Der Juli ist Urlaubszeit, aber auch Verhandlungszeit. Nach zehn zähen Verhandlungsrunden mit den Zeitungsverlegern und mehrfachen Warnstreiks, hat die dju in ver.di endlich einen Abschluss für Tausende von Journalisten in ganz Deutschland erreichen können. Einer der beim Tarifvertrag mitverhandelte, ist Peter Freitag, Co-Vorsitzender der dju in ver.di und Redakteur für Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnische Rundschau.
Wieso waren die Tarifverhandlungen dieses Mal so extrem zäh und nervenaufreibend?
Die Verhandlungen waren so zäh, weil der BDZV wie in vielen vorangegangenen Tarifrunden wieder mal vor allem die Tätigkeit von uns Journalist*innen abwerten wollte, anstatt unsere Arbeit nach Jahren des Reallohnverlusts und starker Inflation durch angemessene Gehalts- und Honorarsteigerungen anzuerkennen. Wir mussten deshalb mit bundesweiten Warnstreiks in mehr als 30 Zeitungsredaktionen zunächst mal über Wochen erheblichen Druck auf die Arbeitgeber aufbauen, bevor man dort dazu bereit war, ernsthaft zu verhandeln. Zudem hat das mittlerweile ritualisierte Jammern über die angeblich so schlechte wirtschaftliche Lage der Verlage und über den Koalitionsvertrag von CDU und SPD viel Zeit gekostet. Beim BDZV ist das leider Brauchtum.
Sind die beteiligen Journalist*innen aus 36 Verlagen zufrieden mit dem Ergebnis, das ohne ihre Streiks in den Redaktionen sicherlich nicht erreicht worden wäre?
Da es ja vor den Streiks keine Urabstimmung gab, muss das Verhandlungsergebnis rein formal nicht durch eine Abstimmung unserer Mitglieder gebilligt werden. Trotzdem haben wir in den vergangenen Tagen in persönlichen Gesprächen und durch Rückmeldungen von den Aktivengruppen aus den Betrieben positive Signale erhalten. Die Kolleg*innen sind zufrieden, dass es ein deutliches Lohn- und Gehaltsplus gibt. Dieses Signal kommt übrigens auch aus jenen Belegschaften, die besonders engagiert gestreikt haben. Das werte ich als klare Bestätigung, dass wir es als Verhandler*innen nicht schlecht gemacht haben. Allerdings steht die offizielle Billigung des Abschlusses durch die Tarifkommissionen von dju und DJV und das entsprechende Gremium im BDZV noch aus.
Was sieht der Abschluss konkret vor?
Das Wichtigste ist, dass Feste und Freie deutlich mehr Geld bekommen. Rückwirkend zum 1. März 2025 steigen alle Gehälter um einen Festbetrag von 100 Euro, rückwirkend zum 1. Mai kommen nochmal 90 Euro drauf. Voraussichtlich mit den August-Abrechnungen wird es die entsprechenden Nachzahlungen von 770 Euro geben. Eine weitere Honorar- und Gehaltserhöhung um drei Prozent haben wir zum 1. Februar 2026 vereinbart, eine weitere Festbetragserhöhung in Höhe von 110 Euro zum 1. Februar 2027. Für die zugegebenermaßen lange Laufzeit des Vertrages bedeutet das im Durchschnitt 10,5 Prozent mehr auf Gehalt. Für Volontär*innen ist das Plus mit mehr als 15 Prozent sogar deutlich größer. Und auch Berufseinsteiger*innen profitieren mit einem Gehaltsplus von etwa 1,5 Prozent überdurchschnittlich. Für ab 2026 neu eingestellte Redakteur*innen wird bei der Urlaubsgeldberechnung das Tarifgehalt als Berechnungsgrundlage berücksichtigt.
Was hätten Sie sich noch gewünscht?
Persönlich hätte ich mir angesichts der politischen Weltlage mit ihren nicht zu prognostizierenden wirtschaftlichen Folgen eine kürzere Laufzeit des Tarifvertrages gewünscht. 36 Monate sind schon sehr lang. Beim BDZV war diese Geltungsdauer aber in Stein gemeißelt.
Der Abschluss sei ein klares Zeichen der Wertschätzung an die Redaktionen., sagte Georg Wallraf, Verhandlungsführer für den Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). Wertschätzung sieht doch eigentlich anders aus und ist nicht nur mit Reallohnzuwächsen zu haben. Was braucht es noch, um auch künftig den Job attraktiv zu halten bzw. gestalten?
Von echter Wertschätzung der Journalist*innen, die für Tageszeitungen arbeiten, war der BDZV auch diesmal meilenweit entfernt. In den Verhandlungen wurde klar, dass die zunehmende Belastung, unter der wir alle in personell immer weiter ausgedünnten Redaktionen arbeiten, einkalkuliert und nicht anerkannt wird. Im Gegenteil. Wenn wir davon sprechen, dass immer weniger Kolleg*innen immer mehr leisten müssen, wird das von den BDZV-Vertreter*innen lapidar abgetan. Mangelnde Wertschätzung – um nicht zu sagen Verachtung – für die Redakteur*innen wird besonders deutlich, wenn Arbeitgeber unsere Berufsjahresstaffel in Frage stellen. Diese sorgt ja dafür, dass Kolleg*innen mit steigender Zahl der Berufsjahre – also mit mehr Berufserfahrung und mehr Professionalität – steigende Einkommen haben. Herr Wallraf nennt das „Absitzen“. Für ihn sitzen die Beschäftigten demnach vor allem in den Redaktionen rum und warten darauf, dass sie endlich in die nächste Gehaltsstufe kommen.
Auf was müssen sich die Journalist*innen in Zukunft noch einstellen, wenn die KI flächendeckend Einzug in die Redaktionen erhält? Hat das der beschlossene Vertrag mitberücksichtigt?
Das Thema KI berücksichtigt der Abschluss leider gar nicht. Wir hatten als dju genau das gefordert. Denn uns ist klar, dass KI unsere Arbeit in vielerlei Hinsicht verändern wird. Der BDZV hat es bedauerlicherweise abgelehnt im Rahmen dieser Verhandlungen darüber zu sprechen. Andere Arbeitgeber, mit denen wir als ver.di im Rahmen von Tarifverhandlungen zu tun haben, sind da deutlich offener und weitsichtiger.
Uns dagegen wurde lapidar mitgeteilt, die Einführung der KI in den Redaktion erfolge im Rahmen der unternehmerischen Freiheit und könne deshalb gar nicht Gegenstand von Tarifverhandlungen sein. Die Arbeitgeber reagieren bei diesem Thema mit tarifpolitischen Scheuklappen. Als dju sehen wir das anders. Wir brauchen klare, tarifvertraglich niedergelegte Grundregeln dazu, wie über die KI-basierte Verwendung eigener Beiträge in den Redaktionssystemen mitbestimmt werden kann. Und wir brauchen eine Beteiligung der Beschäftigten an den erwarteten Effizienzgewinnen durch die Einführung von KI.
Immerhin hat sich der BDZV im Rahmen unseres Abschlusses dazu verpflichtet, mit den Gewerkschaften weiter über das Thema KI zu sprechen. Wir als dju bleiben dran und zählen auf die Unterstützung durch unsere aktiven Mitglieder in den Redaktionen auch bei dieser Verhandlung. Es geht darum, dass Menschen darüber bestimmen müssen, was durch Verlage veröffentlicht wird und dass Journalist*innen Nachrichten, Reportagen und die Vielfalt der Zeitungs-Beiträge weiterhin prägen.

