Grober Unfug mit Rankingspielen

Als im Juli rauskam, dass in den Abstimmungsergebnissen für „Deutschlands Beste!” herumgepfuscht worden war, hatte man beim ZDF nur einen Wunsch: dass möglichst rasch eine neue Sau durchs Dorf getrieben werde. So kam es auch, aber anders, als erhofft: Mehrere ARD-Anstalten mussten einräumen, dass auch sie bei ihren „Ranking-Shows” manipuliert hatten.

Allerdings fragt man sich, was der größere Skandal ist: dass der NDR in jeder sechsten Sendung gemogelt hat; oder dass er seit 2011 in seinem dritten Programm sage und schreibe 212 Shows dieser Art ausgestrahlt hat. Beim WDR fällt das Missverhältnis immerhin etwas kleiner aus, hier ist „nur” jede zehnte Hitliste verändert worden.

Die Gründe, mit denen der NDR sein Vorgehen rechtfertigt, lassen sich sogar nachvollziehen: Mal waren rechtliche Fragen beim Material nicht geklärt, mal hatte man von der einen Gartenanlage einfach schönere Aufnahmen als von der anderen. Mitunter hatten auch Fan-Clubs offenkundig die Abstimmungsergebnisse verfälscht. Eine ähnliche Korrektur hat das ZDF 2007 vorgenommen, als die Rechtsrock-Band „Böhse Onkelz” bei einer Online-Abstimmung auf Platz eins gelandet war. Aus den Erklärungen lässt sich allerdings auch ablesen, warum dieses Genre bei den Sendern so beliebt ist: Alle Anstalten stehen unter einem enormen Spardruck, und da die verwendeten Aufnahmen aus den eigenen Archiven stammen, sind die Ranking-Shows, mit denen sämtliche „Dritten” ihre Sendestrecken füllen, ungleich preiswerter als Neuproduktionen. Deshalb kommt auch keiner der Fernsehdirektoren auf die Idee, den Unfug der Einfachheit halber komplett abzuschaffen. Zwar deuten schon die inflationär verwendeten Superlative (die schönsten, beliebtesten, verrücktesten, bewegendsten, spannendsten etc.) an, wie überschaubar der Informationsgehalt ist, aber aus Sendersicht ist das Preis-/Leistungs-Verhältnis schlicht exzellent, ganz gleich, ob es um Schlösser, Parks, Komiker oder Weihnachtslieder geht.

In den Führungsetagen der Sender ist man übrigens überzeugt, die Zuschauer wüssten sehr genau zwischen Show und Politik zu differenzieren, weshalb sich der Glaubwürdigkeitsverlust in Grenzen halte. Das könnte sich als frommer Wunsch erweisen, wenn’s bei der nächsten Sonntagsfrage im „Politbarometer” des ZDF ungewöhnliche Antworten geben sollte.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Newsfluencer kommen

In Deutschland vertraut eine Mehrheit der Menschen beim Nachrichtenkonsum in der digitalen Welt noch immer mehrheitlich auf klassische Medien. Das ist eine Erkenntnis aus einer im Oktober 2025 veröffentlichten Studie des Reuters Institute. Die britische Denkfabrik wollte herausbekommen, wie Menschen sich im Netz informieren. Dafür sind Personen in 24 Ländern befragt worden.
mehr »

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

Junger Journalismus: Lernen, vernetzen und schützen

Angriffe auf Journalist*innen nehmen zu, online wie auf der Straße. Umso wichtiger, Pressefreiheit nicht nur als Prinzip zu verstehen, sondern sie im Alltag zu verteidigen. Mit diesem Anspruch lud die Jugendpresse Deutschland Anfang November rund 80 junge Medieninteressierte nach Dresden ein. Bei der „YouMeCon kompakt“ ging es um journalistisches Handwerk, Verantwortung und darum, wie man Menschen schützt, die berichten.
mehr »

Lokaljournalismus verliert Quellen

Viele Städte und Gemeinden betreiben inzwischen ihre eigenen Social Media Kanäle und ihre eigene Informationsstrategie. Auch Akteure wie Polizei und Feuerwehr setzen immer mehr auf direkte Kommunikation – was Vorteile hat. Gleichzeitig, so der Verband der Deutschen Zeitungsverleger (VDL), erschwert diese Entwicklung die Arbeit von Lokalkjournalist*innen. Eine Sendung des Deutschlandfunks hat nachgefragt.
mehr »