Wenig mehr als gepflegte Langeweile

„TV-Duell: Merkel verliert klar gegen Martin Schulz – spd.de“ war in einer Google-Anzeige zu lesen, die zum Spott der SPD-Gegner irrtümlich für Stunden schon Sonntagfrüh geschaltet wurde. Tatsächlich lief die Konfrontation am Sonntagabend eher im Stile eines Duetts ab und endete in einem Patt. Zu wenig für den Herausforderer. Was bleibt: Die Kritik am Kotau der Sender vor Merkel und an einem bizarren, im Grunde anachronistischen Fernsehformat.

Inhaltlich bot das „Duell“ wenig mehr als gepflegte Langeweile. Selten, dass die Kontrahenten sich von den Bausteinen ihrer üblichen Wahlkampfreden lösen konnten. Schulz gab den Sympath aus Würselen und gelegentlich emotionsgeladenen Angreifer. Merkel argumentierte von der Warte der erfahrenen, mit den Großen dieser Welt konferierenden Landesmutter. Wo Schulz gelegentlich punkten konnte (Maut, Türkeipolitik, Musterfeststellungsklage gegen Autohersteller), neutralisierte die Kanzlerin dies mit Verweis auf Konsensabstimmungen innerhalb der Großen Koalition.  Das Ganze krankte daran, dass die wahre Opposition nicht anwesend war. Auf die Frage, ob die SPD im Falle einer Niederlage abermals als Juniorpartner zur Verfügung stehen würde, wich Schulz aus.

Eine einzige Debatte mit zwei Politikern und vier Moderatoren – diese Konstellation war von den Sendern nicht gewünscht und von Teilen der Öffentlichkeit als unzulänglich kritisiert worden. ARD, ZDF, RTL und Sat.1 hatten versucht, die starre Anordnung zumindest ansatzweise aufzulockern. Also: Zwei Debatten statt einer, Aufsplittung der Sendung in zwei Blöcke mit je zwei Moderatoren, Anwesenheit von Studiopublikum. Ziel dieser kleinen Reform: eine klarere Struktur, mehr Raum für Spontaneität und Vertiefung. Bekanntlich scheiterten die Sender an der Blockade von Merkel.

Dass die Privatsender das Spielchen mitmachten, verwundert nicht. Für sie bedeutet allein die gleichberechtigte Teilhabe an dieser Veranstaltung eine Art kurzfristige Aufwertung zum „Informationssender“. Bedenklicher erscheint hingegen das Einknicken der Intendanten von ARD und ZDF. Es habe nur die Wahl zwischen diesem oder gar keinen Duell gegeben, begründet ZDF-Chefredakteur Peter Frey die Hinnahme des Kanzlerinnen-Diktats. Sein Vorgänger Nikolaus Brender, vor Jahren aufgrund von CDU-Pressionen aus dem Job gedrängt, nannte die Sache dagegen beim Namen. Die Einigung sei „sittenwidrig“, da unter Erpressung durch das Kanzleramt zustande gekommen. Als Fernsehformat sei ein TV-Duell in dieser Konfiguration eine „Missgeburt“. Und Bernd Gäbler, Ex-Chef des Grimme-Instituts, urteilte: „Ein Korsett, kein Konzept“.

Unabhängig von der Frage, ob ein, zwei oder drei Debatten, zwei, vier oder sechs Moderatoren: Der Verzicht auf ein interagierendes Saalpublikum, erst recht die nicht erwünschte Einbindung von Reaktionen aus den sozialen Netzwerken stempeln das „TV-Duell“ zu einer nutzlosen Veranstaltung. Einer Pflichtübung, die an den demokratischen Bedürfnissen einer digitalen Gesellschaft völlig vorbei geht. Ob die Sender bis zu den nächsten Wahlen aus dieser Erfahrung Konsequenzen ziehen? Zweifel sind angebracht – die letzten vier Jahre haben sie dafür nicht genutzt!

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