Die Verschlossene Auster 2019 von Netzwerk Recherche (nr) geht an die Bayerische Staatsregierung. Mit dem Negativpreis zeichnete die Journalistenvereinigung auf ihrer Konferenz in Hamburg den Informationsblockierer des Jahres aus. Die Begründung des nr-Vorstands: „Die Staatsregierung, getragen von einer Koalition aus CSU und Freien Wählern, blockiert weiterhin die Einführung eines Informationsfreiheitsrechts, wie es in den meisten Bundesländern schon existiert.“
„Vor allem die CSU wehrt sich beständig dagegen, die Aktenschränke der Exekutive zu öffnen. Dabei geht es natürlich um Macht“, sagte Arne Semsrott, Projektleiter für FragDenStaat.de bei der Open Knowledge Foundation Deutschland, in seiner Laudatio auf den Preisträger. Vor einem halben Jahr hätte die frisch gewählte bayerische Regierung die Möglichkeit gehabt, ihr Dasein als Transparenz-Schlusslicht zu beenden, so Semsrott: „Die Koalitionspartner der CSU, die Freien Wähler, hatten in ihrem Wahlprogramm ein Informationsfreiheitsgesetz versprochen. Am Ende der Verhandlungen gab es im Koalitionsvertrag allerdings eine Leerstelle.“
Die Bayerische Staatsregierung verzichtete darauf, den Preis persönlich entgegenzunehmen und eine Dankes- oder Gegenrede zu halten. Oliver Platzer, Sprecher des Innenministeriums, verwies in seiner schriftlichen Antwort auf die bestehenden Auskunftsrechte und begründete, warum die Staatsregierung ein Informationsfreiheitsgesetz ablehnt: „Eine Umsetzung der in Bayern in den vergangenen Jahren bekannten Entwürfe der Opposition zu Informationsfreiheitsgesetzen hätte in unseren Augen hohe Bürokratiekosten verursacht, datenschutzrechtliche Schutzstandards geschwächt, öffentliche und private Belange unzureichend geschützt.“
Mit diesen Bedenken steht Bayern offenbar allein: „Während es im Bund seit inzwischen 13 Jahren ein Informationsfreiheitsgesetz gibt, in den USA seit 53 Jahren, in Schweden gar seit 253 Jahren, lässt der Süden der Republik weiter auf sich warten“, so Arne Semsrott.
In den deutschen Bundesländern fehlt das Recht zur Einsicht in behördliche Akten außer in Bayern nur noch in Sachsen und Niedersachsen – dort ist es aber immerhin in Planung.
Netzwerk Recherche verleiht die Verschlossene Auster seit 2002. Zu den Preisträgern zählen u.a. Facebook, der ADAC, die früheren Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und Otto Schily, Heckler & Koch und die FIFA.
Juan Moreno mit dem „Leuchturm“ ausgezeichnet
Wie M bereits vermeldete hat Netzwerk Recherche den „Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen 2019“ an Juan Moreno verliehen und würdigt damit die Aufdeckung der Relotius-Manipulationen durch den freien Spiegel-Reporter. „Juan Moreno hat seinen journalistischen Kompass und seine Unabhängigkeit beispielhaft bewiesen. Er hat hartnäckig und mutig gegen Widerstände im eigenen Haus recherchiert und dabei viel riskiert – um schließlich zu enthüllen, was lange niemand wahrhaben wollte“, so Julia Stein, Vorsitzende von Netzwerk Recherche. Laudatorin Julia Friedrichs, freie Autorin des Redaktionsteams Docupy, ermutigte dem Beispiel zu folgen und „auf Missstände innerhalb der eigenen Redaktion hinzuweisen – unabhängig von Status als festangestellter oder freier Journalist“. (Nestbeschmutzer)
Berichte über die nr-Jahreskonferenz 2019