Trotz teils hoher Temperaturen in diesem Sommer hierzulande fühlen sich die Beschäftigten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in die Eiszeit versetzt. Seit Wochen wird in mehreren Sendeanstalten über Gehälter und Honorare der Beschäftigten verhandelt, die ver.di zufolge wie üblich an den öffentlichen Dienst angekoppelt werden sollen – erfolglos! Die Arbeitgeber bleiben mit ihren Angeboten weit darunter. Widerstand formiert sich!
Die Tarifverhandlungen zwischen dem SWR und den Gewerkschaften kamen zum Stillstand. Der Verhandlungstermin 3. Juli wurde abgesagt und eine „Denkpause“ von Seiten der Gewerkschaften empfohlen. Einen Tag zuvor hatten sich etwa 120 bis 150 Beschäftigte an der Aktion „Eiszeit“ beteiligt. Sie demonstrierten vor dem Funkhaus Stuttgart für eine akzeptable Gehaltserhöhung. Die Vorsitzende des Personalrats und des ver.di-Senderverbands im SWR Andrea Valentiner-Branth kündigte in ihrer Rede vor den Beschäftigten an, dass man sich nicht darauf einlassen werde, unter den Maßstab des öffentlichen Dienstes gedrückt zu werden: „Wir sind bereit, über unsere Forderungen zu verhandeln. Aber die rote Linie heißt: Abschluss öffentlicher Dienst.“
Der SWR könne sich diesen Maßstab nämlich durchaus leisten, betonte sie. Das habe der gerade veröffentlichte Haushaltsabschluss gezeigt. Darin werde unter anderem deutlich, dass die Produktivität gestiegen sei, und zwar enorm gestiegen. „Aber unsere Honorare und Gehälter sollen da nicht hinterher kommen“, kritisierte die Personalratsvorsitzende. Wenn die Beschäftigten von ihren Forderungen abrücken würden, „wäre das ein Eingeständnis, dass wir es nicht wert wären. Aber: Wir sind unser Geld wert“, sagte Valentiner-Branth. Am 3. September sollen die Verhandlungen im SWR fortgesetzt werden.
Zuvor hatte es im Juni nach zwei erfolglosen Verhandlungsrunden einen wirkungsvollen Streik der Kolleginnen und Kollegen des NDR gegeben. Es kam zu Programmausfällen! M berichtete.
Beim MDR legte die Geschäftsleitung am 20. Juni in der zweiten Verhandlung ein verbessertes Angebot vor. Das betraf unter anderem das Urlaubsgeld und die Angebotsgarantie langjährig beschäftigter Freier. In Bezug auf den Gehalts- und Honorarzuwachs blieb man bei den bereits vorgeschlagenen vier Prozent, bei einer Laufzeit von zwei Jahren.
Der Bayerische Rundfunk startete am 2. Juli mit den Verhandlungen. Vom Arbeitgeber wurde jedoch kein konkretes Angebot vorgelegt, sondern lediglich eine verschlechternde Gegenforderung in Bezug auf die ver.di-Forderungen aufgestellt. Die Verhandlungskommission von ver.di hat daraufhin deutlich gemacht, dass auch sie sich nicht vom öffentlichen Dienst abkoppeln lassen und nach der Sommerpause über mögliche Arbeitskampfmaßnahmen entschieden werden müsse.
Ernüchternd war auch die zweite Verhandlungsrunde am 3. Juli auch beim Saarländischen Rundfunk (SR). Der Arbeitgeber legte erstmalig ein Angebot vor und bot eine Erhöhung der Gehälter und Honorare in zwei Schritten um 1,7 Prozent und 1,9 Prozent an, Laufzeit des Tarifvertrags sollen zwei Jahre sein. Damit liegt auch der SR rund ein Drittel unterhalb des Abschlusses im Öffentlichen Dienst sowie den Tarifabschlüssen in anderen Branchen.
Der stellvertretende ver.di-Vorsitzende, Frank Werneke fordert eine „spürbare Bewegung“ in den Tarifverhandlungen für die rund 30.000 fest Angestellten und die rund 18.500 arbeitnehmerähnlichen Freien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Für die Beschäftigten der Sender der ARD, des ZDF und des Deutschlandradios (DLR) stehen die Zeichen auf Eskalation. In den ersten Verhandlungen lagen die Anstalten mit ihren Angeboten noch unterhalb der Inflation. Das ist vollkommen inakzeptabel.“ Der öffentliche Dienst der Länder habe die notwendige Vorlage für die Gehaltsentwicklung bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geliefert. Eine Abkoppelung der Tariflohnentwicklung für unsere Mitglieder „werden wir nicht akzeptieren “, erklärte Werneke.
„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und seine Beschäftigten leisteten einen unverzichtbaren Beitrag zur Demokratie in einer Zeit, in der der öffentliche Diskurs wegen der Dominanz der digitalen Plattformen immer mehr verrohe“, so Werneke weiter. „Die Beschäftigten von ARD, ZDF und Deutschlandradio setzen Leuchttürme seriöser Information, Analyse und Meinung in das weite Meer der durchs Internet schwappenden Hasstiraden und Falschnachrichten. Dafür erwarten sie zurecht angemessene Bedingungen, und zwar orientiert am öffentlichen Dienst.“
Für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder hatte ver.di mit den Arbeitgebern im März 2019 eine Anhebung der Gehälter im Gesamtvolumen von acht Prozent, mindestens von 240 Euro pro Monat, vereinbart. Darüber hinaus soll eine Aufwertung der Einstiegsgehälter (Stufe 1 der Entgelttabelle) in allen Entgeltgruppen die Arbeit für Neueinsteiger attraktiver machen.