WAZ-Belegschaft nach Grotkamp-Übernahme zuversichtlich
Nun ist es besiegelt: Petra Grotkamp, Tochter des WAZ-Gründers Jakob Funke, ist neue Mehrheitseignerin der WAZ-Mediengruppe. Zusätzlich zu ihren Anteilen von 16,66 Prozent hat Grotkamp, die mit dem langjährigen WAZ-Geschäftsführer Günther Grotkamp verheiratet ist, den 50-Prozent-Anteil der Familie Brost übernommen. Der Kaufpreis wurde offiziell nicht bekannt gegeben, er soll rund 500 Millionen Euro betragen.
Nicht zum Zug gekommen ist der Springer-Konzern, der sich mit einer eigenen Offerte in die WAZ-internen Verhandlungen zwischen den Erben der beiden WAZ-Gründer Erich Brost (Brost Holding) und Jakob Funke (Funke Familiengesellschaft) eingemischt hatte. Zeitgleich mit dem Kauf hat der bisherige Geschäftsführer Bodo Hombach nach zehn Jahren an der Unternehmensspitze alle Geschäftsführungsmandate niedergelegt, er hatte die Brost Holding vertreten. Hombach wird die WAZ-Mediengruppe aber weiterhin im Initiativkreis Ruhr vertreten und beratend zur Verfügung stehen. Seine Zeit bei der WAZ schätzt er selbst in einer Erklärung als „wirtschaftlich und publizistisch erfolgreich“ ein. Als alleiniger Geschäftsführer der Gruppe verbleibt nun Christian Nienhaus.
Nach ersten Aussagen in einem WAZ-Interview will sich die Familie Grotkamp in Zukunft auf das klassische Kerngeschäft mit den regionalen Tageszeitungen konzentrieren. Weitere Einsparungen in den Redaktionen – die WAZ-Gruppe hatte sich in den letzten Jahren von 300 Redakteurinnen und Redakteuren getrennt – hält der 85jährige Günther Grotkamp, der von sich selbst sagt, er habe „in der Tat immer auf die Kosten geachtet“, nicht für „nötig“. Auch im Verlag, dort sind insgesamt nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in den vergangenen drei Jahren 780 Stellen abgebaut worden, soll nicht mehr gestrichen werden. Immer unter der Voraussetzung, dass sich die WAZ-Gruppe mit ihren vier Zeitungstiteln in NRW positiv entwickeln wird. Wovon Grotkamp aber „optimistisch“ ausgeht. An der Ausrichtung der Blätter (Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Neue Ruhr / Neue Rhein Zeitung, Westfälische Rundschau und Westfalenpost) wollen die neuen Mehrheitseigener nichts ändern genauso wenig wie die unterschiedlichen Identitäten der Titel beeinträchtigt werden sollen.
Positive Stimmung
In Teilen der Belegschaft wird die Änderung der Mehrheitsverhältnisse positiv aufgenommen. Zum Beispiel von Erich Kowoll, Fachbereichsvorsitzender des FB 8 im ver.di-Bezirk Westliches Westfalen und stellvertretender Betriebsratsvorsitzender im Druck-und Verlagszentrum in Hagen-Bathey. Er hofft, dass dem Leser „im Ruhrgebiet zukünftig im Lokalteil wieder mehr geboten wird und der Abonnent wieder eine Lokalzeitung wie in der Vergangenheit zugestellt bekommt.“ Davon verspricht er sich auch eine Stabilisierung der Auflage.
Kowoll ist nicht der einzige Arbeitnehmervertreter, der den Eigentümerwechsel bei der WAZ begrüßt. Auch Betriebsräte aus den Zeitungsredaktionen, die nicht namentlich genannt werden wollen, berichten von einer durchweg positiven Stimmung nach der Grotkamp-Übernahme. Insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen, die Grotkamp noch in seiner aktiven Zeit als WAZ-Geschäftsführer erlebt hätten. Damals sei ein Ja noch ein Ja und ein Nein eben ein Nein gewesen. Mit ihr verbunden wird die Hoffnung auf eine „klare Richtung“ und die „Abkehr von den Fensterreden der Vergangenheit“. Insbesondere in den Lokalredaktionen wachse die Zuversicht, dass mit dem Segen der neuen Eigentümer wieder mehr in die Qualität und den Umfang der lokalen Inhalte investiert wird.
Redaktionsalltag bis an die Grenzen der Belastbarkeit
Ansonsten bleibt es in den Belegschaften trotz dieser historischen Zäsur und des heftigen Rauschens im Blätterwald, die der Eigentümerwechsel ausgelöst hat, erstaunlich still. Bei allen Bekenntnissen zur gedruckten Zeitung, die auch vom neuen starken Mann bei der WAZ, dem NRW-Verlagsgeschäftsführer Manfred Braun kommen, scheint der Alltag in den Redaktionen von Arbeitstagen gekennzeichnet zu sein, die zeitweise bis an die Grenzen der Belastbarkeit gehen. Und von teils sinkenden Etats für freie Mitarbeiter. Was den festangestellten das redaktionelle Alltagsgeschäft erschwert und die Einnahmequellen der freien Mitarbeiter weiter versiegen lässt. Jedenfalls hat der Betriebsrat des Zeitungsverlages Westfalen, in dem die Westfälische Rundschau erscheint, im Januar dieses Jahres die Redakteurinnen und Redakteure der Zeitung auf die tariflichen Arbeitszeiten und deren Einhaltung hingewiesen. Der konkrete Hintergrund sei, dass es Redaktionen gebe, die gegenüber dem Vorjahr mit Honorarkürzungen konfrontiert seien. Es könne nicht Aufgabe der Redakteurinnen und Redakteure sein, einen solchen Sachverhalt durch zusätzlichen Zeiteinsatz zu kompensieren, meint der Betriebsrat.
An liquiden Mitteln scheint es der Verlagsgruppe, die das Jahr 2011 bei einem Umsatz von 1,1 Milliarden und einem Gewinn von 110 Millionen Euro abschloss, nicht zu mangeln. Im neu entstehenden Univiertel am Berliner Platz im Zentrum Essens will sich die WAZ-Mediengruppe eine repräsentative Zentrale bauen. Ziel sei „modernsten Anforderungen an ein Medienhaus zu genügen. Auch wenn die Entscheidung für diesen Standort von der Gesellschafterversammlung des Unternehmens nicht ganz WAZ-untypisch erst „in einem mehrere Jahre (!) andauernden Prozess gefunden wurde“ (WAZ vom 22.12.2011), so ist der Neubau der Konzernzentrale vielleicht doch ein Signal für die von Bodo Hombach bei seinem Abschied beschworene „große Chance für eine neue WAZ-Ära in einer im Umbruch befindlichen Medienlandschaft“? Auch im WAZ-Land stirbt die Hoffnung bekanntlich zuletzt!