Journalisten klagen gegen BND-Gesetz

Seit Anfang 2017 ist in Deutschland das neue BND-Gesetz in Kraft. Auf den Weg gebracht worden war die Novelle als Reaktion auf die im Zuge des NSA-Skandals bekannt gewordenen illegalen Überwachungspraktiken des Bundesnachrichtendienstes (BND). Doch anstatt eine Rechtslücke zu schließen, hat die Bundesregierung die grundrechtlich fragwürdige Überwachung von Journalist_innen im Ausland legalisiert. Denn: Anders als das „Artikel 10-Gesetz“ zur Beschränkung der Inlandsüberwachung enthält die BND-Novelle keine Schutzrechte für Journalist_innen und andere Berufsgeheimnisträger_innen.

Raul Olmos ist ein mexikanischer Investigativjournalist. Mit seinen Recherchen hat er gemeinsam mit Kolleg_innen unter anderem enthüllt, wie die mexikanische Regierung an eine Briefkastenfirma 32 Millionen Dollar für eine israelische Malware bezahlte, die allgemein als „Pegasus“ bekannt ist. Der Trojaner wurde benutzt, um Journalist_innen und Menschenrechtler_innen auszuspionieren. Für seine Arbeit sei die Vertraulichkeit der digitalen Kommunikation essentiell, sagt Olmos. Daher mache er sich große Sorgen um das Fortschreiten der globalen Überwachung und um das Inkrafttreten des BND-Gesetzes: „Journalisten müssen das Recht auf geheime Kommunikation haben, denn ohne dieses Recht ist investigativer Journalismus heute fast unmöglich.“

Olmos klagt deshalb gemeinsam mit sieben weiteren Beschwerdeführer_innen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen das neue BND-Gesetz. Unterstützt werden sie von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Klage eingereicht hat, sowie fünf weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter die dju in ver.di und Reporter ohne Grenzen (ROG). „Das neue Gesetz ermöglicht dem BND die Überwachung von Journalistinnen und Journalisten im Ausland sowie ihrer Quellen ohne konkreten Anlass oder Verdacht. Das ist ein schwerwiegender Eingriff in die Pressefreiheit. Für uns als dju in ver.di ist es deshalb selbstverständlich, uns gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in diesem Bündnis zu engagieren“, erklärte dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß. Die ungestörte vertrauliche Kommunikation sei eine Grundbedingung für die Ausübung journalistischer Tätigkeit. Ohne sie könnten der Quellenschutz und das Redaktionsgeheimnis als Garanten von Presse- und Rundfunkfreiheit nicht sichergestellt werden.

Die Klage richte sich gegen die weitreichenden Überwachungsbefugnisse des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND durch das Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung vom 23. Dezember 2016 (BNDG-Novelle), erläutert der Jurist und Vorsitzende der GFF, Dr. Ulf Buermeyer. Das novellierte BND-Gesetz ermögliche es, die Kommunikation von im Ausland lebenden Ausländern anlasslos zu erfassen sowie alle anfallenden Inhalts- und Verkehrsdaten zu erheben und zu verarbeiten. Anders als bei rein inländischen Überwachungsmaßnahmen nach der Strafprozessordnung (z.B. Überwachung von Verdächtigen im Rahmen von organisierter Kriminalität o.ä.), so Buermeyer weiter, brauche der BND für eine solche strategische Ausland-Ausland-Überwachung keinen konkreten Verdacht und auch keinen richterlichen Beschluss. Ebensowenig enthalte die Gesetzesnovelle ­eine Ausnahmeklausel für sensible Personengruppen wie etwa Journalist_innen und ihre Quellen. „Schon zu extrem vagen Zwecken darf der BND Berufsgeheimnisträger_innen überwachen – etwa um ‘Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung’ zu gewinnen. Damit gibt es de facto keinerlei Einschränkung für eine Bespitzelung durch den deutschen Auslandsgeheimdienst. Das ist rechtsstaatlich inakzeptabel, weil so das Telekommunikationsgeheimnis für den BND praktisch nicht mehr gilt.“

