30. Weltkongress der Internationalen Journalisten-Föderation in Tunis
Zum ersten Mal fand ein Weltkongress der Internationalen Journalisten-Föderation (IJF) in Afrika statt. Und zum ersten Mal wählten die mehr als 250 Delegierten einen Präsidenten, der von diesem Kontinent stammt. Younes M’Jahed aus Marokko folgt auf den Belgier Philippe Leruth, der 2016 von vornherein angekündigt hatte, nur für eine Amtszeit zur Verfügung zu stehen.
„Die IJF war stets die erste Organisation, die uns zu Hilfe geeilt ist. Und sie war immer da, wenn wir sie gebraucht haben.“ Das Statement des Delegierten Jaime José Espina von den Philippinen stand stellvertretend für die Erfahrungen, die viele der Mitgliedsgewerkschaften in 140 Ländern mit der IJF gemacht haben. Wo Pressefreiheit in Gefahr ist und Journalist*innen in ihrer Arbeit behindert werden oder Repressionen ausgesetzt sind, lenkt die IJF internationale Aufmerksamkeit auf das Geschehen und leistet konkrete Hilfe.
Seit Jahren fordert die IJF, dass Polizei und staatliche Stellen für Aufklärung sorgen, wenn Journalist*innen bedroht werden. Dass der Job lebensgefährlich sein kann, müssen Jahr für Jahr viele erfahren. Allein 2018 wurden 94 Kolleg*innen getötet. In neun von zehn Fällen handelte es sich dabei um Lokal-Journalist*innen. Und neunzig Prozent dieser Taten werden nicht entschieden verfolgt und gesühnt. An der Spitze rangieren Länder wie Mexiko, Pakistan und Afghanistan. Aber auch in Europa sind journalistische Recherchen und Berichte oft mit unkalkulierbaren Risiken verbunden. Der Mord an Daphne Caruana Galizia in Malta ist auch nach 20 Monaten noch nicht aufgeklärt.
UN-Konvention unterstützt
Die Teilnehmer*innen des Kongresses in Tunis begrüßten die Anstrengungen der IJF, die sich für eine UN-Konvention zum Schutz von Journalist*innen einsetzt. In einem Schweigemarsch zogen sie vom Tagungshotel zum Sitz der nationalen tunesischen Journalisten-Gewerkschaft SNJT und gedachten der Opfer.
Tunesien war der erste Staat, der sich 2017 bereiterklärt hat, eine entsprechende UN-Konvention zu unterstützen. Inzwischen sind weitere dazugekommen. Präsident Beji Caid Essebsi versichert in einer Rede vor den Teilnehmer*innen: „Es kann keinen demokratischen Staat ohne freie Presse geben.“ Am Beispiel seines Landes sei überdeutlich geworden: „Wir wären nicht, wo wir heute sind, wenn Journalisten nicht ihre Arbeit gemacht hätten.“ In Tunesien müsse niemand mehr fürchten, ins Gefängnis gesteckt zu werden, weil er einen missliebigen Artikel geschrieben habe.
Große Bedeutung messen die Pioniere des arabischen Frühlings den Fragen der Gleichberechtigung von Mann und Frau bei. Essebsi wirbt für gleiche Rechte und betont, dass in Tunesien inzwischen mehr als zwei Drittel der Hochschulabsolventen weiblich sind.
Gleichberechtigung von Frauen eingefordert
Gleichberechtigung im Beruf und in der Gesellschaft: Das sehen die Teilnehmer*innen der Versammlung weltweit längst als überfällig an. In mehreren der mehr als 60 Anträge beim Kongress wurde bemängelt, dass Frauen oft schlechter bezahlt werden und nicht die gleichen Aufstiegschancen haben wie ihre männlichen Kollegen. Die IJF will dazu beitragen, das zu ändern, und eine weltweite Kampagne starten. Beschlossen wurde auch eine Solidaritäts-Adresse an die Schweizer Kolleg*innen, die am 14. Juni (parallel zum letzten Kongresstag) mit öffentlichen Aktionen auf solche Missstände aufmerksam machten. Noch viel stärker als Männer sind weibliche Kolleg*innen Beschimpfungen und Bedrohungen im Netz ausgesetzt.
Für aktive Gewerkschafter ist klar: Ohne gute Arbeitsbedingungen und angemessene Bezahlung leidet auch die Qualität. Alle entsprechenden Aktionen für gute Standards erfahren breite Unterstützung.
Vorgehen der USA gegen Assange kritisiert
In einer einstimmig verabschiedeten Resolution wandten sich die Teinehmer*innen des 30. Weltkongresses der IJF gegen das Auslieferungsersuchen der US-Regierung von Julian Assange: „Die Veröffentlichung lag im öffentlichen Interesse. Dass Julian Assange geheimes Material über US-Einsätze im Irak und Afghanistan durch die Enthüllungsplattform Wikileaks bekannt gemacht hat, war gerechtfertigt.“ Sie betonen: „Dieses Vorgehen bedeutet eine Gefahr für Journalisten und Journalismus überall auf der Welt.“ Es stehe auch im Gegensatz zu Entscheidungen der Richter des US Supreme Courts, die fundamentale Verfassungsrechte schützten. Die Teilnehmer*innen forderten, den Fall vor den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu bringen.
Gremienwahlen
Neben Anträgen und inhaltlichen Debatten spielte auch die Besetzung von Gremien und Ausschüssen eine Rolle. Joachim Kreibich, Mitglied im dju-Bundesvorstand und bisher Vizepräsident der IJF, war wie Präsident Philippe Leruth nicht wieder als reguläres Mitglied angetreten, hat sich aber als Nachrücker für das Executive Committee zur Verfügung gestellt. Kreibich ist Tageszeitungs-Redakteur und Mitglied im Vorstand der Europäischen Jounalisten Föderation (EJF).