Feine Jubiläumsschau: Der Bummi wurde 60

Die Bummi-Ausstellung in Schloss Reckahn, Kloster Lenin, läuft noch bis zum 15. Dezember.
Foto: Heike Schulze, Rochow-Museum Schloss Reckahn

Bummi? Jeder der im Osten Aufgewachsenen, den die Autorin ansprach, sang sofort los: „Bummi Bummi brumm brumm brumm …“ Und fragte: Was, den Bummi gibt’s noch? Ja, die traditionsreiche Zeitschrift feiert 60. Geburtstag. Das Rochow-Museum im brandenburgischen Reckahn widmet der einzigen Kinder-Vorschulzeitung der DDR eine – wissenschaftlich begleitete – Sonderschau. Zu sehen ist, was die Marke Bummi ausmacht.

Anstoß zur Gründung einer Zeitschrift für Vorschulkinder war der in der DDR seltene Moment, dass der Verlag „Junge Welt“ Papierkontingente übrig hatte.

Bummi auf dem Tiltelblatt von Heft 2, Jahrgang 1959
Scan: Museum Schloss Reckahn

Der Gedanke, Eltern und Erzieherinnen bei der Vorschulerziehung zu helfen, zwischen dem Spielzeugland und der realen, keinesfalls nur heilen Welt zu vermitteln, wurde für gut – und auch politisch nützlich – gefunden. Humanistische und sozialistische Bildung, politische und ideologische Aspekte wurden kindgerecht verpackt. Namhafte Grafiker illustrierten von Hand und schufen charaktervolle Figuren. Anspruchsvoll gestaltete Hefte sind in der Ausstellung zu sehen. Bei einem Sammler wurden Postkarten gefunden, jede Zuschrift wurde beantwortet, die Bindung zwischen Leserschaft und Redaktion war eng. Soliaktionen z.B. für vietnamesische Kinder fanden große Resonanz. Beigaben wie Bummis klingende Spieltasche mit Schallfolien wurden heiß erwartet.

Wuschelbär als guter Freund

Der gelbe Wuschelbär Bummi ist Generationen von Kindern ans Herz gewachsen. Ein Teddy wurde Markenzeichen, weil den Mädchen und Jungen gleichermaßen gern haben. „Er sollte sich ihrer Probleme annehmen“, erinnerte sich Ursula Böhnke-Kuckhoff, die 32 Jahre lang die Redaktion leitete. Das von ihr im ersten Jahr geschriebene Bummilied mit Musik von Gerd Naumilkat, das bis heute Kinder lernen, bezeichnete sie als „Glaubensbekenntnis“. Es gelte, dass Bummi anderen gut Freund sei und sich um sie sorge.

Bummi „lebte“ nicht schlechthin nur als Zeitung. Kinderkaufhäuser der DDR trugen seinen Namen, es entstanden Filme wie Bummi als Verkehrspolizist, als Zeitungsmacher; Leihservice für Kinderwagen oder Lauflernschuhe hießen Bummi, ein Schiff der Weißen Flotte wurde so getauft. In der Ausstellung ist die Tür eines Bummi-Kindergartens zu sehen, auch die Choreografie der Kinder- und Jugendspartakiade von 1977, zu der 1152 Leipziger Vorschulkinder mit Bummi-Bären tanzten – ein Jahr lang übten sie dafür. Bis heute gibt es einen Bummi-Wettkampf.

Keine Ostalgie-Schau im Sinn

Die Idee zur aktuellen Ausstellung im brandenburgischen Schloss Reckahn – Bildungsort und Museum – entstand während einer Schau zum Thema Kindheit. Kuratorin Jeanette Touissant, freie Ausstellungsmacherin, entdeckte gemeinsam mit Kurator und Filmwissenschaftler Dr. Ralf Forster, stellv. Sammlungsleiter im Potsdamer Filmmuseum, das Potenzial, das in Bummi steckt. Für eine Sonderschau war die Leiterin des Rochow-Museums Dr. Silke Siebrecht-Grabig – selbst auch mit der Zeitschrift aufgewachsen – schnell zu begeistern. Sie kümmerte sich um Finanzierung und Unterstützung, u.a. durch die Bundesstiftung Aufarbeitung, die Akademie für bildungspolitische und zeitdiagnostische Forschung an der Uni Potsdam, das deutsche Rundfunkarchiv, Landesministerien und letztlich den Förderverein Rochow-Museum. Es sei spannend, was gemeinsam mit den engagierten Kuratoren alles gefunden wurde.

Und Bummi mit Mai-Nelke als Bastelbogen aus Heft 4/1972.
Scan: Museum Schloss Reckahn

Nach der Wende wurde der mit dem Zusatz „Das kleine Paradies für Kinder“ versehene Bummi vom Pabel-Moewig Verlag Rastatt übernommen. Vieles, was die Zeitschrift ausmachte, führte Chefredakteurin Sabine Drachsel, die Tochter der Gründungschefredakteurin, fort: Lesegeschichten, Mitmachaktionen, Bastelbögen… Dass Bummi ohne Pause Fuß fassen konnte, war nicht nur Ost-Eltern geschuldet. Bummi-Fans wohnen auch in den alten Bundesländern.

Heute erscheint Bummi in der Stuttgarter Blue Ocean Entertainment AG zusammen mit zahlreichen anderen Kinder- und Jugendzeitschriften. Hefte der neuen Generation mit computergestützter Grafik sind ebenfalls in der Ausstellung vertreten. „Wir hatten keine Ostalgie-Schau im Sinn“, betont Kuratorin Touissant. „Bislang aber fehlte eine solche Ausstellung. Es gab außer einer Dissertation nichts zu Bummi, keine Forschung, keine gesellschaftspolitische Einordnung.“ Jetzt sollen dazu Bibliografie und Archivalien erarbeitet werden. Ein 100seitiger Katalog ist für 15 Euro übers Museum zu beziehen. Jeanette Touissant könnte sich noch mehr vorstellen: „Eine Wanderausstellung, die etwa mit dem Bummi-Schiff durch Deutschland fährt.“


Ausstellung „Bummi zwischen Spielzeugland und sozialistischer Ideologie“ bis 15. Dezember 2017 (Finissage) im Schloß Reckahn, 14797 Kloster Lehnin, täglich außer montags, Begleitprogramm www.rochow-museum.de

 

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

Öffentlichkeit ohne Journalismus

Schwindende Titel, schrumpfende Redaktionen, immer geringere Abonnentenzahlen – dass gerade der Lokaljournalismus vielerorts unter Druck steht, ist nicht neu. Doch was bedeutet das für die lokale Öffentlichkeit, die inzwischen von vielen selbstbewussten Medien-Akteuren mitgestaltet wird? Eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung beschäftigt sich mit genau dieser Frage.
mehr »

Die Medienwende nach dem Mauerfall

35 Jahre nach dem Mauerfall bietet die Medienlandschaft im Osten Deutschlands ein zwiespältiges Bild. Nach wie vor verlieren die von westdeutschen Großverlagen kontrollierten ehemaligen DDR-Traditionstitel überdurchschnittlich an Auflage und Anzeigenvolumen. Der aufgelöste staatliche DDR-Rundfunk ist nach anfänglichem Hickhack erfolgreich in ARD und ZDF integriert. Gescheitert ist indes früh der Traum der Ex-Bürgerrechtler von einem „Dritten“ Medienweg.
mehr »