Weil er mit ihrer Arbeit nicht einverstanden war, hat der Chef der zweitgrößten Oppositionspartei Südafrikas eine bekannte Moderatorin auf Twitter bezichtigt, gegen seine Organisation zu spionieren – und ihre Telefonnummer veröffentlicht. In der Folge überzogen Anhänger der Economic Freedom Fighters (EFF) die Journalistin mit Drohungen von Mord und Vergewaltigung – beileibe nicht das erste Mal, dass Vertreter der Partei gegen Kritiker hetzen.
Für Julius Malema, in der Eigenbezeichnung EFF-Chefkommandierender, war es ein gefundenes Fressen: Die Journalistin Karima Brown, in Südafrika bekannt für ihre kritischen Polit-Talkshows im einzigen frei empfangbaren Privatsender eNCA und im Hörfunk beim Sender Talk Radio 702, hatte sich für die Zusammensetzung eines EFF-Treffens mit Gemeinde-Ältesten interessiert. „Wer sind diese Ältesten, sind sie alle männlich und wie wurden sie ausgewählt“, wollte Brown dazu eigentlich von den eigenen Reportern wissen – schickte die Rechercheanweisung aber versehentlich zurück in die EFF-Whatsapp-Gruppe. Sie bemerkte ihren Fehler zwar bald und löschte den Eintrag, doch da hatte Malema bereits einen Screenshot gemacht, den er wenig später bei Twitter mit seinen 2,3 Millionen Fans teilte. Garniert war der Eintrag des Parteichefs mit Browns privater Telefonnummer und der Behauptung, sie wolle „Maulwürfe schicken“.
Malema befeuerte damit eine seit langem gepflegte Kampagne gegen vermeintlich von politischen Gegnern gesteuerte Journalisten. Dahinter stehen wahlweise angeblich der regierende African National Congress oder sinistre Akteure eines „weißen Monopolkapitals“, die der EFF mit negativer Berichterstattung schaden wollen. Glaubt man dieser Erzählung, dann geht es darum, einen gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel zugunsten der noch immer in großer Armut lebenden schwarzen Bevölkerungsmehrheit zu verhindern. Folgt man den Medienberichten, dann geht es schlicht um Korruptionsskandale, in die Malema und weitere Mitglieder der EFF-Führung verwickelt sein sollen.
Wem die Parteianhänger glauben, daran ließ die prompt folgende Reaktion des Internet-Mobs keinen Zweifel. Tagelang wurde Brown nach der Twitter-Nachricht vom 6. März mit Hass, Beleidigungen, Morddrohungen und übelsten Vergewaltigungsphantasien überzogen. Malema distanzierte sich anschließend zwar von Gewaltandrohungen, verweigerte aber eine Entschuldigung und goss sogar noch weiteres Öl ins Feuer: Brown sei „keine Journalistin“, sondern arbeite dem Geheimdienst zu, behauptete der einstige Vorsitzende der ANC-Jugendliga, freilich ohne dafür Beweise zu liefern.
Nach diesem Muster agiert die EFF häufig. Das Analyse-Portal Daily Maverick hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben mindestens zehn Fälle gezählt, in denen EFF-Politiker und Anhänger Journalist*innen attackiert hatten. Behauptungen rücken dabei an die Stelle von belegbaren Fakten, Vorwürfe gegen eigene Führungskader werden zu Glaubensfragen verklärt, Kritiker persönlich angegriffen. Wer nun an Fake News und Lügenpresseparolen denkt, liegt gar nicht so falsch, nur dass sich hier eine eigentlich linke Partei, die ansonsten eine radikale Landreform zugunsten verarmter Landloser und Verstaatlichungen von Banken und Schlüsselindustrien fordert, der plumpen Aufmerksamkeitsökonomie bedient. Kritiker werden dabei so niedergeschrien, dass der Fokus der Debatte auf die eigenen Themen umschwenkt, auch wenn dies im Falle der EFF Monopolkapitalisten und weiße Rassisten anstelle von Flüchtlingen sind.
Im eigenen Lager hat die Partei damit durchaus Erfolg. Die Umfragewerte vor den Parlamentswahlen am 8. Mai prognostizieren ihr erstmals ein zweistelliges Ergebnis. Doch Südafrikas Journalisten stecken nicht zurück, sondern wehren sich. Die Journalistenvereinigung SANEF, die Malemas jüngsten Tweet scharf verurteilte, hat wegen vorheriger Fälle bereits Ende vergangenen Jahres eine Klage vor dem Equality Court angestrengt, um der EFF persönliche Attacken gegen Journalist*innen zu verbieten. Das Spezialgericht, dessen Schaffung 2003 der ersten demokratischen Verfassung nach Ende der Apartheid entsprang und das sich vor allem mit Fällen von Hetze und Diskriminierung beschäftigen soll, hat zwar noch keinen Verhandlungstermin bekanntgegeben. Doch eines ist bereits klar. Zum ersten Mal wird sich dann in Südafrika ein Gericht mit Internet-Hetzkampagnen und Troll-Armeen als Wahlkampfphänomen befassen.
Brown hat zudem nicht nur wegen der Drohungen Anzeige erstattet, sondern will einem Bericht der Tageszeitung Citizen zufolge die EFF auch vor den Electoral Court zwingen. Letzterer urteilt zu den strikten Wahlgesetzen des Landes – und könnte für die Partei zur ernsten Gefahr werden. Wie der Verfassungsrechtsexperte Pierre de Vos ebenfalls im Daily Maverick erklärte, verbieten die Regularien ausdrücklich auch Äußerungen, die zu Gewaltandrohungen von Anhängern führen „können“. Politiker wie Malema, die das Streichholz an die Lunte zu halten, aber mit der Explosion nichts zu tun haben wollen, bewegen sich demnach auf dünnem Eis. Die möglichen Sanktionen für derlei Verstöße reichen von Geldstrafen bis zum Ausschluss von der Wahl.