Medienkompetenz gegen Desinformation

Foto: Hermann Haubrich

Der kürzlich von der Bundesregierung vorgelegte Medien- und Kommunikationsbericht 2018 war überfällig. Er enthält ein begrüßenswertes Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und zur Deutschen Welle. Proklamiert wird mehr Medienkompetenz als Waffe gegen Hate Speech, Cybermobbing und Desinformation. Konkrete Handlungsvorschläge bleibt der Bericht allerdings auf  vielen medienpolitischen Baustellen schuldig.

Mehr als 40 Jahre ist es her, seitdem der Bundestag erstmals die Bundesregierung aufgefordert hat, fortlaufend – das heißt, alle vier Jahre – einen Medienbericht zu erstatten. Erschienen ist er eher unregelmäßig, zuletzt im Jahre 2008. Damals war noch Kultur- und Medienstaatsminister Bernd Neumann federführend zuständig. Seine Forderung nach einer „flächendeckenden Bereitstellung von Breitband-Anschlüssen“, um allen Bürgern „Zugang zum Internet und zu qualitativ anspruchsvollen Medienangeboten zu ermöglichen“, erscheint zwar im Grundsatz erfüllt. Aber von der „Weltspitze im Bereich der digitalen Infrastruktur“, in die der Koalitionsvertrag der amtierenden GroKo Deutschland katapultieren will, ist die Republik nach wie vor weit entfernt.

Neumanns Nachfolgerin Monika Grütters – ihr Steckenpferd reitet sie wohl eher im Kulturbereich – präsentierte nun mit einiger Verspätung ihren ersten Bericht. Er basiert auf einem wissenschaftlichen Gutachten des Hans-Bredow-Instituts, in dem die „Entwicklung der Medien in Deutschland zwischen 2013 und 2016“ auf 251 Seiten akribisch nachgezeichnet wird. Allerdings mit Daten, die so ähnlich, teilweise sogar aktueller, auch im jüngsten Bericht „Sicherung der Meinungsvielfalt im digitalen Zeitalter“ der „Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich“ (KEK) nachzulesen sind.

Medientechnologie entscheidend für Kommunikationsprozesse

Einen besonderen Akzent legt der Bericht auf die veränderte Rolle der Medientechnologie. Sie sei längst nicht mehr bloß Infrastruktur für die menschliche Kommunikation, sondern gewinne vielmehr „selbst Relevanz dafür, wie Kommunikationsprozesse verlaufen“. Etwa durch algorithmengestützte Personalisierung von Informationen, durch automatisierte Produktion und Distribution von Inhalten durch Bots oder in Form von Roboterjournalismus. Unabhängig vom Übergang vom analogen zum digitalen Zeitalter blieben die Handlungsziele der Medienpolitik identisch: Eine freie Presse, eine vielfältige Medienlandschaft, eine kritische, informierte Öffentlichkeit und ein lebender Diskurs als „stärkste Garanten für Demokratie und eine freie Gesellschaft“.

Der Bericht ist zuvörderst auch eine Leistungsbilanz der letzten GroKo. So wird die in der vergangenen Legislaturperiode „intensivere Zusammenarbeit“ von Bund und Ländern im Medienbereich gelobt und bekräftigt. Vor allem in der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für globale Plattformbetreiber, dem Umgang mit Sozialen Netzwerken und dem Informationszugang sieht die Regierung  entsprechende „Querschnittsaufgaben“.

Umstrittene Gesetze erfordern Evaluierung

Nicht alle „Leistungen“ verdienen aus gewerkschaftlicher Sicht das Prädikat positiv. Das am 1. Oktober in Kraft getretene „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ bleibt umstritten und harrt noch einer abschließenden Evaluierung. Der Beitrag zum Erhalt der Pressevielfalt erschöpfte sich in den letzten beiden Legislaturperioden im Wesentlichen darin, die Fusionskontrolle zu lockern und den Verlagen mehr Spielraum für Fusionen und Kooperationen zu verschaffen. Dass viele ländliche Regionen beim Ausbau mit schnellem Internet nach wie vor hinterher hinken und selbst Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier unlängst vor einer „digitalen Spaltung“ warnte, muss als Versagen staatlicher Daseinsfürsorge gewertet werden.

Vor allem auf drei Aktionsfeldern sieht die Regierung Handlungsbedarf: bei Hate Speech, der Zugangssicherung zur öffentlichen Kommunikation und der künftigen Rolle öffentlich-rechtlicher Medienangebote. Im Hinblick auf Rundfunkgesetze und die Höhe des Rundfunkbeitrags sind dem Bund aufgrund des föderalen Prinzips enge Grenzen gesetzt. Umso mehr hebt der Bericht die Maßnahmen zur Stärkung der Deutschen Welle hervor. Ihr Etat stieg von 2013-2018 immerhin um 49 Millionen auf rund 326 Millionen Euro. Für 2019 ist eine weitere Steigerung auf 350 Mio. Euro  bereits beschlossen. Gleichzeitig wuchs die Zahl der wöchentlichen Nutzer*innen um über 50 Prozent auf 157 Millionen weltweit. Angesichts der Zunahme internationaler Krisen und „in Zeiten gezielter Desinformation und Propaganda“ soll der Auslandsrundfunk „finanziell deutlich weiter gestärkt werden“.

Beitrag zur Medienvielfalt in Europa

Im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks lobt der Bericht die Umstellung der Rundfunkgebühr auf eine Haushaltsabgabe sowie die Einigung der Länder bei der Reform des Telemedienauftrags. Unterstützung signalisiert die Bundesregierung für Bemühungen, „die Entwicklung von Konkurrenzangeboten zu den bislang US dominierten Plattformen zu befördern“. Damit könnten „nicht nur identitätsstiftende europäische, qualitativ hochwertige Inhalte sichtbarer“ gemacht, sondern auch der europäische digitale Binnenmarkt gestärkt und ein „Beitrag zur Medienvielfalt in Europa“ geleistet werden. Vorsicht angebracht erscheint dagegen bei der Aussage, wonach der öffentlich-rechtliche Funktionsauftrag „nicht zwingend allein durch herkömmliche Rundfunk-Angebote und nicht zwingend von den Rundfunkanstalten selbst eingelöst werden“ müsse. In diesem Zusammenhang ist von einem „Medieninnovationsfonds“ die Rede, „durch den ein Teil des Rundfunkbeitrages auch für die Finanzierung unabhängiger privater Medienproduktionen eingesetzt“ werden könnte. Wie das bei der an anderer Stelle angesprochenen Forderung nach Beitragsstabilität und Einsparpotentialen der Anstalten gelingen soll, bleibt schleierhaft.

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