Verschlossene Auster geht an Bayern

Arne Semsrott, Projektleiter für FragDenStaat.de bei der Open Knowledge Foundation Deutschland, hält die Laudatio auf den Preisträger der Verschlossenen Auster, die Landesregierung Bayern.
Foto: Nick Jaussi

Die Verschlossene Auster 2019 von Netzwerk Recherche (nr) geht an die Bayerische Staatsregierung. Mit dem Negativpreis zeichnete die Journalistenvereinigung auf ihrer Konferenz in Hamburg den Informationsblockierer des Jahres aus. Die Begründung des nr-Vorstands: „Die Staatsregierung, getragen von einer Koalition aus CSU und Freien Wählern, blockiert weiterhin die Einführung eines Informationsfreiheitsrechts, wie es in den meisten Bundesländern schon existiert.“

„Vor allem die CSU wehrt sich beständig dagegen, die Aktenschränke der Exekutive zu öffnen. Dabei geht es natürlich um Macht“, sagte Arne Semsrott, Projektleiter für FragDenStaat.de bei der Open Knowledge Foundation Deutschland, in seiner Laudatio auf den Preisträger. Vor einem halben Jahr hätte die frisch gewählte bayerische Regierung die Möglichkeit gehabt, ihr Dasein als Transparenz-Schlusslicht zu beenden, so Semsrott: „Die Koalitionspartner der CSU, die Freien Wähler, hatten in ihrem Wahlprogramm ein Informationsfreiheitsgesetz versprochen. Am Ende der Verhandlungen gab es im Koalitionsvertrag allerdings eine Leerstelle.“

Die Bayerische Staatsregierung verzichtete darauf, den Preis persönlich entgegenzunehmen und eine Dankes- oder Gegenrede zu halten. Oliver Platzer, Sprecher des Innenministeriums, verwies in seiner schriftlichen Antwort auf die bestehenden Auskunftsrechte und begründete, warum die Staatsregierung ein Informationsfreiheitsgesetz ablehnt: „Eine Umsetzung der in Bayern in den vergangenen Jahren bekannten Entwürfe der Opposition zu Informationsfreiheitsgesetzen hätte in unseren Augen hohe Bürokratiekosten verursacht, datenschutzrechtliche Schutzstandards geschwächt, öffentliche und private Belange unzureichend geschützt.“

Mit diesen Bedenken steht Bayern offenbar allein: „Während es im Bund seit inzwischen 13 Jahren ein Informationsfreiheitsgesetz gibt, in den USA seit 53 Jahren, in Schweden gar seit 253 Jahren, lässt der Süden der Republik weiter auf sich warten“, so Arne Semsrott.

In den deutschen Bundesländern fehlt das Recht zur Einsicht in behördliche Akten außer in Bayern nur noch in Sachsen und Niedersachsen – dort ist es aber immerhin in Planung.

Netzwerk Recherche verleiht die Verschlossene Auster seit 2002. Zu den Preisträgern zählen u.a. Facebook, der ADAC, die früheren Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und Otto Schily, Heckler & Koch und die FIFA.

Juan Moreno mit dem „Leuchturm“ ausgezeichnet

 

Spiegel-Reporter Juan Moreno zusammen mit Laudatorin Julia Friedrichs bei der Verleihung des „Leuchtturms für besondere publizistische Leistungen 2019“ in Hamburg. Foto: Nick Jaussi

Wie M bereits vermeldete hat Netzwerk Recherche den „Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen 2019“ an Juan Moreno verliehen und würdigt damit die Aufdeckung der Relotius-Manipulationen durch den freien Spiegel-Reporter. „Juan Moreno hat seinen journalistischen Kompass und seine Unabhängigkeit beispielhaft bewiesen. Er hat hartnäckig und mutig gegen Widerstände im eigenen Haus recherchiert und dabei viel riskiert – um schließlich zu enthüllen, was lange niemand wahrhaben wollte“, so Julia Stein, Vorsitzende von Netzwerk Recherche. Laudatorin Julia Friedrichs, freie Autorin des Redaktionsteams Docupy, ermutigte dem Beispiel zu folgen und „auf Missstände innerhalb der eigenen Redaktion hinzuweisen – unabhängig von Status als festangestellter oder freier Journalist“. (Nestbeschmutzer)

Berichte über die nr-Jahreskonferenz 2019

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »