Kuba: Pressearbeit in der Krise

What's on the News? Öffentlicher Hotspot am historischen Plaza Hotel in Havanna Vieja. Foto: 123RF

Kubas unabhängiger Journalismus steckt in der Krise. Auf der einen Seite sind etliche Berichterstatter*innen ausgewandert, auf der anderen ist der Druck von offizieller Seite hoch. Noch gravierender ist, dass Donald Trump die Organisation US-Aid aufgelöst hat, die etliche Redaktionen auf der Insel, aber auch in Honduras, Nicaragua oder  Guatemala unterstützt hat. Verantwortliche Redakteure suchen nun nach anderen Geldgebern.

Das Onlineportal „El Toque“ gehört zu den auf Kuba meistgelesenen unabhängigen Medien. Viele in Kuba orientieren sich daran. Das unabhängige Medium publiziert unter anderem jeden Tag den aktuellen Wechselkurs auf dem kubanischen Schwarzmarkt – der aktuell bei 425 Peso cubano für jeden Euro, bei 385 Peso cubano für jeden US-Dollar und bei 21 Peso cubano für jeden mexikanischen Peso steht.

Redaktionelle Arbeit vom Ausland aus

Fast alle der fest für die Redaktion tätigen Journalist*innen leben allerdings seit den Protesten im Juli 2021, als Tausende in Havanna und rund sechzig anderen Städten des Landes auf die Straße gingen, im Ausland. Damals, so Redaktionsleiter José Jasán Nieves, sei der Druck durch die kubanische Regierung einfach zu groß geworden. Nieves ist nach Miami gezogen, der Rest der Redaktion ist über sieben Ländern verteilt, während sich der Geschäftssitz in Warschau befindet. Nichts Ungewöhnliches in Kubas unabhängiger Medienszene – auch viele erfolgreiche Redaktionen wie El Estornudo, Havana Times oder Periodismo del Barrio wurden zwar in Kuba gegründet, das Gros der Redaktionen befindet sich allerdings aufgrund des staatlichen Drucks im Ausland.

Das 2012 gegründete audiovisuelle Portal Palenque Visión hingegen agiert auf der Insel – derzeit auf „Sparflamme“, wie Rolando Lobaina erklärt. „Als Direktor von Palenque Visión, einer unabhängigen Presseagentur, die Videos und Dokumentationen über die Realität auf Kuba liefert, kann ich meinen acht, neun Korrespondenten derzeit keine Aufträge erteilen, es fehlt an finanzieller Unterstützung“, berichtet der 55-jährige Journalist auf einer Parkbank im Zentrum Havannas.

Kein Geld, keine Berichterstattung

Seit 2012 leitet Lobaina die Agentur, die zwischenzeitlich mit zwanzig Korrespondent*innen auf der Insel präsent war und Video-Reportagen vor allem für Portale in den USA lieferte. „Wir haben erst für TV Martí, später für Cubanet Video-Features, Reportagen und auch ein paar Dokumentationen geliefert. Die wurden in den USA, aber eben auch in Richtung Kuba ausgestrahlt, um die Menschen zu informieren“, erinnert sich der gelernte Informatiker. Er sucht sowohl in Havanna händeringend nach neuen Auftraggeber*innen als auch im Ausland.

Lobaina wurde in Baracoa geboren, wuchs in Guantánamo auf, wo er bis vor ein paar Monaten auch lebte. Nun ist er im Stadtviertel Marianao in Havanna untergekommen und versucht von hier aus Aufträge für Palenque Visión zu ergattern. Einer seiner Söhne begleitet ihn heute, zwei weitere leben im Exil. Nachdenklich blickt Lobaina in sein Mobiltelefon und zieht frustriert die Stirn in Falten. Keine positive Nachricht aus Tschechien oder aus einem anderen europäischen Land, wo er versucht hat, Kontakte zu knüpfen, um das Ende von US-Aid und anderer US-Finanzquellen zu kompensieren. „Seit Donald Trump im Januar US-Aid geschlossen hat, fließt kaum noch Geld in die unabhängige Medienszene in Kuba. Wir befinden uns in einer prekären Situation, obwohl gerade jetzt Berichterstattung über die soziale Misere, die Stromausfälle und die ökonomische Krise wichtig wäre“, klagt Lobaina.

Spenden statt regelmäßige Hilfen

Laut „Reporter ohne Grenzen“ floss 2023 über US-Aid Unterstützung an weltweit 6200 Journalist*innen und 707 unabhängige Medienportale, darunter etliche Radios und Produktionsanstalten wie Palenque Visión. Hinzu kamen 279 zivilgesellschaftliche Organisationen, die nun allesamt auf dem Trocken sitzen.

Doch es war nicht nur US-Aid, die Gelder an alternative Medien verteilte, auch die National Endowment for Democracy (NED) war eine wichtige Finanzquelle. Über sie hat beispielsweise „El Toque“ Mittel erhalten, die nun ausbleiben. „Folgerichtig mussten wir 15 Stellen abbauen, konnten Verträge nicht verlängern“, so José Jasán Nieves. Mittlerweile fließen zwar Spenden über Paypal, aber die Situation sei sehr schwierig.

Iván García ist einer der dienstältesten, unabhängigen kubanischen Journalisten und arbeitet als Korrespondent für „El Diarío Las Amerícas“ aus Miami. „Kaum ein Kollege oder eine Kollegin verdient derzeit mehr als 150 US-Dollar im Monat, die Millionen von US-Aid fehlen hier, aber auch in Honduras, Nicaragua oder Guatemala. Wir verlieren kritische Medienportale. Sie schließen oder gehen ins Ausland“, erklärt der 59-jährige mit sorgenvoller Miene.

Haftstrafen für Journalisten

Auch bei Palenque Visión werden derzeit monatlich nur zwei Reportagen für Cubanet, das älteste kubanische Medienportal, produziert. Mehr ist nicht drin. Zudem steht Lobaina unter Beobachtung der Behörden, die ihn immer mal wieder festhalten, damit er nicht an einer Demonstration teilnimmt und dann berichtet.

„Mehrere Gesetze, darunter das zur sozialen Kommunikation, verbieten de facto alle Medien, die nicht mit der kommunistischen Partei Kubas (PCC) verbunden sind“, erklärt Lobaina. „Die Arbeit unabhängiger Journalisten ist spätestens mit diesem Gesetz illegal, wir werden kriminalisiert und dafür bietet das neue Strafgesetzbuch viele Handhaben“, so der Familienvater, dessen jüngster Sohn neben ihm die Stirn missbilligend in Falten legt. Zwei Journalisten von Palenque Visión wurden zuletzt in Camagüey im Zentrum Kubas zu vier beziehungsweise drei Jahren Haft verurteilt, berichtet Lobaina. Auch er selbst saß schon im Gefängnis. Düstere Aussichten für Medienschaffende auf der Karibikinsel.

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