Keine Zukunft ohne Journalismus

Der erste Mediensalon 2018, den dju in ver.di, DJV Berlin und die Werkstatt für Medienkompetenz meko factory gemeinsam im taz Café in Berlin veranstalten
Foto: Thaisa Mezavilla/meko factory

Beim ersten „Mediensalon“ in diesem Jahr, einer neuen Veranstaltungsreihe von dju in ver.di, DJV und der Werkstatt für Medienkompetenz meko factory, ging es „gleich ums große Ganze, nämlich um die Zukunft des Journalismus“ kündigte dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß in ihrer Begrüßung an. Keinen Grund zur Sorge gab dabei der optimistische Grundtenor der Veranstaltung, den Organisationsforscher Prof. Ayad Al-Ani unter der Parole „Unbedingt durchhalten!“ subsumierte.

Welche Funktion erfüllt Journalismus in Zukunft? Was macht das mit der Glaubwürdigkeit von Journalistinnen und Journalisten und ihren Aufgaben? Und wie kann Journalismus, der noch das hehre Ziel verfolgt, Wächter in der Demokratie zu sein, in Zukunft finanziert werden? Diesen Fragen von Moderatorin Tina Groll stellten sich am 28. Feburar auf dem Panel im vollbesetzten taz-Café in Berlin die freie Journalistin und Social-Media-Expertin Sabrina Markutzyk, die Pressereferentin des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Anja Pasquay, Philipp Schwörbel, Geschäftsführer von Steady Media, Rattana Schicketanz, Redaktionsleiter N24 Online, und Professor Ayad Al-Ani, der am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) auf dem Gebiet der internetbasierten Innovationen forscht.

Preisfrage Paid Content

Schicketanz ist überzeugt, dass die Zeiten für Journalismus und Journalist_innen noch nie so gut gewesen seien wie heute, was offene Räume betrifft. Das Problem: die daran nicht angepassten Geschäftsmodelle der Verlage. Die Vertriebsmöglichkeiten seien besser, glaubt auch Markutzyk, deren Potenzial würde allerdings nicht ausgeschöpft. Der Qualitätsjournalismus habe den Kontakt zu seinen Leser_innen verloren und müsse sich wieder auf direkte Vertriebswege besinnen. Die New York Times habe es vorgemacht und ihre Zuwächse dank der intensiven Nutzung des Newsletter-Tools massiv steigern können. Für die Medien hierzulande gelte es deshalb, sich wieder loyale Communities aufzubauen.

Auf „Communitybuilding“ setzt auch Schwörbel. Er ist überzeugt, dass Medien keine Inhalte verkaufen, sondern Glaubwürdigkeit: „Die Währung ist Vertrauen.“ Das erlange man aber nur durch Transparenz, Kritikfähigkeit und Dialogbereitschaft. Und wer Vertrauen hat, sei auch bereit zu zahlen.

Verlegervertreterin Pasquay stimmte Schwörbels Ausführungen zwar zu, ist allerdings der Meinung, dass ein solches Modell vor allem im kleineren Kreis funktioniert. Für große Medien könne der Aufbau von „Paid Communities“ naturgemäß nur deutlich langsamer vonstatten gehen. Auch hinke der Vergleich mit der New York Times, die auf einen unverhältnismäßig größeren, englischsprachigen Markt zurückgreifen könne. Trotzdem sei die Notwendigkeit, Paid Content Strategien zu entwickeln, „mittlerweile auch beim BDZV angekommen“, beruhigte Pasquay die Anwesenden. Nur müsse man sich, was den Zeitplan betrifft, eben auf einen „Marathon“ einstellen. Leider würde die Mehrheit der Nutzer_innen Inhalte im Netz noch immer als frei zugänglich ohne Kosten betrachten.

Wie innovativ muss Journalismus sein?

Schuld an der aktuellen Misere ist laut Markutzyk und Schwörbel auch die mangelnde Innovationslust der Verlage. „Einfach machen und nicht lamentieren“ gab Schwörbel seine Devise aus. Vor allem die USA lieferten ausreichend Stoff zum Nachahmen. Das Mediennetzwerk „The Young Turcs“ etwa finanziere sich zu je einem Drittel aus YouTube-Werbung, den Beiträgen der Mitglieder und Eigenproduktionen. Markutzyk warf den Verlagen vor, viele Entwicklungen „einfach zu verschlafen“. Sie ist sich sicher: „Wenn es eine Lücke gibt, wird sie immer jemand füllen.“ So zum Beispiel geschehen, als sich die US-Modezeitschrift „Teen Vogue“, die „Vogue“ für junge Frauen, als Reaktion auf den Wahlsieg Trumps plötzlich mit hochpolitischen und sozialkritischen Themen hervortat – und damit einen Nerv traf. Markutzyk glaubt, dass die Chancen für die Verlage künftig vor allem im Bereich Virtual Reality (VR) liegen, eine Technik, mit der komplexe Sachverhalte anschaulich erklärt werden könnten. Natürliche bräuchte man dafür aber Journalistinnen und Journalisten mit neuen, technischen Skills, was wiederum eine Anpassung der Ausbildungsinhalte erfordere. Schicketanz teilt diese Meinung nicht ganz, sieht VR eher mittelfristig als Entwicklung mit Potenzial. Aktuell sollten sich die Verlage seiner Ansicht nach auf Spracherkennungssysteme konzentrieren. Schon jetzt kann etwa YouTube Live-Videos automatisch fast perfekt untertiteln. Das biete den Videoproduzenten die Möglichkeit, sich auch fremdsprachige Märkte zu erschließen.

Pasquay dagegen widerspricht dem Vorwurf der mangelnden Innovationsfreudigkeit. Die Trendstudie des BDZV habe gezeigt, dass die Verlage ihre Einnahmequellen durchaus diversifizieren, die Stärkung des B2B-Bereichs sei dabei ein Standbein unter mehreren. Auch wusste sie zu berichten, dass einige Verlage bereits mit Spracherkennung arbeiten. Das sei neben der Blockchain-Technologie eines der großen Themen. Das „Bocholter-Borkener Volksblatt“ etwa könne man sich seit neuestem auch von Amazons „Alexa“ vorlesen lassen. Ganz bei Markutzyk ist sie allerdings in der Annahme, dass das klassische Berufsbild des Journalisten aufweichen, der Beruf technischer werden wird. Nur müsse das ja nicht schlecht sein. „Dinge verändern sich nun mal.“ Das gehöre zum Geschäft.

Und wie sieht sie jetzt aus, die Zukunft des Journalismus? Al-Ani glaubt, dass sich dessen Chancen künftig entlang dreier Linien entwickeln. Zunächst einmal wird es den erklärenden Journalismus brauchen, der den Bürgerinnen und Bürgern ganz im aufklärerischen Sinne durch Information die Meinungsbildung und damit Teilhabe an der Demokratie ermöglicht. Darüber hinaus prognostiziert der doppelt promovierte Wissenschaftler eine fortschreitende Zergliederung der Gesellschaft in immer mehr Einzelcommunities, die jede für sich durch eigene Medien bedient werden müssten. Und schließlich wird es auch immer einen Journalismus für die Eliten brauchen, so Al-Ani.


Der nächste „Mediensalon“ zum Thema Medien und AfD findet am 28. März im taz Café statt.

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