch Vertreter des konservativen Lagers am Kabinettstisch Platz nehmen. Das ist neu, denn Rafael Correa hatte auf Konsens im Kabinett gesetzt, nicht auf Gegensätze wie Moreno. Das ist ein Beleg für seine Strategie des Dialogs.
Unter Correa scheint Ecuador zur Ruhe gekommen zu sein. Unter Moreno stehen nun vielfältige Reformen an, im sozialen, aber auch im medialen Bereich. Eine beachtliche Herausforderung, oder?
Correa hat Ecuador nach Jahren der Instabilität wieder eine Struktur, eine politische Ordnung gebracht. Sein Verdienst ist es, dem Staat wieder zum regulierenden Element gemacht zu haben –nach Zeiten, in denen der Staat Spielball in der Hand von Wenigen war. Heute ist der Staat wieder derjenige, der die Zukunft des Landes definiert und die Reichtümer zugunsten der Bevölkerung verteilt. Dabei hat sich Correa immer wieder mit den alten Eliten angelegt. Das scheint sich unter Lenín Moreno zu ändern. Zu den aktuellen Herausforderungen gehört auch die Reform des Mediengesetzes.