Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

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Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.

M hat bei einigen aktuellen Gleichstellungsbeauftragten nachgefragt, inwiefern sie ihre Tätigkeit als wirksamen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit erfahren. Aus den Antworten von SWR, NDR und BR ergibt sich ein vielschichtiges Bild im Hinblick darauf, wie erfolgreich entsprechende Maßnahmen der Sender sind.

NDR: „Diversity-Checkliste“ und mehr Bewusstsein

Der NDR ist seit 2008 Mitglied der Charta der Vielfalt, die sich für Diversität in der Arbeitswelt einsetzt und seitdem von über 6000 Unternehmen unterzeichnet wurde, berichtet Gleichstellungsbeauftragte Nicole Schmutte. Auf ihre Initiative hin ist der Sender seit 2022 auch aktiv bei der 50:50 Challenge der BBC dabei. Der NDR verfügt über eine Expert*innendatenbank, die „regelmäßig neue, qualifizierte Expertinnen aufnimmt, um im Programm geschlechtergerecht aufgestellt zu sein“, erklärt Schmutte. Weiterhin gibt es eine „Diversity-Checkliste“ für alle Programmverantwortlichen. Broschüren wie „Sprache schafft Bewusstsein“ oder „Bilder schaffen Bewusstsein“ sollen für Vielfalt auch im Programm sensibilisieren und geben als Leitplanken für Gleichstellung und Diversität zugleich einen Einblick, wie das konkret aussehen kann. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen sei im NDR mit 46 Prozent (Ende 2023) übrigens deutlich höher als in vielen anderen Unternehmen, betont die Gleichstellungsbeauftragte.

SWR: Auswertungen stärken Effizienz

Auch der SWR hat die Charta der Vielfalt gezeichnet und beteiligt sich an der 50:50 Challenge, erklären dessen „Beauftragte für Chancengleichheit“ Ingalena Klute, Cornelia Kuhn-Lorenz und Ute Zimmer. Der SWR hat dafür extra einen „Manager für Vielfalt und Integration“ – aktuell Stephan Lenhardt – eingesetzt. Anhand regelmäßiger Auswertungen werde die Effizienz beider Verpflichtungen geprüft. „Fakt ist, je länger Teams zählen und Auswertungen thematisieren, desto effektiver die Challenge“, stellen die SWR-Mitarbeiter*innen fest.

Auch die Mentoring- und Tandem-Programme im SWR zielen darauf ab, mehr Frauen in Führung zu bringen. „Unabhängig vom Geschlecht achten wir im SWR darauf, Menschen in ihrer Führungsentwicklung zu unterstützen, die sich der Diversität und Zielen der Gleichstellung verpflichtet fühlen. So fördern wir neben Frauen insgesamt Führungskompetenzen, die wir mit Blick auf Gleichstellungsfragen für essenziell halten“, betonen die Beauftragten.

HR: Mehr weibliche Führungskräfte

Beim Hessischen Rundfunk stellt es sich ähnlich dar: Führungsmentoring-Programme für Frauen, um diese für Führungspositionen zu begeistern und auch um weibliche Führungskräfte besser zu qualifizieren. „Die Programme haben einen positiven Effekt und tragen maßgeblich zur Umsetzung unserer Ziele im Gleichstellungsplan bei”, berichtet die Gleichstellungs- und Diversitätsbeauftragte Nadja Götz. Was die Charta der Vielfalt und die 50:50-Challenge anbetrifft, stellt sie klar: „Eine Unterschrift ist erstmal nur eine Unterschrift. Entscheidend ist, was in Bezug auf Diversität und Diversity vom Management dann tatsächlich umgesetzt wird. Im letzten Jahr hat der HR dazu richtig Fahrt aufgenommen und ein ganzheitliches Konzept entwickelt, das jetzt umgesetzt wird“, erklärt Götz.

„Damit wollen wir das Bewusstsein für Diversität im HR weiter stärken und Strukturen festigen, die ein kontinuierliches Arbeiten und Lernen dazu ermöglichen. Als öffentlich-rechtliche Institution ist es unser Auftrag, allen Menschen ein Programmangebot zu machen – und dafür ist es maßgeblich, die Vielfalt ihrer unterschiedlichen Lebensrealitäten zu verstehen und abzubilden. Auch das 50:50-Project trägt dazu bei, einen diversitätsbewussten Journalismus zu fördern. Die kontinuierlich teilnehmenden Redaktionen beim HR nutzen die Challenge erfolgreich.” Die Teilnahme sei aber freiwillig und es nehmen derzeit noch nicht alle HR-Redaktionen daran teil.

