Madina Azizi ist Fußballerin, sogar eine der besten in Afghanistan, war Mitglied und Torschützenkönigin der Nationalmannschaft. „In diesem Land kann einen der Tod überall und jederzeit treffen“, sagt die 23jährige. In der Dokumentation „Frauenfußball in Kabul – Ein Tor für die Freiheit“, die am 8. Juni um 19.30 Uhr auf Arte läuft, erzählt sie mit leiser Stimme ihre Geschichte.
Als Madina gegen Korruption, Missbrauch und Misshandlungen junger Sportlerinnen durch die mächtigen Funktionäre des afghanischen Fußballverbands aufbegehrte, musste sie gehen – so wie schon einige andere junge Frauen, die sexuelle Angebote von den männlichen Führungskräften des Verbandes abgelehnt hatten. Seitdem trainiert sie junge Mädchen, die Fußball spielen möchten und setzt sich dafür ein, dass junge Frauen in ihrem Land überhaupt Sport betreiben können. Damit wurde sie zum Vorbild, aber auch zur Hassfigur in einem Land, in dem Gewalt an der Tagesordnung ist und in dem sich Frauen besser nicht allein auf der Straße zeigen. Selbst Morddrohungen hat die 23jährige bereits erhalten.
Auch wenn die afghanische Staatsanwaltschaft sowie die FIFA inzwischen ermitteln und der einflussreiche Präsident des afghanischen Fußballverbands Keramuddin Karim, der selbst beschuldigt wird, minderjährige Fußballerinnen misshandelt und missbraucht zu haben, suspendiert wurde: Die Machtstrukturen in dem muslimisch-patriarchalisch geprägten Land scheinen undurchdringlich. „Ich wusste, dass es sehr gefährlich ist, in dieser Dokumentation mitzumachen, aber ich hatte keine andere Wahl. Es gibt niemanden, dem ich vertrauen kann“, erklärt Madina ihre Motivation. Ihr Ziel: mehr Sportkultur in ihrem Land zu etablieren, damit auch Mädchen Sport treiben können.
„Frauenfußball in Kabul – Ein Tor für die Freiheit“ entstand bereits im letzten Jahr. Der Kölner Produzent Till Derenbach von Zeitsprung hatte zuvor bereits eine Dokumentation über den afghanischen Fußball („Men of Hope“) gemacht: „Im Rahmen der Recherchen haben wir von Madina erfahren, und ihre Geschichte hat uns sehr beeindruckt. Wir wollten unbedingt etwas machen.“ Nach Absprache mit Derenbach begleitete schließlich die aus dem Iran stammende Journalistin Gelareh Kiazand die junge Fußballerin in Kabul unter anderem dabei, wie sie versucht, für die Mädchenmannschaft, die sie trainiert, ein Freundschaftsspiel zu organisieren. Während der zwölftägigen Dreharbeiten ereigneten sich zwei große Anschläge mit vielen Toten, unter anderem eine IS-Attacke auf eine Schule. „Das zeigt, was dort nur innerhalb einer Woche geschehen kann“, so Kiazand. Das Land kannte sie gut, da sie dort von 2010 bis 2013 gelebt hatte. Die Filmemacherin bestätigt: „Es ist dort so schwierig für Frauen, über ihre Unterdrückung zu sprechen. Wenn sie das tun, begeben sie sich in eine bedrohliche Situation.“
Das hat Khalida Popal, die in der Doku ebenfalls zu Wort kommt, schon hinter sich. Die Pionierin des afghanischen Frauenfußballs musste bereits 2011 ihre Heimat verlassen: „Weil mein Leben akut bedroht war. Wenn Du Deine Stimme erhebst, setzt Du Dein Leben aufs Spiel, die Männer haben Angst, ihre Macht zu verlieren.“ Popal lebt jetzt in Dänemark und versucht weiterhin auf die Situation ihrer „Schwestern“ aufmerksam zu machen. Dass jetzt Ermittlungen in Gang gekommen sind, gibt auch ihr Hoffnung: „Vielleicht macht das zukünftig auch anderen Mut, nicht mehr still zu sein, sondern das auszusprechen, was tatsächlich geschieht.“