Medien: Kriminalität oft falsch eingeordnet

Das Verhältnis von Journalist*innen und Polizei ist ambivalent und eine ungeprüfte Übernahme von Polizeimitteilungen eine Vernachlässigung journalistischer Standards Foto: AdoraPress/M. Golejewski

Die Journalistin Sonja Peteranderl beschreibt, dass und wie Medien oft voreingenommen über Kriminalität berichten, Polizeimeldungen ungeprüft übernehmen und Tätergruppen ungleich darstellen. Am Beispiel der tödlichen Polizeischüsse auf Lorenz A. in Oldenburg zeige sich, wie unter anderem rassistische Narrative durch unkritischen Journalismus verstärkt werden können.

Die Journalistin erklärt auf dem Portal „Journalist“ in ihrem Beitrag „Die Verbrechen der Anderen“, dass insbesondere Menschen mit Migrationsgeschichte häufiger stigmatisiert würden, wenn es darum geht, über Kriminalität zu berichten. Der Grund: Bei der Berichterstattung über Sicherheit, Kriminalität und Polizei legen Medien je nach Tat, Täter*innen und Opfer teils bewusst, teils unbewusst unterschiedliche Maßstäbe an – und machen immer wieder Fehler.

Polizeimeldung ungeprüft übernommen

Unter anderem werden gerade Polizeimeldungen oft fehlerhaft oder ungeprüft wiedergegeben. Politiker*innen oder Polizei-Lobbyist*innen bekommen medialen Raum, machen populistische Aussagen, ohne dass Journalist*innen das kritisch einordnen. Ausserdem werden Diskriminierung und Polizeigewalt gegen marginalisierte Menschen oft nicht genug hinterfragt, obwohl es Aufgabe journalistischer Arbeit ist, diese Zusammenhänge zu erläutern.

Peterandl klärt in Gesprächen mit verschiedenen Expert*innen, darunter Tobias Singelnstein, Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Goethe-Universität in Frankfurt und die Journalistin Gilda Sahebi, wie verzerrte, politisierte Kriminalitätsdebatten auch durch das Erstarken der AfD in den vergangenen Jahren massiv an Dynamik gewonnen haben. Gerade in diesem Zusammenhang muss die Berichterstattung über Kriminalität berücksichtigen, dass die Dramatik und Emotionalität, die Verbrechen zweifelsohne innewohnt, immer auch eine politische Dimension hat.

Warum es zum journalistischen Standard gehöre, auch die Mitteilungen von als seriös eingeordneten Quellen wie Behördensprecher*innen nicht im Copy-and-Paste-Verfahren zu übernehmen, begründet Peterandl fundiert und entlang zahlreicher Beispiele. Vielmehr müsse es anhand zahlreicher dokumentierter Fälle von Polizeigewalt mit zum Teil tödlichen Folgen eine kritische Auseinandersetzung mit Polizeiarbeit geben. Besonders, da es die Behörde in der Regel konsequent vermeidet, diese kritisch aufzuarbeiten – juristische Folgen müssen gewalttätige Polizist*innen in Deutschland nach wie vor selten fürchten.


Mehr dazu: Kriminalität nicht mit Migration verknüpfen – M – Menschen Machen Medien (ver.di)

 

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