Beim HR habe die Anerkennung und das Verständnis der Rolle der Gleichstellungsbeauftragten und auch die eigene Verantwortung zum Thema „besonders bei den Führungskräften in den letzten Jahren zugenommen“, befindet Nadja Götz. „Mit der Rolle der Gleichstellungsbeauftragten sind Beteiligungs-, Initiativ- und Widerspruchsrechte verbunden, die wir wahrnehmen“, so Götz. Es finden unter anderem verpflichtende Schulungen zum Hessischen Gleichberechtigungsgesetz (HGlG) und zum Gleichstellungsplan sowie zu den Pflichten als Führungskraft im Umgang mit sexueller Belästigung statt. Fachlich unabhängig und direkt der Intendanz zugeordnet, unterstützen die Beauftragte und ihre Stellvertreterinnen den HR demnach bezüglich der Umsetzung des HGlG oder des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Hinblick auf die Diskriminierung des Geschlechts und das Verbot der sexuellen Belästigung. Jährlich werde die Gleichstellungsbeauftragte in mehreren Fällen von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beratend tätig, so Götz. Auch andere Diskriminierungsfälle treten vereinzelt auf. Die Beauftragte unterstütze Betroffene und setze sich für Lösungen ein.

BR: Gleichstellungsbeauftragte in Vorstellungsgesprächen

Die Gleichstellungsbeauftragten des Bayerischen Rundfunks, Christine König und Florian Steinert, „erleben die Gleichstellungsarbeit im Unternehmen als sehr modern und effektiv“, wie sie beschreiben. Zum ersten Mal arbeiten sie seit 2023 im Tandem und gleichzeitig ist mit Steinert auch erstmals ein Mann in diesem Amt tätig. Dies gewährleiste das Einbringen verschiedener Kompetenzen und Sichtweisen.

König und Steinert berichten aus der konkreten Praxis: „In Bereichen des BR, in denen Frauen bisher unterrepräsentiert sind, nehmen die Gleichstellungsbeauftragten an Vorstellungsgesprächen teil. In diesen Bereichen wird auch schon in den Stellenausschreibungen betont, dass bei gleicher Eignung Frauen den Vorzug erhalten. Gelingt eine Besetzung mit einer Frau in solchen Fällen nicht, muss dies von der zuständigen Abteilung in einer begründenden Stellungnahme dokumentiert werden, die auch den Gleichstellungsbeauftragten und dem Personalrat vorzulegen ist.“

Der BR hat zudem ein Gleichstellungskonzept mit verbindlichen Zielsetzungen zur Chancengleichheit und zahlreiche maßgeschneiderte Instrumente aufgesetzt (Konzept „Frauen in Führung“, Mentoring-Programme, Coaching, Förderung familienfreundliche Arbeitsbedingungen, Sichtbarmachen von weiblichem Nachwuchs). Die Umsetzung wird durch Vertreter*innen aller Direktionen, dem Personalrat und den Gleichstellungsbeauftragten stringent verfolgt. All dies wirke sich de facto positiv auf die Besetzungen aus: Die Quote der Frauen in Führungspositionen steige seit Jahren, und hat im Jahr 2023, dem jüngsten statistisch bereits vollständig ausgewerteten Jahr, mit 41,3 Prozent den Höchstwert erreicht, so König.

Allgemeine Gleichbehandlung von der Ausschreibung an

Auch wenn nicht in allen Sendern Statistiken erhoben werden: Praxisfälle in der Gleichstellungsarbeit tangieren immer wieder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), stellen andere Beauftragte fest. Vor allem Bewerbungsprozesse, so Nicole Schmutte, beginnend mit der Stellenausschreibung, müssen deshalb bereits diskriminierungsfrei gestaltet sein. Das sei im NDR entsprechend geregelt und „wird so umgesetzt“ – „Unsere Stellenausschreibungen weisen sogar ausdrücklich darauf hin, dass Vielfalt erwünscht ist“, erklärt die Beauftragte.

 

 

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