Ausdrücklich von der gezielten Überwachung ausgeschlossen sind qua Gesetz nur deutsche Staatsbürger_innen und EU-Institutionen. Vor dem Ausspähen geschützt sind sie deshalb faktisch jedoch nicht. Denn die Novelle ermächtigt den BND auch, die gewonnenen Informationen mit anderen Geheimdiensten zu teilen. Dies legalisiere einen gefährlichen „Ringtausch“, so ROG-Geschäftsführer Christian Mihr, bei dem etwa der BND die Washing­ton Post anzapfen und mit der NSA tauschen könnte, die „im Gegenzug“ deutsche Medien abhöre. Außerdem zeigten Projekte wie die Paradise Papers, dass investigativer Journalismus zunehmend in internationalen Kooperationen entsteht. Zwar darf der BND in solchen Fällen nicht die Journalistin der Süddeutschen Zeitung überwachen, dafür aber den ebenfalls an der Recherche und Auswertung beteiligten Redakteur der Washington Post und damit die gesamte Kommunikation der beiden untereinander. „Wenn der BND ausländische Journalisten überwacht, höhlt er auch das Redaktionsgeheimnis in Deutschland aus“, so Mihr.

Gegen die BND-Novelle klagen deshalb nicht nur ausländische Berufsgeheimnisträger_innen, sondern etwa auch der Deutsche Michael Mörth. Er lebt und arbeitet als Anwalt in Guatemala, wo er ab 2010 mit anderen Kolleginnen und Kollegen das „Anwaltsbüro zur Verteidigung der Menschenrechte“ aufgebaut hat. Dafür arbeiten sie intensiv mit Richtern, Staatsanwälten und Abgeordneten genauso wie mit prominenten Menschenrechtsverteidigern und internationalen Organisationen zusammen. Durch die politische Dimension der zumeist hochsensiblen Fälle könnten auch ausländische Geheimdienste jederzeit ein Interesse haben, seine Kommunikation auszuforschen, vermutet Mörth. Er und die weiteren Kläger_innen hoffen nun, dass Karlsruhe der nahezu schrankenlosen und unkontrollierten Überwachung durch den BND Einhalt gebietet.

Mehr Informationen

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.
mehr »

Safer reporting: Schutzkodex auf der re:publica

Das gesellschaftliche Klima ist eines der ganz großen Themen auf der diesjährigen Digitalmesse re:publica in Berlin. Auch Journalist*innen sind zunehmend Hass und Bedrohungen ausgesetzt – bei der Recherche, auf Demos oder in sozialen Medien. Das gefährdet nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Pressefreiheit insgesamt.  Dagegen hilft der Schutzkodex.
mehr »

„Das Arbeitsklima ist extrem hart“

In der Nahaufnahme für das Jahr 2025 beschäftigt sich Reporter ohne Grenzen (RSF) unter anderem mit der deutschen Berichterstattung zum Gaza-Krieg nach dem Überfall der Hamas auf Israel. Von der Organisation befragte Journalist*innen sprechen über massiven Druck, Selbstzensur und erodierende journalistische Standards. Ein Interview mit Katharina Weiß, Referentin bei Reporter ohne Grenzen Deutschland.
mehr »

AfD-Einstufung zwingt Rundfunkgremien zum Handeln

Das zunächst unter Verschluss gehaltene Gutachten des Verfassungsschutzes, welches zur Einstufung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Partei“ führte, wurde nunmehr durch Medien veröffentlicht. Innenminister Dobrindt ließ zunächst offen, inwiefern juristische Schritte gegen die Veröffentlichung geplant seien. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, begrüßt, dass nun öffentlich über das Zustandekommen der Einstufung diskutiert werden kann.
mehr »