Mitte August wird das neue kubanische Strafgesetzbuch in Kraft treten. Für Kubas unabhängige Journalist*innen und Redaktionen wie „14ymedio“ oder „El Toque“ ist das eine schlechte Nachricht. Das neue Strafgesetzbuch verbietet die Finanzierung unabhängiger Medien in Kuba aus dem Ausland. Ein weiterer Schlag gegen die unabhängige Berichterstattung von der Insel, bei denen die Proteste am 11. Juli vergangenen Jahres und ihre Niederschlagung ebenso Thema waren wie die aktuellen Demonstrationen gegen Stromabschaltungen.
Diesmal gab es eine offizielle Ansage. „Ich wurde am 8. Juli von der Staatssicherheit ganz offiziell vorgeladen und mir wurde mitgeteilt, dass ich am 11., 12. und 13. Juli das Haus nicht verlassen dürfe. Ein Wachposten würde das verhindern“, erinnert sich Luz Escobar. Die 45-jährige Journalistin kennt das Procedere. Sie ist schon dutzende Male unter Hausarrest gestellt worden. Am Tag der Menschenrechte am 10. Dezember, am Internationalen Tag der Pressefreiheit, dem 3. Mai, und rund um den 11. Juli 2021 konnte die Mutter zweier Mädchen von zwölf und 14 Jahren ihr Wohnung in einem Hochhaus mit Blick auf den Platz der Revolution in Havanna 17 Tage nicht verlassen. „Arresto Domiciliario“ heißt das in Kuba, doch diesen Hausarrest gab es bis zum 15. Mai nicht im Strafgesetzbuch.
An diesem Tag stimmte das kubanische Parlament dem neuen Código Penal einstimmig zu. Nun wird Hausarrest auch ganz offiziell verhängt und nicht mehr wie zuvor einfach ohne Vorankündigung und rechtliche Basis angeordnet. „Das ist neu und die Polizei und die Staatssicherheit scheinen sich bereits im Vorfeld auf das neue Strafgesetzbuch zu beziehen“, so Escobar. Das tritt am 15. August, neunzig Tage nach der Parlamentsabstimmung und der anschließenden Veröffentlichung im offiziellen Mitteilungsblatt der kubanischen Regierung, der „Gaceta Oficial“, in Kraft.
Für unabhängige Journalist:innen und Redaktionen wie „14ymedio“, für die Luz Escobar arbeitet, ist das neue Strafgesetzbuch ein Damoklesschwert, weil es versucht, unabhängigem Journalismus den Stecker zu ziehen. „Fortan ist es ganz offiziell ein Delikt, für ein unabhängiges Medium in Kuba zu arbeiten“, so Escobar. Sie bezieht sich auf den Artikel 143, der Haftstrafen von vier bis zehn Jahren für Menschen vorsieht, die Geld für ihre Arbeit aus dem Ausland beziehen. Das ist nicht nur die Regel bei Nichtregierungsorganisationen im Umwelt- oder Menschenrechtsbereich, sondern auch bei den rund zwei Dutzend unabhängigen Redaktionen, die aus Kuba berichten.
Zurück zum staatlichen Medienmonopol
„Die machen sichtbar, was in Kuba passiert. Sie sind das Fenster nach draußen, das geschlossen werden soll“, so Tania Burguera. Die Kunstaktivistin, derzeit mit dem kubanischen Kunstkollektiv INSTAR auf der Documenta in Kassel präsent, kritisiert seit Jahren das Vorgehen der kubanischen Regierung gegen unabhängige, alternative Strukturen in Kunst und Medien. „Dieses Strafgesetzbuch ist die letzte Patrone einer repressiven Regierung und wird trotzdem die kubanische Gesellschaft nicht mundtot machen. Sie werden damit nicht durchkommen“, prognostiziert die 1968 geborene Gründerin des „Instituts für Kunstaktivismus Hannah Arendt“. Über Crowdfunding hat sie die Mittel für die Gründung des Instituts 2015 generiert. Schon damals versuchten die kubanischen Behörden, das Institut als aus dem Ausland finanziert zu kriminalisieren.
Mittlerweile ist das Institut im Elternhaus von Bruguera in Havannas Altstadt verrammelt, online aber überaus aktiv. Dieses Schicksal droht auch Redaktionen wie „El Toque“, „El Estornudo“, „Periodismo del Barrio“ und rund zwei Dutzend weiteren Online-Medien. In Kuba werden deren Portale zwar blockiert, aber über moderne Apps und VPN-Software lässt sich das umgehen. Das hat dazu geführt, dass die Zahl der Leser:innen auf der Insel steigt. Das soll sich mit dem Código Penal anscheinend ändern, so Luz Escobar. „In Kuba wird der Beruf des unabhängigen Journalisten abgeschafft“, kritisiert sie. „Wir sind unbequem, werden permanent unter Druck gesetzt und viele sind bereits gegangen.“ Wie Abraham Jiménez Enoa, Kolumnist der „Washington Post“ und Mitgründer des Online-Magazins „El Estornudo“. Ende 2021 ging er ins Exil nach Spanien, wo er vor wenigen Wochen mit dem „Internationalen Preis für Pressefreiheit“ des Komitees zur Verteidigung von Journalist*innen (CPJ) ausgezeichnet wurde.
Derartige Preise, so Luz Escobar, machen sichtbar, helfen aber nur begrenzt gegen Angriffe der Behörden. Sie hat im Mai den internationalen Journalist*innenpreis der spanischen Tageszeitung „El Mundo“ erhalten, weiß aber nicht, wie es ab Mitte August für sie und „14ymedio“ weitergeht. Derweil nehmen die Proteste in Kuba wieder zu. In Santiago de Cuba und in der Nähe von Pinar del Río gingen in den letzten Wochen mehrfach Menschen wegen der wiederkehrenden Stromabschaltungen auf die Straße. Luz Escobar hat dazu auf ihrer Facebook-Seite mehrere Artikel verlinkt. Auch das ließe sich mit dem neuen Código Penal sanktionieren. Den hat die Interamerikanische Pressegesellschaft (SIP) als „reaktionär“ bezeichnet. Die kubanischen Behörden seien auf einer Reise in die Vergangenheit, so SIP-Präsident Jorge Canahuati. Zurück zum sozialistischen Medienmonopol scheint die Devise in Havanna.