IFA: Produktion 4.0 speziell im Rundfunk

Technik-Direktor Guido Baumhauer von der Deutschen Welle demonstriert Social-Media-Schalten in einer Nachrichtensendung.
Foto: Hermann Haubrich

„Smarte“ Produktionstechnik, Automatisierung und Selbststeuerung haben längst auch im digitalen Rundfunk Einzug gehalten. Um die „Produktion 4.0“ kreiste eine Debatte der Produktions- und Technikkommission von ARD und ZDF (PTKO)  zum Start der diesjährigen Internationalen Funkausstellung in Berlin.

Mit dem Titel wurde der Begriff „Industrie 4.0“ aufgegriffen. Er bezeichnet die Verzahnung der industriellen Produktion mit intelligenter Informations- und Kommunikationstechnik. Auch in der Medienindustrie, speziell im Rundfunk, wächst die Bedeutung dieser Techniken. Das gilt erst recht für ARD und ZDF. „Wir müssen und wir wollen Inhalte noch wirtschaftlicher und noch effizienter herstellen, ohne die programmliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit einzuschränken oder sie gar wirklich zu gefährden“, sagte Patricia Schlesinger, Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB).

Die Anforderungen an ARD und ZDF steigen, gerade auch in Zeiten öffentlich-rechtlicher Sparzwänge. Produktionsmittel und IT verschmelzen. Redaktionen wachsen zusammen – und die Produktion ziehe nach: Rucksackübertragung, Ein-Personen-Teams, VJs, App-basierte Produktion – all das seien längst Elemente des journalistischen Alltags. Wann immer etwas passiere – ein Hochwasser, ein Bahnunglück oder ein Anschlag – schaue das ganze Land auf die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, und das sei auch gut so, findet Schlesinger. Man könne es aber „nicht hinnehmen, wenn dann kommerzielle Anbieter und/oder Passanten tatsächlich via YouTube, Facebook, mit dem i-Phone bereits das on air stellen, bevor unser erstes Team auch nur ansatzweise am Ort des Geschehens ist“.

Die Deutsche Welle lässt bereits Social-Media-Schalten in ihre Nachrichtensendungen einfließen. Technik-Direktor Guido Baumhauer demonstriert dies am Beispiel einer Studio-Moderatorin im Selbstfahrer-Betrieb. Sie steuert eine Kamera ähnlich wie beim Schalten im Auto mit dem Fuß. Gleichzeitig spielt sie mittels Toach-Screen Inhalte ein, die von Usern per Facebook oder Twitter gepostet werden. Diese smarte Produktionsweise schmeckt durchaus nicht allen Mitarbeiter_innen. Die damit verbundenen Veränderungen der Arbeitsbedingungen seien „auch nicht für jeden super. Aber viele, die damit arbeiten, machen das extrem gerne, weil sie damit sehr viel freier die Sendungen gestalten können.“

Key Pousttchi, Professor für Wirtschaftsinformatik und Digitalisierung der Uni Potsdam – forscht über die Verschmelzung der virtuellen und realen Welt durch das Smartphone und andere digitale Medien. Warum, so fragt er,  sind immer mehr Zeitgenossen fast ununterbrochen auf die Displays ihrer mobilen Kleincomputer fixiert? Seine überraschende Erkenntnis: Das permanente Daddeln geht im Grunde auf archaische Überlebenstechniken der Gattung Mensch zurück, auf die Zeit, „als wir vor ein paar Tausend Jahren noch mit unserer Sippe und unserer Keule auf der Schulter – die Damen mit dem Erdbeerkörbchen oder mit dem Pilzkörbchen – durch den Wald gelaufen sind“. Damals habe der Mensch gelernt: „Wenn du nicht in Verbindung mit deinem Stamm bist und wenn du nicht ständig auf dem Laufenden bist, bist du tot.“

Pousttchis Prognose: In den nächsten Jahren werde die Produktion von computergenerierten Inhalten massiv zunehmen. Wie etwa bei der Masse der kleinen Börsentexte, die in vielen Medien schon jetzt automatisch geschrieben werden. Tim Renner, Ex-Kulturstaatssekretär in Berlin und SPD-Kandidat bei den anstehenden Bundestagswahlen, mag das nicht verallgemeinern. Börsentexte seien reine Information. Wo es aber um eine emotionale Ansprache gehe, funktioniere das Serielle nicht unbedingt. Am Beispiel des Streaming-Dienstes Spotify zeigt der ehemalige Musikmanager die Grenzen automatisierter Medienproduktion auf. Spotify funktioniere zwar hervorragend als Schallplattenladen. Aber: „Es ersetzt immer noch keinen Radiomoderator, der Ihnen Hintergründe erklärt, der Sie emotionalisiert.“

Brigit Spanner-Ulmer, Produktions- und Technikdirektorin des Bayerischen Rundfunks, erinnert an den Programmauftrag von ARD und ZDF. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten könnten sich – anders als die Privatkommerziellen – nicht die programmlichen Rosinen herauspicken. Sie seien verpflichtet, die gesamte Vielfalt zu spiegeln, mit entsprechenden Konsequenzen für die Produktion. Es komme darauf an, „die Gesamtheit der Themen so aufzubereiten, dass wir alle Zielgruppen erreichen, dass wir eben auch attraktiv sind, dass wir vielleicht für bestimmte Inhalte eine andere Art des Storytelling wählen“. Nur so, sagt Spanner-Ulmer, könnten ARD und ZDF auch in Zukunft relevant bleiben.

 

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