Twitter, Google, Facebook und unerwünschte Nutzerinhalte
Während Twitter seine länderspezifische Zensur transparent dokumentiert, können Facebook-Nutzer nur rätseln, warum bestimmte Inhalte unterdrückt werden.
Der Microbloggingdienst Twitter kündigte Ende Januar an, eine länderspezifische Zensur einführen zu wollen, was viele im Netz zu dem Schluss brachte: „Eine Twitter-Revolution wird es nicht mehr geben.“ Netzaktivisten, die sich Twitters Vorgehen genauer angesehen habe, finden es allerdings akzeptabel. Wenn früher Twitter aufgrund eines Gerichtsbeschlusses einen Tweet blockierte, war er global nicht mehr verfügbar. Künftig wird dieser Tweet jedoch für Nutzer, die eine IP-Adresse außerhalb des jeweiligen Landes verwenden, sichtbar bleiben. Twitter besteht zudem darauf, ausschließlich aufgrund einer gerichtsfesten rechtlichen Grundlage entscheiden zu wollen und jede erfolgte Zensurmaßnahme – soweit möglich – auf der Website „Chilling Effects“ zu veröffentlichen. Dort veröffentlicht auch Google regelmäßig erfolgte Eingriffe in den Suchindex oder in andere Google-Dienste.
Der Bielefelder Netzaktivist Padeluun, der auch als Sachverständiger für die FDP Mitglied der Internet-Enquete des Bundestags ist, sagt: „Damit wird die Zensur der Kontrolle der Öffentlichkeit unterworfen – eigentlich ist das genau das, was Zensur vermeiden will.“ Er hält die länderspezifische Zensur von Twitter für eine gute Lösung, „weil damit verhindert wird, dass der Dienst in bestimmten Gegenden komplett blockiert wird.“ Twitter-Justiziar Alex Macgillivray erklärte, dass das Unternehmen keine Inhalte filtern werde, bevor sie veröffentlicht werden, sondern nur auf Lösch-Anfragen reagiere. Bislang stammen die meisten Löschanträge von Firmen aus der Unterhaltungsbranche, die in Tweets Urheberrechtsverletzungen sehen. So monierte etwa das Schweizer Fernsehen SRF die Verwendung eines Avatars, also des von einem Twitter-Nutzer benutzten Bilds, weil dieser eine Comedy-Figur verwendet hatte, deren Rechte dem Sender gehören.
Entscheidend ist jedoch, dass Twitter tatsächlich alle Zensurmaßnahmen transparent dokumentiert. Google beispielsweise tut das nicht immer. Im Dezember wurde der Fall eines ägyptischen Menschenrechtlers und Bloggers bekannt, der Folterbilder in seinem Google-Blog veröffentlicht hatte. Der Beitrag wurde von Google gelöscht. Als Erklärung gab das Unternehmen an, dass er Urheberrechte verletzt habe. Bis heute wurde auf „Chilling Effects“ nicht veröffentlicht, wer den Antrag auf Löschung gestellt hat. Netzaktivist Alvar Freude, der für die SPD Sachverständiger in der Internet-Enquete ist, sieht durchaus Schwächen in der Transparenzpolitik von Google. Er denkt, dass die Zensurmaßnahmen nicht genau genug erklärt werden: „Bei Google sind sehr viele Löschmaßnahmen unter der gleichen Kategorie bei Chilling Effects zu finden. Da ist keinerlei Unterscheidung möglich, da steht nur: „Eine Behörde hat uns darauf hingewiesen“.“ Er fordert: „Jeder ausgeblendete Beitrag sollte als solcher mit der dazu gehörenden Begründung gekennzeichnet sein.“
Gleichwohl stehen Google und Twitter in den Augen der Netzaktivisten im Vergleich zu Facebook besser da. Facebook reagiert nämlich auf Hinweise seiner Nutzer wenig transparent. Das Facebook-Team entscheidet entsprechend seiner Community-Regeln, welche Inhalte unterdrückt werden sollen. Padeluun sagt: „Das Unternehmen beruft sich auf Community-Regeln, doch wer hat diese Regeln aufgestellt und wer setzt sie durch? Nutzer werden hier bei der Entscheidung, was zu blockieren ist, nicht direkt einbezogen.“ Das Unternehmen entscheide „völlig intransparent“, weil es an keiner Stelle mitteile, was aus welchen Gründenzensiert wurde.
Unregelmäßigkeiten
Das sorgt mitunter für Verunsicherungen. So beschwerten sich im Oktober Castor-Gegner, dass ihnen die Adminrechte für ihre Facebook-Seiten mit dem Titel „Castor schottern“ entzogen worden waren. Nachdem die taz darüber berichtete, waren sie nach einer 40-stündigen Sperre wieder verfügbar. Ein Facebook-Sprecher behauptete, dass das Netzwerk davon ausgegangen war, dass das Benutzerkonto gefälscht war. Auch mehrere deutsche Occupy-Aktivisten beobachteten Unregelmäßigkeiten: Informatiker Carlo von Loesch administriert schon seit Jahren verschiedene Facebook-Seiten. Während er mit seinen Seiten für Musik-Events nie Probleme hatte, beobachtet er bei seinen Occupy-Seiten immer wieder unerklärliche Unregelmäßigkeiten.
Padeluun kennt diese Diskussionen bereits aus Mailbox-Zeiten. Er erinnert sich: „Damals dachten einige Systemadministratoren, sie könnten darüber bestimmen, welche Nachrichten weitergeleitet werden sollten und welche nicht. Ihre Aufgabe war es aber lediglich, einen technischen Dienst zu liefern.“ Wenn etwas nicht gezeigt werden soll, muss das nach Auffassung von Padeluun aufgrund eines demokratisch legitimierten Verfahrens entschieden werden. Das heißt zum Beispiel, dass man sich nach dem hiesigen Rechtssystem orientieren sollte und auf gerichtlichen Beschlüssen beharrt. Anders ist das vielleicht bei Fragen, die die Community selbst betreffen. Padeluun sieht hier nur eine Lösung: „Bei der Selbstregulierung muss darauf geachtet werden, dass Entscheidungen transparent und unter Einbeziehung gewählter Nutzer getroffen werden – ohne eine Femegerichtsbarkeit zu etablieren.“ Das aber sei bei Facebook nicht der Fall.