Auswärtiges Amt regelt seine Nachrichtenversorgung neu – der Preis war offenbar das ausschlaggebende Kriterium
Die dpa klagt gegen die Entscheidung des Auswärtigen Amts, den Vertrag über Nachrichtenversorgung an den Konkurrenten dapd zu vergeben. Ist dpa ein schlechter Verlierer?
Marc Jan Eumann: Im Gegenteil. Es geht um die Frage, wie der Auftrag, den das Auswärtige Amt vergibt, ausgeführt werden kann. Die dpa ist die einzige Agentur in Deutschland, die über ein umfassendes internationales Korrespondentennetz verfügt. Ich finde, sie hat gute Gründe, sehr deutlich zu machen, dass der Preis nicht das ausschlaggebende Kriterium sein kann, um diesen Auftrag angemessen zu erfüllen. Wir können froh sein, dass es in Deutschland einen Wettbewerb zwischen verschieden großen Agenturen gibt. Das ist in vielen anderen Ländern ganz anders, da gibt es in der Regel nur eine Agentur.
Sie halten das Vorgehen des Auswärtigen Amts für eine „marktliberale Fehlentscheidung“? Wieso?
Natürlich ist es extrem aufwändig und kostspielig, ein solches Korrespondentennetz aufrechtzuerhalten. Aber es stellt auch einen hohen Wert für die journalistische Vielfalt dar. Bleibt es bei dieser Entscheidung, kann die dpa nur unter größten Mühen die Qualität des Angebots auch mit Blick auf die fremdsprachigen Nachrichten, etwa auf die spanischen, aufrechterhalten. Mein Vorwurf gegenüber dem Auswärtigen Amt lautet: Man hätte andere Kriterien definieren müssen. Es käme schließlich auch niemand auf die Idee, die Arbeit der Goethe-Institute mit Blick auf die kulturellen Beziehungen einzustellen, weil das Angebot des Institut Francais möglicherweise kostengünstiger ist. Die doppelte Aufgabe, Informationen zu liefern, aber dabei immer die deutsche Perspektive beizubehalten, lässt sich nicht erfüllen, wenn man überhaupt keinen Bezug hat zu diesem Land. Aus diesem Grund kritisiere ich die Entscheidung als marktliberal.
Es fällt auf, dass gleichzeitig auch das Bundespresseamt seine Zahlungen an dapd um eine Million Euro aufgestockt hat?
Auch diesen Vorgang verfolge ich mit großem Interesse. Mir erscheint nicht ganz einsichtig, inwieweit dies durch eine Qualitätssteigerung begründet ist. Der Zusammenschluss von ddp und dem inländischen Dienst von AP hat nach meinen Erkenntnissen bislang nicht zu einer großen Angebotserweiterung geführt.
Ärger gibt es auch weiterhin um das Modell von AFP, die ja ihre Einnahmen zu über 40 Prozent indirekt von staatlicher Seite bezieht. Ist das nicht ein klarer Fall von unlauterem Wettbewerb?
Beim französischen Beispiel handelt es sich nicht um direkte Subventionen. Der französische Staat ist Bezieher von AFP-Leistungen, und zwar sicher in größerem Maße als das etwa in Deutschland der Fall ist. Grundsätzlich gilt: Dadurch, dass staatliche Institutionen Leistungen einer Agentur beziehen, ist deren Unabhängigkeit nicht automatisch in Frage gestellt. Bei AFP verhält es sich mit Blick auf die Gremienstruktur auch noch mal anders. In Deutschland gibt es im guten Sinne eine klare Trennung. Aber ich sehe schon eine Verantwortung der Gesellschaft und damit auch ihrer Akteure, zu schauen: Funktioniert das Wasserwerk der Demokratie? Saubere Informationen sind die Grundlage für jedes demokratische Gemeinwesen, und da sind natürlich auch der Blick von außen und der Blick auf das, was in der Welt passiert, ganz entscheidend.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Frank-Walter Steinmeiner, schlug vor zweieinhalb Jahren ein Stiftungsmodell für dpa vor. Was halten Sie davon?
Es ist offensichtlich, dass das bisherige Geschäftsmodell des Journalismus nicht mehr funktioniert. Auflagen und Anzeigengeschäft gehen zurück. Hundert Jahre lang galt die Faustregel: Zwei Drittel Werbeerlöse, ein Drittel Vertrieb. Inzwischen erzielen die Tageszeitungen mehr Erlöse im Vertrieb als im Anzeigengeschäft. Die wichtigsten Gesellschafter von dpa sind Zeitungsverlage, und Steinmeier hat zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine Diskussion darüber angestoßen, welche Instrumente wir als Gesellschaft brauchen, damit es auch künftig noch Journalismus gibt, und zwar staatsfern, unabhängig, kritisch. Und da ist Stiftung ein Prinzip.
Welche konkreten Modelle wären denkbar?
In den USA und Großbritannien gibt es Stiftungen, die journalistische Recherchen bezahlen, deren Ergebnisse dann kostenlos an Zeitungen abgegeben werden, um bestimmte Qualitätsstandards zu sichern. Wir merken, dass Verlage und Redaktionen immer weniger Budgets haben, um intensiv zu recherchieren. In der NRW-Landesregierung gibt es daher Überlegungen, Recherchestipendien zu etablieren, natürlich staatsfern und unabhängig.
Überlebt Qualitätsjournalismus nur mit öffentlicher Hilfe?
Die Debatte darüber, wie wir in Zukunft Journalismus finanzieren, ist wichtig. Stiftungen können das Geschäftsmodell von Verlagen nicht ersetzen, aber an bestimmten Punkten ergänzen. Wie kann man auf dem kompetitiven Medienmarkt kooperieren, etwa auch zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und den Verlagen? Nicht auf journalistischem Feld, sondern in den Infrastrukturen. Auch das Genossenschaftsmodell der taz ist eine Antwort. In der Schweiz gibt es interessante Initiativen. Dazu gehört auch der Stolz vieler Schweizer, Aktien der Neuen Zürcher Zeitung zu halten, als Vielfaltsbeitrag, ohne jemals eine Rendite daraus zu erzielen. Es liegt im Interesse aller Akteure, dass es weiterhin einen funktionierenden Qualitätsjournalismus in Deutschland gibt.
Das Gespräch führte Günter Herkel